VwGH vom 04.09.2008, 2006/01/0740
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M B in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ia-18.827/36-2006, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 "i.d.g.F.", abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei türkischer Staatsangehöriger und habe am einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt.
Sodann traf die belangte Behörde unter anderem folgende
Feststellungen:
"II.) Verwaltungsrechtliche Vergehen:
1.) Strafverfügung vom , GZl.: S 22.548/01, a.) nach § 38 Abs. 5 iVm § 38 Abs. 1 lit. a StVO zu ATS 1.500,00 (am in Innsbruck als Lenker eines Personenkraftwagens das Rotlicht missachtet und nicht an der Haltelinie angehalten) und b.) nach § 9 Abs. 2 StVO zu ATS 1.500,00 (nicht vor dem Schutzweg angehalten, um einem Fußgänger das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen);
2.) Strafverfügung vom , GZl.: S 10.005/02, nach § 20 Abs. 2 StVO zu EUR 110,00 (als Lenker eines Personenkraftwagens am auf der Inntalautobahn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 32 km/h überschritten);
3.) Strafverfügung vom , GZl.: S 3427/03, nach § 20 Abs. 2 StVO zu EUR 120,00 (als Lenker eines Personenkraftwagens am auf der Inntalautobahn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h überschritten);
4.) Straferkenntnis vom , GZl.: S 10.269/04, nach § 52 lit. a Zif. 10a StVO zu EUR 550,00 (als Lenker eines Personenkraftwagens am auf der Hallerstraße die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 63 km/h überschritten);
5.) Aufgrund dieser Übertretungen wurde der Führerschein für 2 Wochen entzogen, laut Bescheid der BDP Innsbruck vom , VA-F-234/2004
6.) Strafverfügung, GZl.: S 0010938/IN/04, wegen Übertretung des Fremdengesetzes nach § 108/1/2 zu EUR 90,00."
Auf Grund vorliegender Verwaltungsübertretungen sei mit dem Beschwerdeführer am eine "Ruhendstellung" des Antrages vereinbart worden. Nach durchgeführten Erhebungen und dem vereinbarten Ende dieser "Ruhendstellung" sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer keine weiteren Übertretungen begangen habe. Aus diesem Grund sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom , Zl. Ia-18.827/21-2004, gemäß § 20 Abs. 1 StbG die Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert worden, dass er binnen zwei Jahren aus dem Verband des bisherigen Heimatstaates ausscheide. Am sei die Genehmigung zum Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband vom Beschwerdeführer vorgelegt worden.
Allerdings hätten Erhebungen nach Zusicherung der Staatsbürgerschaft ergeben, dass der Beschwerdeführer "weitere Verwaltungsübertretungen" begangen habe, die belangte Behörde erwähnt dabei das oben unter 4. zitierte Straferkenntnis vom .
Bei den unbestrittenermaßen dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz und der Straßenverkehrsordnung handle es sich nicht um vereinzelt gebliebene Verfehlungen, sondern um über Jahre hinweg fortgesetzte Übertretungen. Zwar sei es richtig, dass der Beschwerdeführer teils wegen geringer Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr bestraft worden sei, aber es seien ihm auch gröbere Verstöße wie die mehrmalige Übertretung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit nachgewiesen worden. Die zahlreichen Verwaltungsübertretungen, die vor allem in den letzten Jahren gesetzt worden seien, deuteten auf eine mangelnde Einsicht in den Schutzzweck "dieser Normen" hin und zeichneten jedenfalls ein wenig verantwortliches und nachlässiges Charakterbild des Beschwerdeführers.
Nach Ansicht der belangten Behörde gebe es im Hinblick auf diese Vorfälle und vor allem im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer eine Chance gegeben worden sei, im Zuge einer "Ruhendstellung" zu beweisen, dass er zukünftig bejahend zur Republik eingestellt sei und sein Verhalten Gewähr dafür biete, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe und Sicherheit darstelle, der Beschwerdeführer aber wiederum wegen einer Geschwindigkeitsübertretung bestraft worden sei, noch immer keine ausreichenden Anzeichen dafür, dass er positiv zur österreichischen Rechtsordnung eingestellt sei und sich künftig wohl verhalten werde. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG in der hier noch gemäß § 64a Abs. 4 StbG maßgeblichen Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, kann die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
Bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0778, mwN).
2. Die Beschwerde bringt gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe nur eine nach der "Ruhendstellung" begangene Verwaltungsübertretung des Beschwerdeführers, nämlich jene mit Straferkenntnis vom geahndete Geschwindigkeitsübertretung vom , festgestellt, sodass nicht nachvollziehbar sei, auf welche zwei Übertretungen sich die belangte Behörde stütze.
Seit der Erlassung des Zusicherungsbescheides habe der Beschwerdeführer zwar eine gravierende Übertretung der StVO begangen, dies jedoch nahezu 1 1/2 Jahre vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides. Seitdem habe sich der Beschwerdeführer nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Auch wenn der Beschwerdeführer in den Anfängen seiner Führerscheinzeit einmal ein Rotlicht übersehen habe und zweimal die Geschwindigkeit überschritten habe, könne nach einer so langen Zeit des Wohlverhaltens nicht davon ausgegangen werden, dass er zur Republik nicht bejahend eingestellt wäre und eine Gefahr darstellen würde. Vielmehr hätte die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers davon ausgehen müssen, dass er zwar beim Autofahren Probleme hatte, dass er diese aber jetzt in den Griff bekommen habe und gezeigt habe, dass er sehr wohl in der Lage sei am Verkehrsgeschehen teilzunehmen, ohne andere zu gefährden.
Zudem habe die belangte Behörde bei ihrer Ermessensausübung gemäß § 11 StbG auf das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers keinerlei Bezug genommen.
3. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen:
3.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es der Behörde nicht verwehrt ist, bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Einbürgerungswerbers - neben dem nach der Zusicherung gesetzten Fehlverhalten, das für das Vorliegen eines Einbürgerungshindernisses gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StBG den Ausschlag gibt - auch vor der Zusicherung begangene Übertretungen heranzuziehen (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/01/0341, mwN).
Im Beschwerdefall ist der belangten Behörde daher zuzustimmen, wenn sie die erheblichen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Beschwerdeführer in den Jahren 2002, 2003, 2004 als ins Gewicht fallende Verstöße gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, gewertet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/01/0459, mwN). Insbesondere ist ihr aber nicht entgegen zu treten, wenn sie es als gravierenden Verstoß gewertet hat, dass der Beschwerdeführer bereits einen Monat nach Zusicherung der Staatsbürgerschaft wiederum die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich, diesmal im Ortsgebiet und in weit größerem Ausmaß als bei den vorangegangenen Tathandlungen, überschritten hat und davon ausgehend ihre vor Zusicherung getroffene Prognose revidierte.
3.2. Auch konnte im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht von einem längeren Wohlverhalten des Beschwerdeführers ausgegangen werden (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ).
3.3. Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde davon aus, dass die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG beim Beschwerdeführer nicht mehr gegeben sei. Dass sie den Zusicherungsbescheid vom ungeachtet dieses Rechtsstandpunktes nicht ausdrücklich widerrief, sondern lediglich den Verleihungsantrag abwies, schadet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, weil durch diese Vorgangsweise der Zusicherungsbescheid gegenstandslos wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/01/0171, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0291).
3.4. Soweit die Beschwerde sich auf § 11 StbG beruft, ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung, ob das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorliegt, einer Ermessensübung im Sinn des § 11 StbG vorgelagert ist und nicht im (freien) Ermessen der Behörde liegt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0026, mwN).
3.5. Davon ausgehend ist es nicht relevant, dass - wie vom Beschwerdeführer vorgebracht - dem angefochtenen Bescheid nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, von welchen "beiden ... begangenen Übertretungen" nach Zusicherung die belangte Behörde ausgegangen ist.
4. Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am