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VwGH vom 20.01.2011, 2006/01/0754

VwGH vom 20.01.2011, 2006/01/0754

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des Z P Z in W, geboren 1978, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 252.965/0- XIII/66/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als der Beschwerdeführer damit gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bulgarien ausgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II.

den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bulgarien, reiste am in das Bundesgebiet ein und beantragte am Asyl. Als Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, dass Mitglieder einer in seiner Heimatstadt bekannten Familie ihn bedroht und verprügelt sowie sein Auto beschädigt hätten.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bulgarien für zulässig (Spruchpunkt II.), und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 AsylG mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides zu lauten habe, dass der Beschwerdeführer "aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bulgarien ausgewiesen (wird)."

Begründend führte die belangte Behörde zur Abweisung des Asylantrages und der Verweigerung von Refoulementschutz im Wesentlichen aus, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfälle keinen Verfolgungsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellten bzw. nicht die Schwelle des Art. 3 EMRK erreichten; außerdem sei von der Schutzfähigkeit und - willigkeit der bulgarischen Behörden auszugehen.

Zur Ausweisung des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass dieser eine in Zukunft auf Dauer zum Aufenthalt in Österreich berechtigte Ehegattin und ein "wenige Wochen altes", in Österreich geborenes Kind habe. Da die Ehegattin, welche zwar selbst bulgarische Staatsangehörige sei, als "Schlüsselkraft" in Österreich arbeite, könne ihr nicht ohne Weiteres zugemutet werden, zur Aufrechterhaltung des Familienlebens mit dem Beschwerdeführer nach Bulgarien zu ziehen. Das öffentliche Interesse an der Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers wiege allerdings schwerer, da der Beschwerdeführer wegen des sechsfachen Verbrechens des Einbruchsdiebstahls rechtskräftig bestraft worden sei. Abschließend hielt die belangte Behörde fest, dass der Frau und dem Kind des Beschwerdeführers, welche bulgarische Staatsbürger seien, allenfalls die Möglichkeit offen stehe, das Familienleben mit dem Berufungswerber gemeinsam im gemeinsamen Herkunftsstaat zu leben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten erwogen hat:

Zu I.:

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Ausweisung nach § 8 Abs. 2 AsylG und verlangt somit eine fallbezogene Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0537, mit weiteren Hinweisen auf die hg. Judikatur sowie auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom , B 1150/07, VfSlg. 18.224, und vom , U 992/08, samt den dort jeweils angeführten, in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) entwickelten Kriterien, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegen steht.)

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

Die belangte Behörde stützt die Ausweisung des Beschwerdeführers tragend auf dessen strafrechtliche Verurteilung, ohne diesen Umstand in hinreichender Weise mit dem in Österreich bestehenden Familienleben des Beschwerdeführers abzuwägen. Eine derartige Abwägung hätte zunächst weitergehender Feststellungen zum diesem Familienleben - insbesondere zum Zeitpunkt der Eheschließung, zur Dauer des faktischen Zusammenlebens des Beschwerdeführers mit seiner (jetzigen) Ehefrau etc. - bedurft, die der angefochtene Bescheid jedoch vermissen lässt.

Zudem sind die Ausführungen zur Zumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin und dem minderjährigen Kind in Bulgarien insofern unschlüssig, als die belangte Behörde zunächst davon ausgeht, dass der Ehegattin des Beschwerdeführers (im Hinblick auf deren festgestelltes dauerndes Aufenthaltsrecht in Österreich) nicht ohne Weiteres zugemutet werden könne, nach Bulgarien zu ziehen, an späterer Stelle demgegenüber jedoch auf die "allenfalls" bestehende Möglichkeit eines gemeinsamen Familienlebens in Bulgarien hingewiesen wird.

Auf Grund dieser Begründungsmängel war der angefochtene Bescheid daher im genannten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im oben angeführten Umfang abzulehnen.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-79330