VwGH vom 29.04.2010, 2008/15/0098
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Mag. Heinzl sowie Hofrat Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des H G in G, vertreten durch Martin Friedl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, vom , Zl. FSRV/0104-L/04, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz wurde gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass er als Abgabepflichtiger vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) für den Monat Dezember 2003 in Höhe von 46.691,34 EUR bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern gewiss gehalten, und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen habe.
In der Begründung wurde auf eine durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung hingewiesen, bei der festgestellt worden sei, dass eine Leistungsverrechnung und umsatzsteuerliche Nachverrechnung der gegenüber der den Familiennamen des Beschwerdeführers tragenden KEG erbrachten laufenden Warenlieferungen und Leistungen nicht stattgefunden hätten. Bereits anlässlich einer für die Monate Jänner bis September 2001 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung sei festgestellt worden, dass die während des Jahres unterlassene Leistungsverrechnung durch das Prüfungsorgan nachgeholt worden sei. Daraus sei zu ersehen, dass dem Beschuldigten seit damals die "entsprechende" Verpflichtung bekannt gewesen sei, weshalb ihm vorsätzliches Handeln und damit verbunden wissentliche Tatbegehung anzulasten sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die dagegen erhobene Administrativbeschwerde, wobei der Spruch lautete: "Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Spruch des angefochtenen Einleitungsbescheides wird lediglich dahin modifiziert, dass der Verdacht auf Abgabenhinterziehung für die Monate Jänner bis Dezember 2003 besteht."
Begründend wies die belangte Behörde hinsichtlich dieser "Modifikation" darauf hin, dass ungeachtet des Umstandes, dass die Festsetzung der Umsatzsteuernachforderung durch die Abgabenbehörde ("aus verwaltungsökonomischen Gründen") ausschließlich im Voranmeldungszeitraum Dezember erfolgt sei und der Spruch des Einleitungsbescheides der Finanzstrafbehörde I. Instanz "dementsprechend formuliert" worden sei, dem "Bp-Bericht" dennoch eindeutig zu entnehmen sei, dass die unterlassene Leistungsverrechnung laufend während des gesamten Jahres 2003 stattfinden hätte müssen und "daher die Nachforderung" aus den Umsatzsteuervorauszahlungszeiträumen Jänner bis Dezember 2003 resultiere. In gleicher Weise ergebe sich aus der Begründung des Einleitungsbescheides, dass der Verdacht der Finanzstrafbehörde I. Instanz das als strafbar erachtete Verhalten des Beschwerdeführers während des gesamten Jahres 2003 umfasst habe. Der Spruch des Einleitungsbescheides sei daher zur "Klarstellung hinsichtlich des Tatzeitraumes entsprechend zu modifizieren" gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, sofern das Rechtsmittel nicht gemäß § 156 zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung der Rechtsmittelentscheidung ihre Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde erster Instanz zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder das Rechtsmittel als unbegründet abzuweisen.
Zutreffend wird in der Beschwerde ausgeführt, dass es der Rechtsmittelbehörde nicht zusteht, in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, nicht einen Sachbescheid (im Ergebnis erstmals) erlassen darf. Wechselt also die Rechtsmittelbehörde die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch. (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/13/0256, mwN). Eine Auswechslung der Tat liegt aber nicht vor, wenn lediglich die Spruchfassung präzisiert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/14/0096).
Sache des erstinstanzlichen Bescheides war im Beschwerdefall der auf die vorsätzliche Verkürzung von Umsatzsteuer für den Zeitraum Dezember 2003 gerichtete Verdacht. Im angefochtenen Bescheid wurde dieser Verdacht auf den Zeitraum Jänner bis Dezember 2003 ausgedehnt, im Ergebnis somit für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2003 erstmals ausgesprochen. Im zitierten Erkenntnis vom , welchem ebenfalls eine Einleitung eines Finanzstrafverfahrens zu Grunde lag, wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der zeitlichen Einschränkung des Tatvorwurfs keine Auswechslung der "Sache" im Sinne des § 161 Abs. 1 FinStrG erblickt werden kann. Die Rechtsmittelbehörde ist vielmehr verpflichtet, bei Erlassung der Beschwerdeentscheidung auf die während des Rechtsmittelverfahrens festgestellten Tatsachen Bedacht zu nehmen und dementsprechend den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich des Umfanges des Verdachtes, somit hinsichtlich Höhe und Zeitraum der Abgabenverkürzungen entsprechend zu korrigieren.
Von einer solchen Korrektur kann aber dann nicht gesprochen werden, wenn der Verdacht auf eine Abgabenverkürzung für einen bestimmten Zeitraum - wie ausgeführt im Beschwerdefall für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2003 - im Ergebnis erstmals ausgesprochen wird.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am