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VwGH vom 30.04.2007, 2006/02/0034

VwGH vom 30.04.2007, 2006/02/0034

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-1641/5/2005, betreffend Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (mitbeteiligte Partei:

SV in R, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg vom wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, er habe als gemäß § 9 VStG verantwortlicher Geschäftsführer der V.-GmbH mit einem näher angeführten Standort, wie am durch ein Organ des Arbeitsinspektorates anlässlich einer Unfallerhebung auf einer örtlich umschriebenen Baustelle, Freileitungsmast Nr. ..., der 220 kV-Leitung festgestellt worden sei, Folgendes zu verantworten:

Auf der genannten Baustelle seien zumindest am die Profile (Streben) am gegenständlichen Freileitungsmast in einer Höhe von ca. 40 m durch Arbeitnehmer dieses Unternehmens ausgetauscht worden. Dabei sei durch den Arbeitnehmer H. K. die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz nicht ordnungsgemäß verwendet worden; er sei somit nicht sicher angeseilt gewesen.

Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs. 4 in Verbindung mit § 85 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom Folge, behob dieses Straferkenntnis und stellte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, hinsichtlich des innerbetrieblichen Kontrollsystems folge die Berufungsbehörde den Ausführungen des Mitbeteiligten. Im gegenständlichen Fall habe dieser schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass er in seinem Verantwortungsbereich ein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes, innerbetriebliches Kontrollsystem installiert habe, welches die Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmung sicherstellen solle. Insbesondere habe der Mitbeteiligte - auf den konkreten Vorfall bezogen - dargelegt, dass dem verunfallten Arbeitnehmer die persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestanden sei, dass diese vom Arbeitnehmer auch ("wenngleich nicht ordnungsgemäß") verwendet und dass der Arbeitnehmer zwei Tage vor dem Unfall hinsichtlich der Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen unterwiesen worden sei. Dem Mitbeteiligten sei nicht vorwerfbar, dass es der Arbeitnehmer verabsäumt habe, sich beim Arbeiten auf dem Hochspannungsmast ordnungsgemäß zu sichern, zumal diese Sicherung am Arbeitsplatz wohl in die "Eigenverantwortung" des Arbeitnehmers fallen müsse und es darüber hinaus "objektiv unmöglich" sei, zu kontrollieren, ob die Arbeitnehmer tatsächlich zu jeder Zeit entsprechend gesichert seien. Dies habe jedoch zur Folge, dass dem Mitbeteiligten die gegenständliche Verwaltungsübertretung nicht vorwerfbar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Das Beschwerdevorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass von der Darlegung eines "wirksamen Kontrollsystems" durch den Arbeitgeber keine Rede sein könne; auch wendet sich der beschwerdeführende Bundesminister gegen die Auffassung der belangten Behörde in Hinsicht auf die "Eigenverantwortung" des verunfallten Arbeitnehmers. Er ist damit im Recht:

Was zunächst die von der belangten Behörde angeführte "Eigenverantwortung" des Arbeitnehmers anlangt, so genügt der Hinweis, dass der Arbeitgeber nach deren § 155 für die Einhaltung der BauV verantwortlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0224). Auch § 156 BauV (betreffend Pflichten der Arbeitnehmer) ändert daran nichts, weil das vom Arbeitgeber einzurichtende (wirksame) Kontrollsystem gerade im Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0018).

Dieses "wirksame" Kontrollsystem erfordert aber auch die Ausschöpfung sämtlicher technischer Möglichkeiten (wie etwa den Einsatz von Ferngläsern - allenfalls in Verbindung mit Fernsprechgeräten) um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften - wie hier - auch in großer Höhe (etwa vom Boden aus) kontrollieren zu können. Dass diese Kontrolle somit "objektiv unmöglich" gewesen sei - so die belangte Behörde - , vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen.

Was schließlich das vom Mitbeteiligten dargelegte Kontrollsystem anlangt, so verkennt die belangte Behörde neuerlich die Rechtslage. Es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das zitierte Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0018, sowie das Erkenntnis vom , Zl. 2006/02/0210), dass die Erteilung von Anordnungen (Weisungen) sowie Schulungen nicht ausreichen. Ob die "Mitnahme" der Seile und Sicherungsgeräte und das "Anlegen" der Schutzausrüstung einer Kontrolle unterworfen worden seien und dem verunfallten Arbeitnehmer die persönliche Schutzausrüstung "zur Verfügung" gestanden sei, ist unerheblich. Die belangte Behörde erkennt in diesem Zusammenhang ohnedies selbst, dass diese Schutzausrüstung "nicht ordnungsgemäß" verwendet worden sei; gerade darauf kam es aber im Beschwerdefall im Zusammenhang mit einem entsprechenden "wirksamen Kontrollsystem" an.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am