VwGH vom 18.11.2014, 2013/05/0026

VwGH vom 18.11.2014, 2013/05/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde des Vereins I in W, vertreten durch Dr. Franz-Christian Sladek und Dr. Michael Meyenburg, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neustiftgasse 3, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. MA 26-448/2012, betreffend Auskunftserteilung nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit E-Mail vom richtete der Beschwerdeführer folgendes Auskunftsbegehren an an die Magistratsabteilung (MA) 21 A:

"Sehr geehrte Damen und Herren der MA 21 A,

Die Planentwürfe 7988 und 7911 befinden sich derzeit in

öffentlicher Auflage (15. März bis 26. April).

Vgl. (...)

Dazu hätten wir jetzt folgende Frage: Wann haben Sie der örtlichen Bezirksvertretung den jeweiligen Planentwurf übermittelt und welche Frist haben Sie der Alsergrunder und der Penzinger Bezirksvertretung für die Abgabe einer Stellungnahme gesetzt?

(gemäß § 2 Abs. 5 Wiener Bauordnung; ganz unten zitiert)

Bitte um Nennung des konkreten Datums: Beginn und Ende der

Frist.

Mit besten Dank im Voraus und freundlichen Grüßen

( ... )"

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 21 A, vom

wurde das Auskunftsbegehren gemäß § 1 Abs. 1 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 B-VG abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verfahren zur Festsetzung und Abänderung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen in § 2 der Bauordnung für Wien (BO) geregelt sei. Mit Ausnahme der im § 2 Abs. 5 BO angeführten Vorschrift, wonach der Magistrat die Entwürfe für die Festsetzung und für Abänderungen der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne unter Anschluss der gutächtlichen Stellungnahme des Fachbeirates für Stadtplanung und Stadtgestaltung sowie des Umweltberichtes nach Abs. 1c leg. cit. oder einer Begründung für eine Entscheidung keine Umweltprüfung nach Abs. 1b leg. cit. durchzuführen, durch sechs Wochen zur öffentlichen Einsicht aufzulegen habe, unterlägen alle anderen Verfahrensschritte der Verschwiegenheitspflicht gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG. Da im Übrigen keine gesetzliche Bestimmung existiere, die eine anderslautende Anordnung vorsehe, sei die begehrte Auskunft auch nicht zu erteilen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dass die in Art. 20 Abs. 3 B-VG genannten Geheimhaltungsgründe taxativ aufgezählt und daher auch restriktiv auszulegen seien. Sie seien jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der Grund, der den Verfassungsgesetzgeber bewogen habe, die Verschwiegenheit über das Interesse an der Auskunftserteilung zu stellen, nicht vorhanden sei. Die Rechtsansicht, derzufolge alle Vorschriften, mit Ausnahme der im § 2 Abs. 5 BO genannten, dieser Amtsverschwiegenheit unterlägen, übersehe die Beschränkung der Auskunftsverweigerung auf jene Tatsachen, deren Geheimhaltung mit Blick auf die vorzubereitende Entscheidung geboten sei, während jene Tatsachen, die auf die vorzubereitende Entscheidung ohne Einfluss seien und deren Kenntnis keine Möglichkeit biete, auf den Fortgang des Verfahrens sowie die behördliche Willensbildung irgendeinen Einfluss zu nehmen, sehr wohl der Auskunftspflicht unterlägen. Es sei auch gängige Praxis in mehreren Bezirken, derartige Fristen der interessierten Öffentlichkeit ohne Bedenken bekanntzugeben, ohne dass jemand auf den Gedanken käme, darin eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zu sehen. Hinzu komme zumindest hinsichtlich des Plandokuments 7991, dass die Entscheidung der Behörde zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung bereits getroffen worden sei und daher unter Berufung auf den herangezogenen Tatbestand keine Amtsverschwiegenheit mehr bestehen hätte können. Selbst wenn man davon ausginge, dass die angefragten Daten der Amtsverschwiegenheit unterlägen, wäre die Auskunftsverweigerung schon wegen der bereits getroffenen Entscheidung rechtswidrig. Mangels eines wie immer gearteten Einflusses auf die behördliche Willensbildung sei es Amtspflicht der Behörde, die konkret erbetene und verfassungsrechtlich zustehende Auskunft zu geben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, dass weder aus dem Auskunftsersuchen noch aus der Berufung ersichtlich sei, welches Interesse der Beschwerdeführer an der Bekanntgabe der genauen, der Bezirksvertretung eingeräumten Frist (Datum von Beginn und Ende) haben könnte. Dies gelte insbesondere deswegen, weil es sich bei der der Bezirksvertretung für die Abgabe einer Stellungnahme gesetzten Frist um eine Tatsache handle, die auf die vorzubereitende Entscheidung ohne Einfluss sei und deren Kenntnis keine Möglichkeit biete, auf den Fortgang des Verfahrens sowie auf die behördliche Willensbildung irgendeinen Einfluss zu nehmen. Daher könne der Beschwerdeführer mit der begehrten Auskunft nichts erfahren, was für ihn insbesondere im Rahmen des Verordnungserlassungsverfahrens in irgendeiner Weise verwertbar wäre. Auch dem Beschwerdeführer hätte diese Zwecklosigkeit seines Auskunftsersuchens bewusst sein müssen.

Da somit ein Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Auskunft nicht zu erkennen sei, sei das Auskunftsbegehren mutwillig gestellt worden, sodass die begehrte Auskunft nicht zu erteilen gewesen sei.

Auch die Bestimmung des Art. 20 Abs. 4 B-VG und des § 1 Abs. 5 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes, wonach eine Auskunft nur insoweit zu erteilen sei, als dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben eines Organes nicht wesentlich beeinträchtigt würden, stünden einer Auskunftserteilung insofern entgegen, als eine Vielzahl derartiger Auskunftsbegehren, die von keinem erkennbaren rechtlichen Interesse getragen seien, einen Einfluss auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Verwaltungsaufgaben in Bezug auf die Erlassung von Plandokumenten haben würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "wegen Rechtswidrigkeit" kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, dass das Wiener Auskunftspflichtgesetz vom Auskunftsbegehrenden nicht verlange, von sich aus sein Interesse an der Auskunft darzulegen. Es könne, wenn Zweifel an einem solchen Interesse aufkämen, dessen Darlegung von der Behörde gefordert und bei Verweigerung einer plausiblen Erklärung auf Mutwilligkeit geschlossen werden. Im gegenständlichen Fall habe die Behörde jedoch in keiner Phase des Verfahrens eine Darlegung des Interesses an der Auskunft gefordert. Der Beschwerdeführer hätte auch keinerlei Grund gehabt, dieses Interesse, das er schon oft in schriftlichen wie mündlichen Darlegungen begründet habe, zu verbergen. Es bestehe darin, konkrete Belege dafür zu sammeln, eine begründete Änderung der BO einzufordern. Die derzeitige Gesetzeslage führe nämlich dazu, dass von der Bevölkerung gewählte Vertreter im Bezirks-Bauausschuss und in der Bezirksvertretung ihre Stellungnahme zum Entwurf eines Plandokumentes zu einem Zeitpunkt beschlössen, zu dem die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen durch die Gemeindebevölkerung noch laufe und daher der Bezirks-Bauausschuss und die Bezirksvertretung diese Stellungnahmen noch gar nicht berücksichtigen könnten. Die Intentionen des Beschwerdeführers gingen dahin, dass die Befassung und Beschlussfassung der gewählten Bezirksvertreter erst nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme durch die Bevölkerung erfolge. Um die Änderung der vom Beschwerdeführer als demokratischer "Missstand" empfundenen Gesetzeslage zu erwirken und dem Einwand zu begegnen, eine solche Änderung sei auf Grund der Faktenlage nicht erforderlich, sei eine Dokumentation der zu diesem Umstand zählenden Einzelereignisse unentbehrlich. Auch werde die erbetene Auskunft von anderen Bezirken anstandslos erteilt. Von offenkundiger Mutwilligkeit könne angesichts dieser Interessenlage jedenfalls keine Rede sein.

Die Tatsache, dass der Bezirksvertretung eine Frist zur Stellungnahme einzuräumen sei, sei gesetzlich normiert und unterliege daher nicht der Amtsverschwiegenheit. Gegenstand derselben könne daher nur der Zeitpunkt sein, am dem diese Frist ende. Die Kenntnis dieser Frist ermögliche jedoch keinen wie immer gearteten Einfluss auf das laufende Verfahren. Zudem sei die eingeräumte Frist zum Zeitpunkt der Auskunftsverweigerung bereits abgelaufen gewesen. Damit sei auch jeglicher Einfluss auf eine zu treffende Entscheidung denkunmöglich und damit jegliches Geheimhaltungsinteresse weggefallen.

Die belangte Behörde habe weiters ausgeführt, dass eine Vielzahl derartiger Auskunftsbegehren, die von keinerlei erkennbarem rechtlichen Interesse getragen seien, einen Einfluss auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Verwaltungsaufgaben in Bezug auf die Erlassung von Plandokumenten haben würde. Während das Gesetz auf die Wirkung eines konkreten, tatsächlichen Begehrens abstelle, gehe die belangte Behörde lediglich von einer bloßen, unbegründeten Annahme von Tatsachen aus, die noch dazu nicht im Geringsten eingetreten seien. Eine solche, völlig willkürliche Annahme sei aus dem Gesetz als Auskunftsverweigerungsgrund keinesfalls abzuleiten. Im Übrigen stehe der Aufwand der Behörde für die Erteilung einer in einem bloßen Datum bestehenden Auskunft in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, der mit der zu Unrecht erfolgten Auskunftsverweigerung verbunden sei.

Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 sind auf das vorliegende, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden.

§ 1 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes, LGBl. Nr. 20/1988 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 29/1999, lautet auszugsweise:

"§ 1 (1) Die Organe des Landes und der Gemeinde Wien sowie der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(...)

(5) Auskunft ist nur insoweit zu erteilen, als dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben eines Organes nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Auskunft ist nicht zu erteilen, wenn sie offenkundig mutwillig begehrt wird."

Die belangte Behörde ist im Beschwerdefall allein deshalb von einer Mutwilligkeit des gegenständlichen Auskunftsbegehrens ausgegangen, weil sie ein Interesse an der begehrten Auskunft nicht habe erkennen können, und hat damit die Rechtslage verkannt.

Nach der hg. Judikatur nimmt derjenige eine Behörde mutwillig in Anspruch, der sich in dem Bewusstsein der Grundlosigkeit und Aussichtslosigkeit, der Nutzlosigkeit und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer (ausschließlich) aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Der Begriff der Zwecklosigkeit eines Auskunftsersuchens im Sinne dieser Judikatur ist spezifisch vor dem Hintergrund jener Zwecke zu sehen, denen die Auskunftspflicht dient, also dem Gewinn von Informationen, über die der Antragsteller nicht verfügt, an denen er jedoch ein konkretes Auskunftsinteresse besitzt. Hingegen ist das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an einer solchen Auskunft nicht erforderlich. Im Bewusstsein der Zwecklosigkeit seines Begehrens, also mutwillig, handelt ein Antragsteller nach dem Vorgesagten auch dann, wenn er mit den Mitteln des Auskunftspflichtgesetzes ausschließlich Zwecke - mögen sie auch durchaus von der Rechtsordnung anerkannt oder gewollt sein - verfolgt, deren Schutz das Auskunftspflichtgesetz nicht dient (vgl. zum Ganzen sowie zu den dort beispielhaft aufgezählten, vom Auskunftspflichtgesetz nicht geschützten Zwecken das zum Auskunftspflichtgesetz des Bundes ergangene hg. Erkenntnis vom , Zlen. 97/19/0022 u.a., mwN, dessen Ausführungen sich auch auf das Wiener Auskunftspflichtgesetz übertragen lassen).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit seinem Begehren ausschließlich einen Zweck verfolgt, dessen Schutz das Wiener Auskunftspflichtgesetz nicht dient.

Ergibt sich - wie im Beschwerdefall - weder aus dem Inhalt noch aus den in diesem Schreiben gebrauchten Formulierungen ein Hinweis auf eine Mutwilligkeit eines Auskunftsersuchens, dann entfällt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht schon dann, wenn der Antragsteller nicht von sich aus und konkret dargetan hat, dass an der Beantwortung einer jeweils bestimmten Frage ein Auskunftsinteresse besteht (vgl. auch dazu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer daher bei Zweifeln am Bestehen eines konkreten Auskunftsinteresses zu einer entsprechenden Konkretisierung seines Begehrens auffordern müssen.

Auch mit seinem Vorbringen zum weiteren, von der belangten Behörde für die Abweisung des Auskunftsbegehrens herangezogenen Grund der wesentlichen Beeinträchtigung der Besorgung der übrigen Aufgaben, ist der Beschwerdeführer im Recht.

Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellungen zum Vorliegen anderer derartiger Auskunftsbegehren oder zu deren Anzahl, sodass die bloße Behauptung der belangten Behörde zur Vielzahl derartiger Auskunftsbegehren, die einen Einfluss auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Verwaltungsaufgaben in Bezug auf die Erlassung von Plandokumenten haben würden, nicht nachvollziehbar ist. Die bloße Befürchtung einer in Zukunft allenfalls möglichen Häufung derartiger Auskunftsbegehren berechtigt hingegen nicht zu einer Abweisung des Auskunftsbegehrens nach § 1 Abs. 5 erster Satz des Wiener Auskunftspflichtgesetzes.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am