VwGH vom 24.03.2014, 2010/17/0062
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler und Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Mag. A in T, vertreten durch Mag. Dr. Angelika Tupy, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 18, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs- 2008/20/2876-3, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom wurde der Beschwerdeführer als gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ eines bestimmt bezeichneten Vereins der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 des Glücksspielgesetzes (GSpG) in der Fassung vor BGBl. I Nr. 126/2008 wegen des Bewerbens von Glücksspielen entgegen den Vorschriften des GSpG für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe, sowie im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung keine Folge.
Mit Beschluss vom , B 6/10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese unter einem gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof ab. In der ergänzten Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und dem Beschwerdeführer die Kosten des Vorlageaufwandes aufzuerlegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
§ 52 Abs. 1 Z 1 GSpG in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2003 lautete:
"§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen,
1. wer Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet, diese bewirbt oder deren Bewerbung ermöglicht;
..."
Das Straferkenntnis erster Instanz wurde dem Beschwerdeführer
durch Hinterlegung am zugestellt.
Am war die Novelle zum GSpG BGBl. I Nr. 126/2008 in Kraft getreten.
§ 52 GSpG lautete in der Fassung dieses Bundesgesetzes:
" § 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen,
1. wer Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes zur Teilnahme vom Inland aus veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht;
...
9. wer Ausspielungen, für die keine Konzession des Bundesministers für Finanzen erteilt wurde, im Inland bewirbt oder deren Bewerbung ermöglicht, es sei denn es liegt eine Bewilligung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 56 Abs. 2 vor;"
Das Bewerben von Ausspielungen, für die keine Konzession des Bundesministers für Finanzen erteilt wurde, im Inland ohne Vorliegen einer Bewilligung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 56 Abs. 2 GSpG war daher auch im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz strafbar. Die genannte Novelle zum GSpG beseitigte somit die ursprünglich in § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG enthaltene Strafbarkeit für das Bewerben von "Glücksspiele(n) entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes" nicht der Art nach. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat konnte daher ungeachtet der vor der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses eingetretenen Änderung der Rechtslage auch unter Berücksichtigung des aus § 1 Abs. 2 VStG abzuleitenden Günstigkeitsprinzips geahndet werden (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/09/0105).
Der Beschwerdefall gleicht jedoch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0249, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. Die in diesem Erkenntnis zur Subsidiarität des verwaltungsbehördlichen Straftatbestandes gegenüber dem Tatbestand des § 168 Abs. 1 StGB angestellten Überlegungen gelten grundsätzlich auch für die Fassungen des GSpG vor den Novellen des Jahres 2010 (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/17/0134, und vom , Zl. 2008/17/0186).
Die belangte Behörde konnte daher schon angesichts des von der Behörde erster Instanz festgestellten Einsatzes von mindestens EUR 20,-- pro Spieler auch bei dem hier angewendeten Straftatbestand nicht ohne nähere Prüfung davon ausgehen, dass eine Strafbarkeit nach § 168 Abs. 1 StGB ausscheide und eine Unterbrechung des Verwaltungsstrafverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des ordentlichen Gerichts gemäß § 30 Abs. 2 VStG entbehrlich gewesen sei.
Der angefochtene Bescheid war daher aus den dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-79343