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VwGH vom 16.03.2016, 2013/05/0016

VwGH vom 16.03.2016, 2013/05/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Beschwerde 1. der G T und

2. des E T, beide in W, beide vertreten durch Dr. Doris Hohler-Rössel, Rechtsanwältin in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 23, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom , Zl. 1 RB/121-2006, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Ing. W H in K, vertreten durch Dr. Martin Hembach, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Herzog Leopold Straße 26/7; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Stadt Wiener Neustadt Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte kann auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0178, verwiesen werden.

Daraus kann zusammengefasst werden, dass Gegenstand des vorliegenden Baubewilligungsverfahrens das am beim Magistrat der Stadt Wiener Neustadt eingelangte Ansuchen des Mitbeteiligten auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Ärztezentrums mit einer Wohnung auf den beiden näher angeführten Grundstücken in der Stadt Wiener Neustadt ist. Das Grundstück der Beschwerdeführer mit der Adresse G.-Straße 73 grenzt im Osten unmittelbar an das Baugrundstück an, liegt also dem Baugrundstück unmittelbar westlich benachbart. Das ursprüngliche Projekt sah an der Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer eine Gebäudehöhe von ca. 6,77 m vor. Die im ersten Rechtsgang erteilte Baubewilligung der belangten Behörde vom wurde mit dem angeführten hg. Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben, weil nach dem im Beschwerdefall anzuwendenden § 54 NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO) nicht nur die Einhaltung des Lichteinfallswinkels unter 45 Grad auf Hauptfenster bestehender Gebäude, sondern auch zukünftiger bewilligungsfähiger Gebäude auf dem Nachbargrundstück zu prüfen war, was die Baubehörden zu Unrecht unterlassen hätten.

2 Die belangte Behörde hob mit Bescheid vom den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG auf und verwies die Angelegenheit zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und neuerlichen Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz zurück.

3 In der Folge änderte der Mitbeteiligte nach entsprechender Aufforderung der Baubehörde die Einreichpläne des Projektes dahingehend ab, dass die an der Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer vorgesehene Gebäudehöhe ca. 3 m beträgt. Die Obergeschosse sind an dieser Gebäudeseite jeweils zurückversetzt von der darunter liegenden Gebäudefront geplant, wobei im ersten Obergeschoss vor der zurückversetzten Front ein Flachdach und im zweiten und dritten Obergeschoss jeweils eine Terrasse mit Geländer vorgesehen sind.

4 Zum geänderten Projekt fand am eine mündliche Bauverhandlung statt. Der bautechnische Amtssachverständige erklärte bei dieser, dass bei Einhaltung der näher angeführten Auflagen gegen die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für das gegenständliche Projekt kein Einwand bestehe. Die Beschwerdeführer erhoben in der mündlichen Verhandlung Einwendungen. Insbesondere machten sie wieder geltend, dass der Lichteinfall von unter 45 Grad im Hinblick auf ihr Gebäude nicht eingehalten werde. Weiters erreiche das Projekt eine maximale Gebäudehöhe von ca. 11,32 m. Auch wenn die Balkone des zweiten und dritten Obergeschosses versetzt seien, trete nicht nur im Hinblick auf den Lichteinfall, sondern auch im Hinblick auf die Gefahr herabstürzender Gegenstände eine massive Beeinträchtigung ein.

5 Dazu erstattete der Amtssachverständige des Referates Stadt- und Raumplanung des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt, Dipl. Ing. S., eine Stellungnahme vom . Zur Frage

der Einhaltung des Lichteinfallswinkels unter 45 Grad auf das

Nachbargrundstück führte er unter Bezugnahme auf den mit den geänderten Einreichplänen vorgelegten Schnitt B-B aus, dieser zeige, dass nunmehr auf bestehende Hauptfenster und zukünftige zulässige Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück der Lichteinfallswinkel in einem 3 m Abstand von der Grundgrenze eingehalten werde. Die mittlere Gebäudehöhe an der Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer sei nunmehr mit 3,3 m vorgesehen. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, es sei eine Beeinträchtigung des Lichteinfallswinkels unter 45 Grad zu den Hauptfenstern des bestehenden Gebäudes der Beschwerdeführer gegeben, könne von ihm nicht nachvollzogen werden.

6 Der Magistrat der Stadt Wiener Neustadt erteilte mit Bescheid vom die baurechtliche Bewilligung für das geänderte Projekt (ein Gebäude mit einer Ordination, zwei Wohnungen und Garage) auf einem der beiden ursprünglich vorgesehenen Baugrundstücke. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer wurde insbesondere ausgeführt, dass im Hinblick auf die schlüssigen Ausführungen des für derartige Fragestellungen zuständigen Referates für Stadt- und Raumplanung keinerlei Beeinträchtigung des freien Lichteinfalles unter 45 Grad auf die bestehenden sowie auf zukünftig zulässig herzustellende Hauptfenster auf dem Grundstück der Beschwerdeführer festgestellt werden könne.

7 Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Auch sie verwies zur allfälligen Beeinträchtigung des freien Lichteinfalls unter 45 Grad auf die Ausführungen des zuständigen Amtssachverständigen und auf die dementsprechende planliche Darstellung im Schnitt B-B der geänderten Einreichunterlagen, nach der keine derartige Beeinträchtigung durch das vorgesehene Projekt erfolgt.

8 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die zunächst bei ihm dagegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom , B 1132/12-7, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat unter einem die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9 In dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Teil der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

10 Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG, BGBl. Nr. 10, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 sind auf das vorliegende, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiter anzuwenden.

12 Im vorliegenden Beschwerdefall war im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde die BO, LGBl. 8200-0, in der Fassung LGBl. 8200-19 anzuwenden.

13 Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 BO sind u.a. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen, Nachbarn und haben Parteistellung im Baubewilligungsverfahren.

14 § 6 Abs. 2 Z 3 BO sieht im Hinblick auf subjektivöffentlichen Rechte der Nachbarn Folgendes vor:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, BGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

...

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

15 § 54 Abs. 1 und 3 BO (betreffend Bauwerke im Baulandbereich ohne Bebauungsplan) sehen Folgendes vor:

"(1) Ein Neu- oder Zubau eines Hauptgebäudes ist auf einem als Bauland, ausgenommen Bauland- Industriegebiet, gewidmeten Grundstück für das kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält nur zulässig, wenn es in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder in seiner Höhe (Bauklasse) von den in seiner Umgebung bewilligten Hauptgebäuden nicht abweicht.

Die Umgebung umfasst einschließlich des Baugrundstücks alle Grundstücke im Bauland, ausgenommen Bauland-Industriegebiet, die vom Baugrundstück aus zur Gänze innerhalb einer Entfernung von 100 m liegen.

Eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung oder Höhe liegt dann vor, wenn das neue oder abgeänderte Hauptgebäude nicht der auf dem Baugrundstück bereits bewilligten Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) oder nicht jener Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) entspricht, die von der Anordnung und der Höhe der Hauptgebäude in der Umgebung abgeleitet wird und die mehrheitlich in der Umgebung vorhanden ist. Neben der abgeleiteten Bauklasse darf auch die nächst niedrigere gewählt werden. Entspricht das neue oder abgeänderte Hauptgebäude der offenen Bebauungsweise und den Bauklassen I und II, liegt unbeschadet des Abs. 4 eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung und der Höhe jedenfalls nicht vor. Erhebungen in der Umgebung hinsichtlich der Anordnung und Höhe sind diesfalls nicht erforderlich.

...

(3) Für die Hauptgebäude und andere Bauwerke gelten - nach der Feststellung der durch die bewilligten Hauptgebäude gemäß Abs. 1 und 2 abgeleiteten Bebauungsweise und abgeleiteten Bauklasse - dieselben Bestimmungen dieses Gesetzes wie für Hauptgebäude und Bauwerke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, sinngemäß, wobei diese den Lichteinfall unter 45 Grad auf bewilligte Hauptfenster auf den Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigen dürfen.

..."

16 Die Beschwerdeführer erachten sich insbesondere in ihren Rechten gemäß § 6 Abs. 2 Z 3 iVm §§ 53 und 54 BO verletzt. Das Gebäude weiche im Sinn des § 54 Abs. 1 BO von der an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend ab. Das Gebäude erreiche eine maximale Höhe von 11,32 m (ohne Schornsteine). Die belangte Behörde habe es verabsäumt, hinsichtlich der Schattenwirkung der mittleren Höhe des geplanten Gebäudes, aber auch hinsichtlich der Schattenwirkung der sogenannten "untergeordneten" Teile ein entsprechendes Gutachten einzuholen, insbesondere im Hinblick darauf, ob tatsächlich eine Belichtung der Hauptfenster im Ausmaß von 45 Grad gegeben sei. Auf Grund der tatsächlichen Lage in der Natur sei selbst für einen Laien erkennbar, dass der Lichteinfall auf ihre Hauptfenster in der Wohnung im Erdgeschoss unter der gesetzlichen Norm von 45 Grad

liege. Eine ausreichende Belichtung dieser Wohnung sei daher nicht mehr gegeben.

17 Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch zu § 54 Abs. 3 BO in der novellierten Fassung (LGBl. 8200-19, die auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt) im Zusammenhalt insbesondere mit § 6 Abs. 2 Z 3 BO ausgesprochen, dass eine Verletzung der Nachbarrechte im gegebenen Zusammenhang nur dann in Frage kommt, wenn durch eine Verletzung der Regelungen betreffend die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich und die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässiger Höhe der Lichteinfall im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 3 BO für die Hauptfenster der zulässigen (bestehenden bewilligten und zukünftig bewilligungsfähigen) Gebäude der Nachbarn beeinträchtigt wäre (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2013/05/0096).

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zutreffend unter Berufung auf die entsprechenden Ausführungen des Amtssachverständigen des Referates der Stadt- und Raumplanung in seiner Stellungnahme vom , die im erstinstanzlichen Bescheid des zweiten Rechtsganges wiedergegeben wurden, und die entsprechende Darstellung des Lichteinfalles auf das Nachbargrundstück in einem Abstand von 3,0 m und auf der Höhe einer (gedachten) Fensterbrüstung von 1 m (siehe dazu § 130 NÖ Bautechnikverordnung 1997, LGBl 8200/7-0) im Schnitt B-B der bewilligten Einreichpläne (betreffend die dem Grundstück der Beschwerdeführer zugewandte Gebäudeseite des verfahrensgegenständlichen Projektes) zutreffend angenommen, dass das verfahrensgegenständliche Projekt den Lichteinfall unter 45 Grad auf bestehende bewilligte bzw. zukünftige zulässige Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführer nicht beeinträchtigt. Auch untergeordnete Bauteile, wie die von den Beschwerdeführern angesprochenen Schornsteine, berühren danach diesen Lichteinfall nicht. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, dass insbesondere in Bezug auf Hauptfenster im Erdgeschoss des in einem Abstand von 9,7 m von der Grundgrenze entfernt gelegenen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück dieser Lichteinfall nicht eingehalten sein sollte, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, die die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf § 21 Abs. 3 BO für erforderlich erachten, war in dieser Hinsicht nicht geboten.

18 Wenn sich die Beschwerdeführer weiters auf § 56 BO berufen, der die Ortsbildgestaltung eines Bauwerkes betrifft und eine solche Gestaltung fordert, dass sie in einem ausgewogenen Verhältnis mit der Struktur und der Gestaltungscharakteristik bestehender Bauwerke im Bezugsbereich steht, handelt es sich angesichts der taxativen Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte in § 6 Abs. 2 BO um keine baurechtliche Bestimmung, hinsichtlich der einem Nachbarn ein Mitspracherecht zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0101).

19 Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

20 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am