VwGH vom 26.04.2010, 2006/01/0411
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des S M in L, geboren 1980, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 301.429- C1/E1-XVI/46/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gehört der bosnischen Volksgruppe an und stellte am einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den diesen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien-Herzegowina ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Begründend verwies die belangte Behörde hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen auf die Ausführungen des Bundesasylamtes im erstinstanzlichen Bescheid. Dort hatte das Bundesasylamt - soweit für die Ausweisung von Relevanz - sieben Verurteilungen des 1980 geborenen Beschwerdeführers in den Jahren 1996 bis 2002 aufgelistet und dabei die Daten der Verurteilungen sowie die übertretenen Strafnormen erwähnt; weder die verhängten Strafen noch die den Verurteilungen zugrunde liegenden Tathandlungen wurden festgestellt. Weiters ging das Bundesasylamt davon aus, dass der (seit 1990 in Österreich aufhältige) Beschwerdeführer familiäre Bindungen zu dauernd im Inland aufenthaltsberechtigten bzw. niedergelassenen Fremden habe. Damit wurde erkennbar auf den Umstand Bezug genommen, dass die Eltern und drei Schwestern des Beschwerdeführers in Österreich leben.
Zur Ausweisung des Beschwerdeführers verwies die belangte Behörde fallbezogen im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer in Österreich siebenmal strafgerichtlich verurteilt worden sei, größtenteils wegen begangener Verbrechen gegen fremdes Eigentum, und sich aktuell erneut wegen des Verdachtes der Begehung eines Einbruchdiebstahls in Untersuchungshaft befinde. Der Beschwerdeführer stelle immer wieder seine Missachtung der Rechtsordnung zur Schau und habe sich auch durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Jahr 2001 nicht davon abhalten lassen, weitere schwere Straftaten zu begehen. Auf Grund der schon seit zehn Jahren anhaltenden Delinquenz und einer offensichtlichen Resistenz gegenüber gerichtlichen Strafen sei - auch vor dem Hintergrund der Drogenabhängigkeit des Beschwerdeführers - davon auszugehen, dass sich dieser auch in Zukunft nicht normtreu verhalten werde. Das Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich sei angesichts des Umstandes, dass er sich seit 1990 (davon bis 2001 rechtmäßig) in Österreich aufgehalten habe und seine Familie in Österreich lebe, bedeutsam. Dennoch überwiege das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen das persönliche und familiäre Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib in Österreich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der vorgebracht wird, die Ausweisung verstoße ungeachtet der strafrechtlichen Delikte des Beschwerdeführers gegen Art. 8 EMRK, da enge private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu I.:
Der Beschwerdeführer lebt - den Feststellungen der belangten Behörde zufolge - seit seinem zehnten Lebensjahr (und daher im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde rund 16 Jahre) in Österreich, ist hier aufgewachsen und hat sich über einen Zeitraum von rund 11 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, wo auch seine Familie lebt. Davon ausgehend hätte es im vorliegenden Fall jedenfalls näherer Feststellungen zu den konkreten Tathandlungen der begangenen Delikte und den sich daraus für die fallbezogene Abwägung ergebenden Schlussfolgerungen bedurft, die im angefochtenen Bescheid fehlen.
Aus den im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0703 (mit Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom , Maslov gegen Österreich, Beschwerde Nr. 1638/03), dargestellten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf seinen Spruchpunkt III. daher mit relevanten Begründungsmängeln belastet.
Der angefochtene Bescheid war in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerde sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-79255