VwGH vom 10.08.2010, 2010/17/0082

VwGH vom 10.08.2010, 2010/17/0082

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde der AG in D, vertreten durch Haßlinger Haßlinger Planinc Partner, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-LE.4.3.2/2009-I/2/2010, betreffend Zwangsstrafe in Angelegenheiten Agrarmarketingbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom des Vorstands für den Geschäftsbereich I der Agrarmarkt Austria (in der Folge: AMA) wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Beitragserklärung(en) für den Agrarmarketingbeitrag "Gartenbau" für das Jahr 2009 fehlten. Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert, die fehlende(n) Beitragserklärung(en) binnen vierzehn Tagen nach Erhalt des Schreibens einzubringen und den Agrarmarketingbeitrag einzuzahlen. Für den Fall, dass die Erklärung nicht binnen 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens vorgelegt würde, wurde die Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO von EUR 72,-- angedroht.

Dieses Schreiben wurde nach dem im Akt erliegenden Rückschein (die belangte Behörde hat keine Feststellungen zum Zustellzeitpunkt getroffen) am durch einen "Mitbewohner" der Beschwerdeführerin übernommen.

Mit Bescheid vom verhängte der Vorstand für den Geschäftsbereich I der AMA die angedrohte Zwangsstrafe. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin neuerlich aufgefordert, die Beitragserklärung einzubringen, widrigenfalls eine Zwangsstrafe in Höhe von EUR 144,-- verhängt werde.

Aufgrund der mit datierten und am bei der AMA eingelangten Berufung der Beschwerdeführerin erging zunächst eine Berufungsvorentscheidung vom , mit der die Berufung abgewiesen wurde. Über Vorlageantrag der Beschwerdeführerin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem die Berufung "gegen den Bescheid der AMA vom " gemäß "§§ 21a ff AMA-Gesetz 1992 idgF und § 211 und 276 BAO 1961 idgF" abgewiesen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass die Androhung der Zwangsstrafe allen gesetzlichen Erfordernissen entsprochen habe und auch nachweislich der Beschwerdeführerin zugestellt worden sei. Auch wenn eine im Haushalt anwesende Person die mit Rückschein versehene Postsendung entgegen nehme, handle es sich um eine nachweisliche Zustellung. Dies sei im Beschwerdefall der Fall gewesen. Die Briefsendung sei von einer an der Abgabestelle anwesenden Person entgegen genommen worden, was dem Zustellnachweis zu entnehmen sei.

Dass darüber hinaus noch weitere Verfahrensschritte vorgenommen werden müssten, wie z.B. die "Einvernahme von Ehepartnern oder anderen Personen, die bezeugen können sollen, dass die Androhung der Strafe der Verpflichteten auch tatsächlich zugekommen ist, würde den Rahmen des Verfahrens zweifelsohne überschreiten". Es sei außerdem nicht erwiesen, dass ein Mensch mit Sicherheit behaupten könne, dass ein anderer Mensch etwas "nicht" erhalten habe, "es sei denn, die Personen seien zu jeder erdenklichen Zeit zusammen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin im Verfahren zur Festsetzung des Agrarmarketingbeitrags nicht das AVG, sondern die BAO anzuwenden ist (vgl. § 21i Abs. 3 AMA-Gesetz 1992, BGBl. 376, in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2001, in Verbindung mit § 1 Abs. 1 BAO und zu Zwangsstrafen nach § 111 BAO im Zusammenhang mit Beitragserklärungen betreffend den Agrarmarketingbeitrag die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/17/0454, oder vom , Zl. 2008/17/0177).

Eine Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 111 BAO kommt daher zur Erzwingung der Abgabe einer Beitragserklärung betreffend den Agrarmarketingbeitrag grundsätzlich in Betracht.

Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen durch die Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Gemäß § 111 Abs. 2 BAO ist der Verpflichtete vor der Festsetzung der Zwangsstrafe unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm geforderten Leistung aufzufordern. Liegt eine wirksame Zustellung einer schriftlichen Aufforderung im Sinne des § 111 Abs. 2 BAO vor, so sind die Voraussetzungen für die Verhängung der Zwangsstrafe erfüllt, wenn die von der Behörde gesetzte Frist (so sie als angemessen zu qualifizieren ist) bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids ungenützt verstrichen ist (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, § 111 BAO, Rz 1, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Eine solche Zustellung liegt nach § 16 Zustellgesetz auch vor, wenn die Sendung an einen Ersatzempfänger im Sinne des § 16 Zustellgesetz abgegeben wird (vgl. z.B. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, 369 f).

Die entscheidende Frage im Zusammenhang mit der Zustellung der Aufforderung an die Beschwerdeführer ist somit nicht, ob der Beschwerdeführerin die Aufforderung zur Abgabe der Beitragserklärung auch tatsächlich zugekommen ist, sondern ob die Übergabe der Sendung an die auf dem Rückschein unterfertigte Person zu einer wirksamen Zustellung führte. Die belangte Behörde hat in diesem Sinne auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Androhung der Verhängung der Zwangsstrafe dem Verpflichteten zugestellt worden sein müsse, was im Falle einer wirksamen Ersatzzustellung der Fall war.

Die Beschwerde zeigt jedoch folgenden Feststellungs- und Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auf, der zu seiner Aufhebung führen muss:

Wie in der Sachverhaltsdarstellung festgehalten, belegt der im Akt erliegende, von der belangten Behörde für ihre Auffassung, es sei eine ausreichende Aufforderung erfolgt, eine Übernahme der Sendung durch eine als "Mitbewohner" ausgewiesene Person am (eine dezidierte Feststellung über das Datum der Zustellung hat die belangte Behörde nicht getroffen). Der Rückschein weist auch einen Eingangsstempel der AMA vom auf. Der erstinstanzliche Bescheid, mit dem die Zwangsstrafe verhängt wurde, ist aber bereits mit datiert, nach den Angaben in der Berufungsvorentscheidung ging die mit datierte Berufung gegen diesen Bescheid am bei der AMA ein. Die Verhängung der Zwangsstrafe wäre demnach jedenfalls vor Ablauf der im Schreiben vom 21. Juli gesetzten zweiwöchigen Frist erfolgt. Feststellungen zur zeitlichen Abfolge hat die belangte Behörde jedoch nicht getroffen. Der Sachverhalt bedarf daher in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bzw. leidet der angefochtene Bescheid an einem Begründungsmangel, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid leidet insoweit an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis war auf den weiteren Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe den Bescheid an den Rechtsvertreter (und nicht an die Beschwerdeführerin gerichtet) nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am