VwGH vom 22.09.2014, 2013/04/0174
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ro 2014/04/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Mayr als Richter, unter Beiziehung des Schriftführers Mag. Pichler, über 1. die Revision der S, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b/17 (protokolliert zur hg. Zl. 2013/04/0174), und 2. die Revision der W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6 (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2014/04/0023), jeweils gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-12-2039, betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung im Vergabenachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: A GmbH in K, vertreten durch die Haslinger/Nagele Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5; weitere Partei:
Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Revisionswerberinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2013/04/0020, 0048, verwiesen. Mit dem dort zugrunde gelegenen angefochtenen Bescheid vom , Zl. Senat-X/Y, stellte der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (UVS) über Antrag der mitbeteiligten Partei einerseits fest, dass das Vergabeverfahren der Erstrevisionswerberin betreffend die "Vereinbarung zur interkommunalen Kooperation im Bereich Abfallwirtschaft" rechtswidrig ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei, und erklärte andererseits den diesbezüglichen am zwischen den Revisionswerberinnen (beide sind Gebietskörperschaften) zustande gekommenen Vertrag betreffend die Erbringung von Dienstleistungen der Abfallentsorgung für nichtig.
Da der Verwaltungsgerichtshof die diesem Bescheid zugrunde gelegte Rechtsansicht (die genannte Vereinbarung bzw. der Vertrag stelle "keine echte interkommunale Kooperation" dar und sei daher nicht vom Vergaberegime ausgenommen, sodass die gegenständliche Dienstleistung nicht ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens hätte vergeben werden dürfen) als mit der Judikatur des EuGH nicht übereinstimmend erkannte, hob er den genannten Bescheid vom mit dem zitierten Erkenntnis vom , Zlen. 2013/04/0020, 0048, als inhaltlich rechtswidrig auf.
2. Die in der Folge getroffene Zuschlagsentscheidung (die nach dem von der Erstrevisionswerberin vorgelegten Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union nach Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung als "Freiwillige Exante-Bekanntmachung" am veröffentlicht wurde) betreffend die erwähnten Dienstleistungen im Bereich der Abfallwirtschaft wurde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des UVS vom über Antrag der mitbeteiligten Partei für nichtig erklärt. Gleichzeitig wurde der mitbeteiligten Partei der Ersatz der von ihr für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühren zuerkannt.
In der Begründung führte der UVS (nach ausgedehnter Wiedergabe des Parteienvorbringens) aus, im vorliegenden Fall sei die Vergabe von Dienstleistungen zu beurteilen, die im Wesentlichen bereits Gegenstand des vom UVS zur Geschäftszahl "Senat-X/Y" geführten Vergabekontrollverfahrens gewesen seien. Die nunmehrige Zuschlagsentscheidung weiche gegenüber dem (vom UVS für nichtig erklärten) Vertrag lediglich dadurch ab, als nunmehr tatsächlich eine "(geringfügige) reale Zusammenarbeit" im Bereich der Abfallwirtschaft zwischen den Revisionswerberinnen vorgesehen sei (die Zweitrevisionswerberin solle weiterhin den Abfall der Erstrevisionswerberin verwerten, letztere führe aber nun die Abfallsammlung für etwa 100 Haushalte der Zweitrevisionswerberin durch).
Aus rechtlicher Sicht sei die gegenständliche, nach Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung ergangene Zuschlagsentscheidung rechtswidrig, weil im vorliegenden Fall weder der Ausnahmetatbestand des § 10 Z 6 BVergG 2006 erfüllt sei (wird im Bescheid erläutert) noch - so die Rechtsansicht des UVS - ein Fall der sog. "interkommunalen Kooperation" vorliege, sodass die gegenständliche Auftragsvergabe auch nicht vom Vergaberegime ausgenommen sei.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich sowohl die (zur Zl. 2013/04/0174 protokollierte, gemäß § 4 Abs. 1 letzter Satz VwGbk-ÜG als Revision geltende) Beschwerde der Erstrevisionswerberin als auch die (zur Zl. Ro 2014/04/0023 protokollierte) Revision der Zweitrevisionswerberin, in denen zusammengefasst jeweils geltend gemacht wird, der UVS habe die Voraussetzungen der "interkommunalen Kooperation" im Sinne der Judikatur des EuGH nicht hinreichend geprüft und sei daher unzutreffend zum Ergebnis gelangt, dass auf den gegenständlichen Dienstleistungsauftrag das öffentliche Vergaberecht anwendbar sei.
4. Die mitbeteiligte Partei erstattete in beiden Verfahren eine Gegenschrift. Der UVS (bzw. das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich) erstattete weder eine Gegenschrift noch wurde mitgeteilt, weshalb die Aktenvorlage unterblieb.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionen wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass auf beide Revisionen gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG (mit der dort genannten Maßgabe) die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden sind.
Im eingangs zitierten Erkenntnis vom , Zlen. 2013/04/0020, 0048, hat der Verwaltungsgerichtshof unter ausführlicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH dargelegt, dass der zwischen den Revisionswerberinnen abgeschlossene - in der Folge vom UVS mit Bescheid vom , Zl. Senat-X/Y, für nichtig erklärte - Vertrag über die Abfallentsorgung den vom EuGH entwickelten Kriterien der sog. "interkommunalen Zusammenarbeit" entspricht und daher weder vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union (vgl. Pkt. 5.1. des Erkenntnisses) noch vom Anwendungsbereich der innerstaatlichen Normen des Vergaberechts (vgl. Pkt. 5.2. des Erkenntnisses) erfasst wird.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid vom geht es - wie auch der UVS in seiner Begründung hervorhebt - um dieselbe Rechtsfrage wie im zitierten hg. Erkenntnis (nämlich ob die Vergabe/Zuschlagsentscheidung jener Dienstleistungen der Abfallwirtschaft, die bereits zuvor im - vom UVS für nichtig erklärten - Vertrag vereinbart waren, dem Vergaberecht unterliegt). Daher kann, was die Frage der rechtlichen Qualifikation dieser Dienstleistungen als nicht dem Vergaberecht unterliegende "interkommunale Kooperation" betrifft, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses, Zlen. 2013/04/0020, 0048, verwiesen werden.
Daraus folgt, dass der UVS auch vorliegend unzutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, die Zuschlagsentscheidung sei "mangels Vorhandensein einer tatsächlich zulässigen interkommunalen Kooperation für nichtig zu erklären" gewesen. Daran ändert nichts, dass die gegenständliche Zuschlagsentscheidung im Vergleich zu jenem dem hg. Erkenntnis, Zlen. 2013/04/0020, 0048, zugrunde liegenden Vertrag eine "(geringfügige) reale Zusammenarbeit" vorsah, weil es darauf nach dem zitierten Erkenntnis (vgl. dort Pkt. 4.3.) nicht ankommt.
6. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
7. Die Zuerkennung von Aufwandersatz erfolgte im Rahmen des jeweiligen Begehrens aufgrund § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, gemäß den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am