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VwGH vom 21.01.2014, 2013/04/0180

VwGH vom 21.01.2014, 2013/04/0180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz als Revision geltende Beschwerde des F in U, vertreten durch Berger Partner Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom , Zl. BMWFJ- 37.348/0077-I/5a/2013, betreffend Nichtigerklärung eines Bescheides gemäß § 363 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erfolgte gemäß § 363 Abs. 1 Z. 3 und § 99 Abs. 3 GewO 1994 iVm § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG die Nichtigerklärung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Z vom , mit dem die individuelle Befähigung des Beschwerdeführers für die Ausübung des Baumeistergewerbes gemäß § 94 Z. 5 GewO 1994 festgestellt worden war.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, im genannten Bescheid vom sei die Befähigung des Beschwerdeführers für das Baumeistergewerbe (§ 94 Z. 5 GewO 1994) schon deshalb zu Unrecht als erbracht beurteilt worden, weil der Beschwerdeführer die Befähigungsprüfung für dieses Gewerbe nicht erfolgreich abgelegt habe. Gemäß § 363 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 seien Bescheide, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden seien, mit Nichtigkeit iSd § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG bedroht, wenn (u.a.) der Befähigungsnachweis (§§ 18 und 19 GewO 1994) zu Unrecht als erbracht beurteilt worden ist und der Mangel noch andauere. Die Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 4 AVG stelle eine Ermessensentscheidung dar, in deren Rahmen das durch die verletzte Norm geschützte öffentliche Interesse gegen allfällige Nachteile des Betroffenen abzuwägen sei. Daher sei gegenständlich im Rahmen der Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Gefahr für die Gesundheit von Menschen zu berücksichtigen, die bei nicht sachgerechter Ausübung der dem Baumeister in § 99 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 vorbehaltenen Tätigkeiten bestehe. Der Schutz dieses öffentlichen Interesses überwiege jedenfalls das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung der zu Unrecht ergangenen Feststellung seiner individuellen Befähigung. Der genannte Feststellungsbescheid vom sei daher für nichtig zu erklären gewesen.

Daran könne das Vorbringen des Beschwerdeführers, er übe das Baumeistergewerbe nur hinsichtlich ausführender Tätigkeiten (§ 99 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994) aus, nichts ändern, zumal dieses bloße Vorbringen noch nicht ausschließe, dass der Beschwerdeführer auch Tätigkeiten iSd § 99 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 (Planung und Berechnung von Bauten) ausführe, solange er nicht die Gewerbeberechtigung für das Baumeistergewerbe diesbezüglich teilweise zurücklege. Die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung angeregte bloße "Teilnichtigerklärung" des Bescheides betreffend die Feststellung seiner Befähigung komme u.a. mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht. Die Nichtigerklärung habe daher den gesamten Feststellungsbescheid vom erfassen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde, in der ausgeführt wird, dass der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am zugestellt wurde. Da somit die Beschwerdefrist am noch offen war, gilt die vorliegende Beschwerde gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013 als Revision. Für die Behandlung dieser Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. die Bestimmungen des VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung (abgesehen von der gegenständlich ohnedies nicht in Betracht kommenden Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG) sinngemäß.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Revision erwogen:

In der Revision wird zunächst (insoweit in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid) ausgeführt, dass mit dem nichtig erklärten Bescheid vom gemäß § 19 GewO 1994 die "individuelle Befähigung" des Revisionswerbers zur Ausübung des gemäß § 94 Z. 5 GewO 1994 reglementierten Baumeistergewerbes festgestellt worden sei. Diesem Bescheid vom sei das (mit der Revision vorgelegte) Schreiben der Wirtschaftskammer S vom zu Grunde gelegen, wonach "keine Einwände" bestanden hätten, dass der Revisionswerber das Baumeistergewerbe ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer ausübe. Nach Ansicht des Revisionswerbers stelle dieses Schreiben ein "Zeugnis im Sinne des § 18 Abs. 1 GewO 1994" dar bzw. komme einem solchen gleich, sodass die belangte Behörde von der gegebenen Befähigung des Beschwerdeführers für das Baumeistergewerbe hätte ausgehen müssen. Die Nichtigerklärung des Feststellungsbescheides über die individuelle Befähigung des Revisionswerbers für das Baumeistergewerbe sei daher rechtswidrig.

Gemäß § 363 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 85/2012 sind Bescheide, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden sind, mit Nichtigkeit iSd § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG bedroht, wenn (u.a.) der Befähigungsnachweis (§§ 18 und 19 GewO 1994) zu Unrecht als erbracht beurteilt worden ist und der Mangel noch andauert.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Rechtsansicht zu Grunde, dass die Bezirkshauptmannschaft bei Erlassung des Bescheides vom zu Unrecht die individuelle Befähigung des Revisionswerbers für das Baumeistergewerbe festgestellt hat.

Die bei Erlassung des Bescheides vom in Geltung gestandenen Bestimmungen der GewO 1994 in der damals geltenden Fassung BGBl. I Nr. 111/2002 lauteten auszugsweise wie folgt:

"Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe

§ 18. (1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat für jedes reglementierte Gewerbe, (….), durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind. ...

Individueller Befähigungsnachweis

§ 19. Kann der nach § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs. 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt. § 373c Abs. 7 ist sinngemäß anzuwenden.

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

5. Baumeister, Brunnenmeister

Baumeister

§ 99. (1) Der Baumeister (§ 94 Z 5) ist berechtigt,

1. Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten zu planen und zu berechnen,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2.
Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten zu leiten,
3.
Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten nach Maßgabe des Abs. 2 auch auszuführen und Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten abzubrechen,
4.
Gerüste aufzustellen, für die statische Kenntnisse erforderlich sind,
5.
zur Projektentwicklung, -leitung und -steuerung, zum Projektmanagement sowie zur Übernahme der Bauführung,
6.
im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung zur Vertretung seines Auftraggebers vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts.

(2) ...

(3) Die Befähigung für Tätigkeiten gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 kann nur im Wege eines Befähigungsnachweises gemäß § 18 Abs. 1 erbracht werden.

..."

In der aufgrund des § 18 Abs. 1 GewO 1994 erlassenen Baumeister-Verordnung, BGBl. II Nr. 30/2003, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Baumeister festgelegt, zu denen u.a. das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung zählt (§ 1 Abs. 1 Z. 2 der Verordnung).

Kann der nach § 18 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so sieht § 19 GewO 1994 (grundsätzlich) vor, dass die Behörde die Befähigung individuell festzustellen hat. Beim "individuellen Befähigungsnachweis" im Sinn des § 19 GewO 1994 wird der gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis durch sonstige Nachweise ersetzt, die jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegen, die für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes erforderlich sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0048).

Soweit es jedoch um die Befähigung des Baumeisters für Tätigkeiten gemäß § 99 Abs. 1 Z. 1 (Planung und Berechnung von Bauten) und Z. 2 (Leitung von Bauten) geht, kann die Befähigung gemäß § 99 Abs. 3 GewO 1994 ausschließlich im Wege eines Befähigungsnachweises gemäß § 18 Abs. 1 und somit nicht im Rahmen der Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19 GewO 1994 erbracht werden (§ 99 Abs. 3 ist somit die lex specialis gegenüber § 19 GewO 1994).

Mit dem genannten Feststellungsbescheid vom wurde jedoch - entgegen § 99 Abs. 3 GewO 1994 - die individuelle Befähigung des Revisionswerbers für die Ausübung des Baumeistergewerbes gemäß § 94 Z. 5 GewO 1994 (somit auch seine Befähigung zur Durchführung der im § 99 Abs. 1 Z. 1 und 2 GewO 1994 angeführten Tätigkeiten) gemäß § 19 GewO 1994 festgestellt. Somit wurde der Befähigungsnachweis des Revisionswerbers zu Unrecht als erbracht beurteilt (§ 363 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994). Dieser Mangel dauerte iSd letztgenannten Bestimmung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides an, weil bis zu diesem Zeitpunkt der Feststellungsbescheid vom unstrittig weiterhin dem Rechtsbestand angehörte und auch gemäß § 99 Abs. 3 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 85/2013 die Befähigung des Baumeisters hinsichtlich der genannten Tätigkeiten weiterhin nur durch den Befähigungsnachweis (und nicht mittels Feststellung der individuellen Befähigung) nachgewiesen werden konnte.

Schon deshalb war der Feststellungsbescheid vom mit einem Nichtigkeitsgrund iSd § 363 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 iVm § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG behaftet. Entgegen dem Vorbringen in der Revision ist es nach dem Gesagten unerheblich, ob das dem Bescheid vom zu Grunde liegende Schreiben der Wirtschaftskammer S vom (das zweifellos kein Zeugnis iSd der Baumeister-Verordnung darstellt, weil die Landesinnung in diesem Schreiben lediglich "keine Einwände" gegen die Bestellung des Revisionswerbers zum Geschäftsführer erhoben hat) einem Zeugnis gleichkommt, weil die Befähigung für die in Rede stehenden Tätigkeiten des Baumeisters (Planen, Berechnen und Leiten von Bauten gemäß § 99 Abs. 1 Z. 1 und 2 GewO 1994) nach dem Gesagten ausschließlich durch den Befähigungsnachweis iSd § 18 Abs. 1 GewO 1994 iVm der Baumeister-Verordnung nachgewiesen werden kann. Ein solcher Befähigungsnachweis wurde nach den schlüssigen Feststellungen der belangten Behörde vom Revisionswerber nicht erbracht.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ihr Ermessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/04/0146, und Hengstschläger/Leeb , AVG, Rz 106 zu § 68) überschritten hätte: So führen die Erläuterungen zu § 99 Abs. 3 GewO 1994 (wiedergegeben etwa bei Grabler/Stolzlechner/Wendel , Kommentar zur Gewerbeordnung, 3. Auflage, 2011, Rz. 33) aus, dass "die Ablegung einer Befähigungsprüfung für den Zugang zum Baumeistergewerbe unerlässlich" sei, soweit es sich nicht bloß um ausführende Baumeistertätigkeiten handle. Daher bestehe, so die letztzitierte Literaturstelle, für die Planung, Berechnung und Leitung das "absolute gesetzliche Verbot", das Vorliegen der individuellen Befähigung hiefür gemäß § 19 GewO 1994 festzustellen.

Im Übrigen ist der belangten Behörde beizupflichten, dass fallbezogen (Feststellung der individuellen Befähigung für das Baumeistergewerbe insgesamt) die bloß teilweise Nichtigerklärung des Bescheides vom mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht kam.

Die vorliegende Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am