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VwGH vom 28.10.2008, 2008/15/0114

VwGH vom 28.10.2008, 2008/15/0114

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des MA in L, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0465-L/06, betreffend Familienbeihilfe ab , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Jänner 2006 für die in Wien studierenden Kinder Mirko, geboren 1983 und Marko, geboren 1981, abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Bosnien-Herzegowina, sei seit dem Jahr 1990 in Österreich beruflich tätig. Sein Familienwohnsitz sei in Bosnien-Herzegowina. Das Finanzamt habe den gegenständlichen Antrag abgewiesen, weil die Söhne des Beschwerdeführers in Österreich nur den Aufenthaltstitel "Studierende gemäß § 8 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes" hätten und sich nur zu Ausbildungszwecken vorübergehend in Österreich aufhielten; der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Familie sei im Ausland.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, der bekämpfte Bescheid des Finanzamtes verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Aus seiner Beschäftigung würden Beiträge an den "FLAF" gezahlt. Die Kinder hielten sich zum Studium in Österreich rechtmäßig auf. Er verfüge über eine rechtmäßige Aufenthaltsbewilligung.

In der Folge habe der Beschwerdeführer - nunmehr anwaltlich vertreten - sein Berufungsvorbringen dahingehend ergänzt, dass das auf mehrere Jahre angelegte ordentliche Studium seiner Kinder sehr wohl eine mehrjährige dauerhafte Anbindung an Österreich vermittle. Ein solcher mehrjähriger Aufenthalt eines studierenden Kindes könne rechtlich nicht bloß als vorübergehender Aufenthalt in Österreich qualifiziert werden. Er selbst sei in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Daraus sei die Wertung des Gesetzgebers ersichtlich, dass in diesem Fall auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen als in Österreich befindlich angenommen werde.

Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer mit Vorhalt mitgeteilt, dass entscheidungswesentlich die Beantwortung der Frage sei, ob der Beschwerdeführer den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich habe. Es sei anzunehmen, dass dieser in Bosnien sei, weil der Beschwerdeführer dort seinen Familienwohnsitz habe, diesen regelmäßig aufsuche, dort mit seiner Familie lebe, eine Kleinlandwirtschaft betreibe, und sich dort auch die beiden Söhne aufhielten, wenn sie nicht in Wien zum Studium wären.

Der Beschwerdeführer habe darauf geantwortet, dass sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in steuerlicher Hinsicht in Österreich befinde, er sei hier unbeschränkt steuerpflichtig. Dies habe nichts damit zu tun, dass seine Ehefrau in Bosnien lebe und dort die Landwirtschaft betreibe und ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen dort habe. Da unter anderem auf Grund der Bewirtschaftung der Landwirtschaft eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar sei, würden die Familienheimfahrten steuerlich anerkannt werden. Folge man der Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Familienbeihilfe habe, weil er neben seinem Wohnsitz in Österreich auch einen Familienwohnsitz in Bosnien habe, dann hätten die meisten Gastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien bis 1996 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre im ehemaligen Jugoslawien lebenden minderjährigen Kinder gehabt, weil sich deren Mittelpunkt der Lebensinteressen dort befunden habe. Der Beschwerdeführer habe auf Grund seiner durchgehenden Beschäftigung in Österreich hier einen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt und sei hier auch unbeschränkt steuerpflichtig. Er sei daher Anspruchsberechtigter nach § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (in der Folge: FLAG).

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, zunächst sei zu prüfen, ob der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsbürger, der seit Jahren in Österreich beschäftigt sei und seinen Familienwohnsitz weiterhin in Bosnien-Herzegowina habe, Anspruch auf Familienbeihilfe haben könne. Die im § 2 Abs. 8 FLAG normierte Voraussetzung, dass sein Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet sein müsse, stehe in Zweifel. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0054) zur Legaldefinition, wonach für die Annahme des Mittelpunktes der Lebensinteressen einer Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu einem Land den Ausschlag gäben, werde den persönlichen Beziehungen ein gewisses Übergewicht über die wirtschaftlichen Beziehungen eingeräumt. Der Beschwerdeführer halte sich zwar in zeitlicher Hinsicht mehr an seinem österreichischen Wohnsitz auf, weil er hier berufstätig sei und seine gesamte Arbeitszeit verbringen müsse. Seine familiären Beziehungen spielten sich jedoch zur Gänze in Bosnien ab. Er lebe in aufrechter Ehe mit seiner in Bosnien verbliebenen Ehegattin, auch seine beiden in Wien studierenden Söhne teilten nicht seinen österreichischen Wohnsitz, sondern gehörten, soweit sie sich nicht zu Studienzwecken in Wien aufhielten, dem bosnischen Haushalt an. Der Beschwerdeführer halte seinen Familienwohnsitz in Bosnien weiterhin aufrecht und erkläre eine Verlegung nach Österreich als unzumutbar, weil er dort eine Kleinwirtschaft betreibe bzw. durch seine Ehefrau betreiben lasse, deren Beibehaltung ihm als Existenzunterstützung für die Familie notwendig erscheine. Bei dieser Sachlage lägen keine Anhaltspunkte vor, die den Schluss zulassen würden, dass seine persönlichen Beziehungen zu Österreich stärker wären als zu seinem Heimatstaat, weil ihn an Österreich mit Ausnahme seiner Arbeit offensichtlich nichts binde. Nach Ansicht der belangten Behörde liege der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers nicht im Bundesgebiet.

Aus dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sei, sei für ihn nichts zu gewinnen, weil nach dem FLAG der Anspruchsberechtigte überdies den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Bundesgebiet haben müsse. Auch der Einwand des Beschwerdeführers, dass nach dieser Gesetzesauffassung die meisten Gastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien bis zum Jahr 1996 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe gehabt hätten, sei nicht zielführend, weil damals die Gewährung der Familienbeihilfe auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen möglich gewesen sei.

Da der Beschwerdeführer nicht alle Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe erfülle, erübrigten sich weitere Feststellungen dazu, ob die beiden Söhne auf Grund ihres Aufenthaltstitels als Studierende einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln könnten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beurteilen. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit - je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder der Rechtslage - von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2006/15/0098).

Der Anspruch auf Familienbeihilfe steht der Person zu, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1, 2 und 8 FLAG erfüllt. Im Beschwerdefall ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 8 leg. cit. strittig. Diese Bestimmung in der Fassung BGBl. 1971/116 lautete:

"Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."

Ab lautet diese Bestimmung auf Grund der Änderung durch das Bundesgesetz, BGBl. I 2005/100, wie folgt:

"Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."

Eine Person kann zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinn des § 2 Abs. 8 FLAG haben. Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen, insbesondere auf Grund der Geburt, der Staatsangehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigung religiöser und kultureller Art, an ein bestimmtes Land binden. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person wird regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein. Diese Annahme setzt allerdings im Regelfall die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen, voraus. Bei von der Familie getrennter Haushaltsführung kommt es auf die Umstände der Lebensführung, wie etwa eine eigene Wohnung, einen selbständigen Haushalt, gesellschaftliche Bindungen, aber auch den Pflichtenkreis einer Person und hier insbesondere auf ihre objektive und subjektive Beziehung zu diesem an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0279).

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seit Jahren in Österreich beschäftigt sei und seinen Familienwohnsitz in seinem Heimatstaat, Bosnien-Herzegowina, unterhalte. Seine familiären Beziehungen spielten sich zur Gänze im Heimatstaat ab. Er lebe in aufrechter Ehe mit seiner im Heimatstaat verbliebenen Ehegattin. Auch seine in Wien studierenden Söhne, für die er die Familienbeihilfe beantragt habe, teilten nicht seinen österreichischen Wohnsitz, sondern gehörten, soweit sie sich nicht zu Studienzwecken in Wien aufhielten, dem bosnischen Familienhaushalt an. Der Beschwerdeführer mache seine regelmäßigen Familienheimfahrten steuerlich geltend.

Diese tatsächlichen Umstände werden in der Beschwerde nicht bestritten. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, dass dieser Sachverhalt die Beurteilung zulasse, der Beschwerdeführer habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in seinem Heimatstaat. Er führt gegen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde ins Treffen, dass er in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sei.

Dieser Auffassung hat die belangte Behörde zutreffend entgegengesetzt, dass die Annahme des Mittelpunktes der Lebensinteressen nicht alleine durch einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt vermittelt wird.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, seine persönlichen Beziehungen zu Österreich seien nicht zuletzt wegen des jahrelangen Aufenthaltes der beiden Söhne in Österreich enger als zu seinem Heimatstaat, übergeht er die Feststellung der belangten Behörde, wonach die Kinder mit dem Beschwerdeführer in Österreich keinen gemeinsamen Haushalt unterhalten und sie, soweit sie sich nicht zu Studienzwecken in Wien aufhalten, dem bosnischen Familienhaushalt angehören.

Der Beschwerdeführer unternimmt regelmäßig Familienheimfahrten. Wenn die belangte Behörde bei der in Rede stehenden Sachlage den persönlichen Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat das Übergewicht beigemessen hat, ist das nicht rechtswidrig. Die nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes der Lebensgestaltung dienenden wirtschaftlichen Beziehungen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0054) treten hinter diese persönlichen Bindungen eindeutig zurück. Den wirtschaftlichen Beziehungen kommt nämlich in der Regel eine geringere Bedeutung als den persönlichen Beziehungen zu. Entscheidend ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Nach dem festgestellten Sachverhalt unterhält der Beschwerdeführer persönliche Beziehungen grundsätzlich im Heimatstaat. Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen nicht in Österreich liegt, ist daher nicht rechtswidrig.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am