VwGH vom 10.08.2010, 2010/17/0079
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde des I M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1315/001-2010, betreffend Aufschließungsabgabe gemäß § 38 der Niederösterreichischen Bauordnung (mitbeteiligte Partei:
Marktgemeinde S in S, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 220,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Der Beschwerdeführer beantragte am die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses samt Garage auf einer näher bezeichneten Liegenschaft. Aus dem dem Antrag beigelegten Grundbuchsauszug sowie aus der gleichfalls dem Antrag beiliegenden Baubeschreibung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer (zum Zeitpunkt der Antragstellung) nicht Eigentümer der Liegenschaft war.
Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer die begehrte baubehördliche Bewilligung erteilt und gleichzeitig die Liegenschaft zum Bauplatz erklärt.
1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von EUR 14.500,70 vorgeschrieben; auf diese wurde eine früher erbrachte Leistung in der Höhe von "EUR 948,9130" angerechnet, woraus ein für den Beschwerdeführer zu zahlender Abgabenanspruch von EUR "13.551,7870" resultierte.
Spruchgemäße Grundlage für die Abgabenvorschreibung war, dass mit Bescheid vom das gegenständliche Grundstück zum Bauplatz erklärt worden sei. Rechtlich stützte sich der Abgabenbescheid auf § 38 Abs. 1 Z. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. 8200 "in der derzeit geltenden Fassung".
1.3. In seiner dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen den Umfang der vorgenommenen Anrechnung; die insoweit getroffenen Feststellungen seien unzutreffend, es sei ein wesentlich höherer Betrag anzurechnen.
1.4. Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid jedoch dahin abgeändert, dass nunmehr eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von EUR 14.500,70 gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 vorgeschrieben werde, weil mit Bescheid vom dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage und Pool, einer gassenseitigen Einfriedung, Sockelstützmauern und Niveauveränderungen erteilt worden sei.
Begründend führte die Berufungsbehörde unter anderem aus, dass - entgegen der erstinstanzlichen Annahme - das gegenständliche Grundstück zum Zeitpunkt der Erlassung des "angefochtenen Bescheides" (gemeint wohl des Bauplatzerklärungsbescheides) bereits die Qualifikation des Bauplatzes gehabt habe, sodass als Begründung der Bezugnahme auf den Bescheid vom anstelle der mit diesem erfolgten Bauplatzerklärung die gleichfalls mit diesem erteilte (nunmehr rechtskräftige) Baubewilligung heranzuziehen gewesen sei. Die "erfolgte Korrektur der Bezugsnorm" ändere nichts an der Rechtsfolge der Verpflichtung, die Aufschließungsgebühren durch die Behörde vorzuschreiben.
1.5. In seiner dagegen erhobenen Vorstellung verwies der Beschwerdeführer darauf, dass Leistungen, die auf Grund des § 14 Abs. 5 der Niederösterreichischen Bauordnung 1883 erbracht worden seien, zu berücksichtigen gewesen wären.
1.6. Mit ihrem Bescheid vom wies die belangte Behörde die Vorstellung hinsichtlich des Spruchpunktes 1 (mit diesem war der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben worden) als unbegründet ab, behob jedoch den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes 2 (Vorschreibung unter Bezugnahme auf die baubehördliche Bewilligung vom ).
Begründend ging die belangte Behörde unter anderem davon aus, dass die Aufschließungsabgabe eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe sei. Der Vorstellungswerber (Beschwerdeführer) habe um die Erteilung einer Baubewilligung angesucht. Diese sei mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde erster Instanz vom erteilt worden, wobei gleichzeitig das Grundstück zum Bauplatz erklärt worden sei. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Der Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches sei daher ganz klar zu ersehen. Der rechtskräftige Bauplatzerklärungsbescheid sei daher auch von der Abgabenbehörde zu berücksichtigen, wobei es völlig unerheblich sei, dass nunmehr ein Grundabteilungsbescheid aus dem Jahre 1959 "aufgetaucht" sei. Wäre dieser Bescheid der Baubehörde zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorgelegen, wäre eine Bauplatzerklärung "natürlich überflüssig gewesen", weil das gegenständliche Grundstück bereits die Bauplatzeigenschaft aufgewiesen habe. Weil dieser Bescheid aber der Baubehörde unbekannt gewesen sei, sei eine neuerliche Bauplatzerklärung ausgesprochen worden. Diese sei in Rechtskraft erwachsen und löse daher die Entstehung des Abgabenanspruches aus. Deshalb sei der Spruchpunkt 2 des angefochtenen Berufungsbescheides zu beheben gewesen, weil der rechtskräftige Bescheid vom von der Abgabenbehörde zu beachten gewesen sei und die Frage, ob bereits aus einem früheren Anlass eine Bauplatzeigenschaft des Grundstückes eingetreten sei, nicht zu erörtern gewesen wäre.
1.7. Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 38 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 8200-8, ist dem Eigentümer eines Grundstückes im Bauland von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit rechtskräftigem Bescheid 1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt, oder 2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2 und 3, für den kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag oder keine entsprechende Abgabe vorgeschrieben und entrichtet worden ist, erteilt wird.
2.2. Der Beschwerdeführer bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof zunächst vor, er sei zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes nicht Eigentümer des gegenständlichen Grundstückes gewesen. Er habe das Eigentumsrecht an dem Grundstück erst auf Grund des Schenkungsvertrages vom erhalten.
Die belangte Behörde tritt - ebenso wie die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Marktgemeinde - dieser aus dem Grundbuch ersichtlichen Tatsache vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht entgegen. Beide Parteien verweisen aber darauf, dass der Beschwerdeführer diesen Einwand gegen die ihm auferlegte Abgabenverpflichtung erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhoben hat.
2.3. Nach der eingangs (siehe oben Punkt 1.1.) geschilderten Aktenlage hat der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung darauf hingewiesen, dass er nicht Eigentümer der Liegenschaft ist. Er war daher nicht gehindert, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren diesen Umstand ins Treffen zu führen, zumal dem Akteninhalt etwaige andere Ermittlungsergebnisse nicht zu entnehmen sind.
Gemäß § 3 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977, in der anzuwendenden Stammfassung LGBl. 3400-00, entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft (Abs. 1). Der Zeitpunkt der Feststellung und der Fälligkeit einer Abgabe ist ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches (Abs. 2).
Gleich, ob man nun den Abgabentatbestand des § 38 Abs. 1 Z. 1 oder den des § 38 Abs. 1 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 als verwirklicht betrachtet, ist der belangten Behörde darin zuzustimmen, dass jedenfalls der Abgabenanspruch nicht später als mit Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom verwirklicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt war aber der Beschwerdeführer nach der Aktenlage nicht Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft, sodass ihm die Aufschließungsabgabe nicht hätte vorgeschrieben werden dürfen.
2.4. Dadurch, dass die belangte Behörde den auf Ebene der Gemeindebehörden unterlaufenden Verfahrensmangel hinsichtlich der Feststellung des Abgabenschuldners nicht wahrgenommen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war gemäß § 49 Abs. 1 VwGG abzuweisen, weil der Beschwerdeführer nicht tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war und diese Regelung auch für Rechtsanwälte gilt, die in eigener Sache einschreiten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/17/0509 und vom , Zl. 2006/02/0232).
Wien, am
Fundstelle(n):
PAAAE-79391