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VwGH 23.05.2012, 2010/17/0064

VwGH 23.05.2012, 2010/17/0064

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
VerkehrsaufschließungsabgabenG Tir 1998 §3 Abs2 idF 2007/018;
RS 1
Der bloße Umstand, dass die Grabanlagen zu mehr als 50 % der Wandabwicklung umschlossen sind, begründet noch nicht die Eigenschaft als Gebäude. Wie auch die im Akt einliegenden Bilder dokumentieren, sind die Anlagen mit einer Ausnahme an einer der Längsseiten offen, sodass sie im Wesentlichen mit Flugdächern, an deren seitlichen Enden sich Wände befinden, verglichen werden können. Zudem sind die Urnengräber auch nicht vollständig überdacht, sondern mit eingehängten Deckenelementen überdeckt, die zwischen der Abdeckung und den senkrechten, wandartigen Elementen, die zur Aufnahme der Urnen bestimmt sind, einen Abstand von 23 cm aufweisen. Es ist daher auch die Schutzfunktion der Anlagen für Personen keinesfalls höher einzuschätzen als jene eines Flugdaches, welches in einer räumlichen Nahebeziehung zu senkrechten Wänden (insbesondere etwa an den seitlichen Enden) steht (zu verschiedensten sachverhaltsmäßig ähnlichen, wenngleich nicht vollständig vergleichbaren Konstellationen aus der Sicht des Baurechts vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/06/0122, vom , Zl. 95/06/0249, vom , Zl. 96/05/0226, und vom , Zl. 2001/06/0050).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des P in I, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. I-Präs- 00619e/2009, betreffend Erschließungsbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtmagistrates der Stadt Innsbruck vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 7 bis 12 des Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes (TVAAG), LGBl. Nr. 22/1998 in der geltenden Fassung, und der Verordnung der Landesregierung vom über die Festsetzung des Erschließungskostenfaktors, LGBl. Nr. 103/2001, und in Verbindung mit dem Beschluss des Gemeinderats der Stadt Innsbruck vom über die Festsetzung des Erschließungsbeitragssatzes ein Erschließungsbeitrag in der Höhe von EUR 10.089,-- vorgeschrieben. Dieser Erschließungsbeitrag setzte sich aus einem Bauplatzanteil in der Höhe von EUR 8.956,11 und einem Baumassenanteil in der Höhe von EUR 1.132,88 zusammen.

Diese Vorschreibung erfolgte aus Anlass der Errichtung von drei überdachten Urnengrabanlagen auf Grund des Bewilligungsbescheids des Magistrats der Stadt Innsbruck vom nach der Tiroler Bauordnung 2001 auf einem näher genannten Grundstück der KG W (mit diesem Bescheid war weiters die Errichtung einer nicht überdachten Urnengrabanlage bewilligt worden).

Auf Grund der Berufung der Beschwerdeführerin erging zunächst die Berufungsvorentscheidung des Magistrats der Stadt Innsbruck vom , mit der der Berufung keine Folge gegeben wurde. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, dass ein hochbautechnischer Sachverständiger des Magistrats (Abteilung Bau- und Feuerpolizei) bekanntgegeben habe, dass die Urnengräber aus Wänden aus dreidimensionalen Gitterfeldern aus verzinkten Stahl-Hohlprofilen bestünden, wobei die Fassadenflächen mit Cortenstahlplatten verkleidet seien und die Gehäuse zur Aufnahme der Urnen ebenfalls aus Cortenstahl gefertigt worden seien. Die Fundierungen bestünden aus Stahlbetonplattenfundamenten mit einem leichten Gefälle, die Überdachungen seien als leicht geneigte Flachdächer mit einem seitlichen Abstand von 0,23 m von den Wänden ebenfalls aus Cortenstahlplatten hergestellt. Die Entwässerung der Dächer erfolge mittels umlaufender Regenrinnen. Es handle sich somit bei den Urnengräbern zweifelsfrei um eine bauliche Anlage im Sinn des § 2 Abs. 2 TVAAG. Da die Urnengräber durch flachgeneigte Pultdächer mit einem seitlichen Abstand von 0,23 m von den Wänden überdeckt seien und durch die Wände überwiegend (zu mehr als der Hälfte) umschlossen seien sowie von Menschen zum Zugriff auf die einzelnen Urnen und auch zum Aufenthalt betreten werden könnten und auch dem Schutz von Menschen (z.B. vor Sonneneinstrahlung und Niederschlag) und Sachen (die in den einzelnen Nischen aufbewahrten Urnen) dienten, handle es sich bei den Urnengräbern zweifelsfrei um Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 3 TVAAG. Der umbaute Raum sei dabei nach den Außenabmessungen der Urnengräber und dem Schnittpunkt der Dachhaut gemäß § 2 Abs. 4 TVAAG ermittelt worden. Das nicht überdachte Urnengrab sei bei der Berechnung der Baumasse unberücksichtigt geblieben.

Auf Grund des Vorlageantrags der Beschwerdeführerin erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem die Berufung als unbegründet abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung vollinhaltlich bestätigt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz (TVAAG), LGBl. Nr. 22/1998, das im Beschwerdefall nach der zeitlichen Lagerung des Falles noch in der Fassung vor seiner Wiederverlautbarung mit LGBl. Nr. 58/2011 anwendbar ist, sind die Gemeinden ermächtigt, im Falle des Neubaus eines Gebäudes oder der Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse vergrößert wird, einen Erschließungsbeitrag zu erheben.

Nach § 9 Abs. 1 TVAAG ist der Erschließungsbeitrag die Summe aus dem Bauplatzanteil und dem Baumassenanteil.

Nach § 9 Abs. 3 TVAAG ist der Baumassenanteil im Falle des Neubaus eines Gebäudes das Produkt aus der Baumasse des Gebäudes in Kubikmetern und 70 v.H. des von der Gemeinde festzusetzenden Erschließungssatzes.

Bauliche Anlagen sind nach § 2 Abs. 2 TVAAG in der Fassung LGBl. Nr. 18/2007 mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

Gebäude sind gemäß § 2 Abs. 3 TVAAG in der Fassung LGBl. Nr. 18/2007 überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen, soweit sie der Tiroler Bauordnung 2001 unterliegen oder auf Grund des § 1 Abs. 3 lit. a oder b der Tiroler Bauordnung 2001 von deren Geltungsbereich ausgenommen sind.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Beurteilung der für die Vorschreibung des Erschließungsbeitrages herangezogenen überdeckten Urnengrabanlagen als Gebäude im Sinne des TVAAG. Gebäude seien nach herrschender Auffassung bauliche Anlagen, die überwiegend umschlossen seien, also ein Dach und mindestens drei Seitenwände aufwiesen. Neben der weiteren Voraussetzung, dass sie von Menschen betreten werden könnten, trete ein weiteres funktionales Element, wonach ein Gebäude nur vorliege, wenn es dem Schutz von Personen, Tieren oder Sachen diene, hinzu. Es wird in Abrede gestellt, dass die Urnengräber dem Schutz von Sachen, Menschen oder Tieren dienten. Darüber hinaus wiesen die Urnengräber auch kein Dach auf, sondern eine Art Deckenkonstruktion, die jedoch nicht mit den Seitenwänden bündig abschließe.

Mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Partei im Recht.

Wie die Parteien des Verfahrens zutreffend erkannt haben, hängt die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Abgabenvorschreibung von der Qualifikation der auf Grund der Baubewilligung vom errichteten Urnengräber als Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 3 TVAAG ab.

Die belangte Behörde ist diesbezüglich auf Grund der gutachterlichen Stellungnahme des bautechnischen Sachverständigen im Abgabenverfahren davon ausgegangen, dass sowohl eine Überdeckung als auch eine überwiegende Umschließung im Sinne der Definition in § 2 Abs. 3 TVAAG vorliege und daher die Urnengrabanlagen als Gebäude zu qualifizieren seien.

Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden.

Der bloße Umstand, dass die Grabanlagen zu mehr als 50 % der Wandabwicklung umschlossen sind, begründet noch nicht die Eigenschaft als Gebäude. Wie auch die im Akt einliegenden Bilder dokumentieren, sind die Anlagen mit einer Ausnahme an einer der Längsseiten offen, sodass sie im Wesentlichen mit Flugdächern, an deren seitlichen Enden sich Wände befinden, verglichen werden können. Zudem sind die Urnengräber auch nicht vollständig überdacht, sondern mit eingehängten Deckenelementen überdeckt, die zwischen der Abdeckung und den senkrechten, wandartigen Elementen, die zur Aufnahme der Urnen bestimmt sind, einen Abstand von 23 cm aufweisen. Es ist daher auch die Schutzfunktion der Anlagen für Personen keinesfalls höher einzuschätzen als jene eines Flugdaches, welches in einer räumlichen Nahebeziehung zu senkrechten Wänden (insbesondere etwa an den seitlichen Enden) steht (zu verschiedensten sachverhaltsmäßig ähnlichen, wenngleich nicht vollständig vergleichbaren Konstellationen aus der Sicht des Baurechts vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/06/0122, vom , Zl. 95/06/0249, vom , Zl. 96/05/0226, und vom , Zl. 2001/06/0050).

Insgesamt sind daher im Beschwerdefall die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Gebäudes im Sinne des TVAAG nicht erfüllt.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
VerkehrsaufschließungsabgabenG Tir 1998 §3 Abs2 idF 2007/018;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2010170064.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAE-79348