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VwGH vom 26.01.2007, 2006/02/0024

VwGH vom 26.01.2007, 2006/02/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des MH in M, vertreten durch Dr. Günther Retter, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Südstadtzentrum IV/DG/Top 3, gegen Spruchpunkt 2.) des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom , Zl. Senat-MD-03- 1466, betreffend Übertretung des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Spruchpunkt 2.) des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der P GmbH mit Sitz in M dafür verantwortlich, dass am auf der Baustelle in K die Vorankündigung nicht sichtbar auf der Baustelle ausgehängt gewesen sei.

Er habe dadurch eine Übertretung gemäß § 6 Abs. 3 BauKG begangen. Es wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 BauKG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 700,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 6 des BauKG lautet:

"Vorankündigung

§ 6. (1) Der Bauherr hat eine Vorankündigung zu erstellen für Baustellen, bei denen voraussichtlich

1. die Dauer der Arbeiten mehr als 30 Arbeitstage beträgt und auf denen mehr als 20 Arbeitnehmer gleichzeitig beschäftigt werden,

oder

2. deren Umfang 500 Personentage übersteigt.

(2) Die Vorankündigung ist spätestens zwei Wochen vor Beginn der Arbeiten an das zuständige Arbeitsinspektorat zu übermitteln. In Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren oder bei kurzfristig zu erledigenden Arbeiten, ist die Vorankündigung spätestens am Tag des Arbeitsbeginnes zu übermitteln.

(3) Die Vorankündigung ist sichtbar auf der Baustelle auszuhängen.

(4) Die Vorankündigung muss beinhalten:


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1.
das Datum der Erstellung,
2.
den genauen Standort der Baustelle,
3.
Name und Anschrift des Bauherrn, des Projektleiters und der Planungs- und Baustellenkoordinatoren,
4.
Angaben über die Art des Bauwerks,
5.
Angaben über den voraussichtlichen Beginn der Arbeiten und über deren voraussichtliche Dauer,
6. Angaben über die voraussichtliche Höchstzahl der Beschäftigten auf der Baustelle,
7. Angaben über die Zahl der dort tätigen Unternehmen und Selbständigen,
8. die Angabe der bereits beauftragten Unternehmen.

(5) Die Vorankündigung ist bei Änderungen anzupassen."

§ 9 BauKG lautet:

"Übertragung von Pflichten des Bauherrn

(1) Wenn ein Projektleiter eingesetzt ist, kann der Bauherr seine Pflichten nach § 3, § 4 Abs. 1, § 6, § 7 und § 8 dieses Bundesgesetzes dem Projektleiter mit dessen Zustimmung übertragen.

(2) Abs. 1 gilt nicht, wenn ein Betriebsangehöriger des Bauherrn als Projektleiter eingesetzt ist.

(3) Wenn ein Betriebsangehöriger des Bauherrn als Planungs- oder Baustellenkoordinator eingesetzt ist, ist anstelle des Koordinators der Bauherr für die Einhaltung der Pflichten nach § 4 Abs. 2 und § 5 dieses Bundesgesetzes verantwortlich.

(4) Wenn ein Betriebsangehöriger des Projektleiters als Planungs- oder Baustellenkoordinator eingesetzt ist, ist anstelle des Koordinators der Projektleiter für die Einhaltung der Pflichten nach § 4 Abs. 2 und § 5 dieses Bundesgesetzes verantwortlich."

§ 10 BauKG lautet (auszugsweise):

"§ 10. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis 7.260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis 14.530 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer

1. als Bauherr die Verpflichtungen nach § 3, § 4 Abs. 1, § 6, § 7 oder § 8 dieses Bundesgesetzes verletzt,

2. als Projektleiter im Fall einer Übertragung nach § 9 Abs. 1 die Verpflichtungen gemäß § 3, § 4 Abs. 1, § 6, § 7 oder § 8 dieses Bundesgesetzes verletzt,

3. als Planungskoordinator seine Verpflichtungen nach § 4 Abs. 2 verletzt,

4. als Baustellenkoordinator die Verpflichtungen nach § 5 verletzt,

5. als Bauherr im Fall des § 9 Abs. 3 nicht dafür sorgt, dass der Koordinator die Verpflichtungen nach § 4 Abs. 2 und § 5 erfüllt,

6. als Projektleiter im Fall des § 9 Abs. 4 nicht dafür sorgt, dass der Koordinator die Verpflichtungen nach § 4 Abs. 2 und § 5 erfüllt."

Der Beschwerdeführer tritt den - unbedenklichen - Feststellungen der belangten Behörde, dass die U GmbH nicht gültig zum Projektleiter der gegenständlichen Baustelle bestellt worden sei, nicht mehr konkret entgegen. Er "vermeint" aber, aus der Richtlinie 92/57/EWG iVm der Begriffsbestimmung des "§ 2 Abs. 1 Z. 2" (gemeint wohl: § 2 Abs. 2) BauKG "ableiten zu können, dass die Stellung als Baustellenkoordinator jene eines Projektleiters inkludiert bzw. dass, wenn kein gesonderter Projektleiter eingesetzt wurde, die Aufgaben eines Projektleiters vom Baustellenkoordinator zu übernehmen sind".

Der Beschwerdeführer übersieht, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem vom Beschwerdeführer in anderem Zusammenhang zitierten Erkenntnis vom , Zlen. 2004/02/0284, 0285, unter Hinweis auf die vom Beschwerdeführer genannte Richtlinie 92/57/EWG klargestellt hat, dass dem Baustellenkoordinator und dem Projektleiter jeweils getrennte, klar umschriebene und nicht vermengbare Aufgaben nach dem BauKG obliegen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei hinsichtlich § 6 Abs. 1 Z. 1 BauKG nicht klar, ob die gleichzeitige Beschäftigung von mehr als 20 Arbeitnehmern während der gesamten Arbeitsdauer (mehr als 30 Arbeitstage) oder nur während eines Teiles der gesamten Arbeitsdauer vorliegen" müsse, lässt § 6 Abs. 4 Z. 5 BauKG außer Acht, aus dem sich eindeutig ergibt, dass die in Abs. 1 genannte Voraussetzung auf die gesamte voraussichtliche Dauer der Bauarbeiten - und nicht auf irgend welche Teile davon - zu rechnen ist. Auch der Versuch des Beschwerdeführers, dem Begriff des § 6 Abs. 1 Z. 2 "Personentage" jeweils verschiedene Bedeutung zuzumessen, je nachdem, ob "gewerbliche" oder "industrielle" Bauunternehmungen zum Einsatz gelangen, schlägt fehl, weil es dabei auf eine Durchschnittsbetrachtung ankommt. Von da her gesehen teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers.

Im Übrigen hat der Beschwerdeführer niemals konkret behauptet, dass bei gegenständlichem Bau voraussichtlich eine geringere Zahl als 500 Personentage bei der Bauausführung gearbeitet würde, weshalb sich die Forderung nach einem "Sachverständigengutachten" als reiner Erkundungsbeweis darstellt.

Auch der behauptete Spruchmangel (§ 44a VStG) liegt nicht vor, weil im konkreten Fall die Tat im Hinblick auf die im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. 11.466 A (auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird), genannten Erfordernisse ausreichend bestimmt ist.

Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt.

Der Beschwerdeführer hat in der Berufung vorgebracht:

"Diese Vorankündigung wurde auch gemäß § 6 Abs. 3 BauKG sichtbar auf der Baustelle ausgehängt. Um sie vor Witterungseinflüssen zu schützen, wurde sie in eine Klarsichtfolie gesteckt und am Baucontainer angebracht."

Zum Beweis beantragte er ua. die Einvernahme des Ing. Z. Die belangte Behörde hat in der mündlichen Verhandlung zum Thema "sichtbarer Aushang der Vorankündigung auf der Baustelle" weder das anzeigelegende Organ als Zeugin noch den vom Beschwerdeführer genannten Zeugen Ing. Z einvernommen. Der Beschwerdeführer hielt seine Beweisanträge aufrecht, die belangte Behörde fasste in der mündlichen Verhandlung den "Beschluss auf Abstandnahme sämtlicher offen gebliebener unerledigter Beweisanträge wegen Spruchreife bzw. Unerheblichkeit."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides findet sich dazu Folgendes:

"Dass die Vorankündigung nicht sichtbar auf der Baustelle ausgehängt war, dies seitens des Bauherrn, ist als erwiesen anzusehen, da es einem geschulten, offenbar korrekt handelnden, sorgfältig erhebenden Organ der Arbeitsinspektion durchaus zuzumuten ist, dahingehende Feststellungen zu treffen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die anzeigende Inspektorin unter dem Vorwand dieser Tatanlastung einen unrichtigen Sachverhalt zur Anzeige bringen wollte, dies allein schon im Lichte obiger Feststellungen, dass die Amtshandlung offenbar vom Gedanken einer ausgesprochenen Korrektheit getragen wird dies, allein erhellt aus dem gestellten Eventualstrafantrag.

Die Einholung allfälliger Zeugenaussagen zu diesem Punkt erübrigte sich, da auch ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung eine solche Aussage im jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens lediglich als Erkundungsbeweis angesehen werden kann."

Im Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte die belangte Behörde gemäß § 51i VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Daher ist der hinsichtlich der Unterlassung der sichtbaren Anbringung der Vorankündigung auf der Baustelle von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt, der im Wesentlichen auf der den Beschwerdeführer belastenden Anzeige des Arbeitsinspektorates beruht, nicht in einem gesetzmäßigen (mängelfreien) Verfahren zu Stande gekommen, auch wenn diese Anzeige in der mündlichen Verhandlung verlesen wurde. Die belangte Behörde hätte auf alle sachverhaltsbezogenen Einwendungen Bedacht zu nehmen gehabt, die sich im Zuge einer Verhandlung durch die persönliche Einvernahme der Betroffenen ergeben hätten können. Sie durfte sich nicht darauf beschränken, - in antizipativer Beweiswürdigung - die Anzeige als ausreichend anzusehen und rechtlich zu beurteilen und die beantragte Einvernahme des Zeugen Ing. Z nicht durchzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0096); dazu kommt, dass - wie oben erwähnt - das anzeigelegende Organ nicht als Zeugin in der mündlichen Verhandlung vernommen wurde.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren hinsichtlich der "Barauslagen" war abzuweisen, weil eine "Vergebührung der weiteren Beschwerdeschriften" im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers nicht erforderlich ist.

Wien, am