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VwGH vom 29.04.2014, 2013/04/0150

VwGH vom 29.04.2014, 2013/04/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, Hofrat Dr. Kleiser sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des T S in I, vertreten durch Mag. Michael Kathrein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. Gew-57008- 13/1, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichtes G (Bundesrepublik Deutschland) vom , wegen im Zeitraum vom 31. August bis begangenen Betruges in 10 Fällen, jeweils rechtlich zusammentreffend in 986 Fällen der Vollendung und in 196 Fällen des Versuchs, zu einer unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Die Strafe wurde aufgrund des Ablaufs der Probezeit mit Wirkung vom erlassen. Die Tilgung ist bisher noch nicht eingetreten.

2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft S vom , Zl. 2.0-15440/13-3, betreffend die Verweigerung der Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des freien Gewerbes "Werbeagentur und PR-Beratung" wegen gerichtlicher Verurteilung gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994, keine Folge gegeben.

Ausgehend von der unstrittigen Tatsache der rechtskräftigen Verurteilung (in Deutschland) führte die belangte Behörde begründend aus, das Ausmaß der verhängten Freiheitsstrafe lasse erkennen, dass der Beschwerdeführer bereits ein solches kriminelles Potential gezeigt habe, dass das Strafgericht mehr als die doppelte Mindeststrafe für sinnvoll erachtet habe. Auch habe das Strafgericht einen besonders schweren Fall des Betruges konstatiert. Der Beschwerdeführer habe in der Absicht gehandelt, sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen sowie durch fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr eines Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. Es handle sich um eine schwere Form der Wirtschaftskriminalität mit zahlreichen Geschädigten. Zudem weise der Beschwerdeführer mit der Verurteilung wegen Betruges durch das Amtsgericht S (Bundesrepublik Deutschland) vom eine einschlägige Vorstrafe auf, die ihn nicht davon abgehalten habe, erneut straffällig zu werden. Aufgrund des ständigen Kundenkontaktes stünden mit einer Gewerbeausübung viele Möglichkeiten offen, gleiche oder ähnliche Delikte zu begehen. Dem zwischenzeitigen Wohlverhalten könne selbst unter Berücksichtigung des umfassenden Geständnisses und der Spenden an gemeinnützige Organisationen noch nicht jenes Gewicht beigemessen werden, um von einer Wandlung des Persönlichkeitsbildes ausgehen zu können.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

4.1. Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

4.2. Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 lit. b und Z. 2 GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie von einem Gericht wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist. Dies gilt auch, wenn mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

Gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 leg. cit. die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

4.3.1. Grundsätzlich zutreffend verweist die Beschwerde darauf, dass bei der Prognose nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum abzustellen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0101) und rügt das Unterlassen der Feststellung des Zeitpunktes der letzten Deliktsbegehung.

Die belangte Behörde verweist zwar in ihren rechtlichen Ausführungen auf diese Rechtslage, stellt jedoch im Zusammenhang mit der Prognose - wie von der Beschwerde aufgezeigt - auf eine Wohlverhaltensdauer von nur vier Jahren ab, was lediglich dem Zeitraum seit der Verurteilung entspricht.

4.3.2. Im Ergebnis ist daraus für die Beschwerde jedoch nichts zu gewinnen: Die den Gewerbeausschluss begründenden strafrechtlichen Verurteilung hatte nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde einen Betrug in 10 Fällen, jeweils rechtlich zusammentreffend in 986 Fällen der Vollendung und in 196 'Fällen des Versuches zum Gegenstand. Diesen Feststellungen zufolge handelte der Berufungswerber vorsätzlich. Die Einzelheiten des Ablaufs der Spam-Mail-Kampagne hätten auf einem gemeinsamen Tatplan der Angeklagten beruht. In den Strafzumessungsgründen ging das erkennende Strafgericht von einem besonders schweren Fall des Betruges aus. Der Beschwerdeführer habe in der Absicht gehandelt, sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen sowie durch fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr eines Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. Aus der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Aktenlage ergibt sich ergänzend, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit zwei weiteren Personen im Zeitraum vom 31. August bis 10 Lock-Emails mit Links zu eigens erstellten Internetseiten an 1.182 Personen verschickte, deren Daten die Täter zuvor von unterschiedlichen Datenbanken bezogen hatten. Nach Anklicken eines weiterführenden Buttons auf der Internetseite erhielt der Adressat - ohne selbst Daten eingegeben zu haben - ein Bestätigungsmail über eine erfolgte Anmeldung und einen angeblichen Vertragsabschluss. Obwohl der Beschwerdeführer wusste, dass kein Vertrag zustande gekommen war und einer Zahlung überdies kein entsprechender Gegenwert gegenüberstand, wurde den betreffenden Personen ein Betrag von EUR 86 in Rechnung gestellt und im Falle unterbliebener Zahlung eine Mahngebühr von EUR 6,50 vorgeschrieben. Der dadurch entstandene Schaden betrug EUR 132.500,59.

Unter Bedachtnahme auf diese Tatumstände ist es im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde in Hinblick auf die gewerbsmäßige Begehung, die Höhe des Schadensbetrages, der Anzahl der Geschädigten, der planvollen Vorgangsweise und der einschlägigen Vorstrafe des Beschwerdeführers auf ein Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers schloss, das nicht die Verneinung der Befürchtung der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes zulässt. Die aus dem Persönlichkeitsbild abgeleitete Befürchtung ist auch unter Berücksichtigung des von der Beschwerde ins Treffen geführten, zwischen der letztmaligen Verwirklichung des Tatbestandes und der Erlassung des angefochtenen Bescheides gelegenen Zeitraumes von rund sechs Jahren nicht als hinfällig zu betrachten (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/04/0026, vom , Zl. 2003/04/0123 und vom , Zl. 93/04/0097).

Der belangten Behörde kann aus diesen Gründen auch unter Bedachtnahme auf den seit der letzten Deliktsbegehung vergangenen Zeitraum von ca. sechs Jahren - anstelle der von der belangte Behörde offenbar irrig angenommenen vier Jahre - im Ergebnis nicht entgegen getreten werden, wenn diese davon ausging, dass dem zwischenzeitigen Wohlverhalten des Beschwerdeführers noch nicht jenes Gewicht beigemessen werden könne, um von einer eine negative Prognose nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 ausschließenden Wandlung des Persönlichkeitsbildes ausgehen zu können. Es liegt daher weder eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, noch kommt dem von der Beschwerde gerügten Feststellungsmangel Relevanz zu.

4.4.1. Die Beschwerde rügt weiter, die belangte Behörde verkenne die Bestimmung des § 26 GewO 1994, da nicht auf die Eigenart des begangenen Deliktes eingegangen worden sei. So lasse die belangte Behörde außer Acht, dass die Informations- bzw. Hinweispflicht von Betreibern kostenpflichtiger Internetdienste in Deutschland erst seit rechtlich eindeutig geklärt sei. Die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat sei bei der Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten, da sich der Beschwerdeführer nicht mit kostenpflichtigen Internetdiensten, sondern mit der Ausübung der Gewerbe "Werbeagentur und PR-Beratung" beschäftige und das Internet nur für Bürozwecke nutzen werde.

4.4.2. Soweit die Beschwerde darauf abzielt, eine zum Tatzeitpunkt noch nicht eindeutige Rechtslage für die sich aus der Eigenart der strafbaren Handlung ergebende Erwägungen ins Treffen zu führen, ist dem zu entgegnen, dass die strafrechtliche Verurteilung nicht mangels Hinweis auf eine Zahlungspflicht erfolgte, sondern wegen vorsätzlicher Täuschung der kontaktierten Personen über die Tatsache eines Vertragsabschlusses.

Die Ansicht des Beschwerdeführers, er könne keine gleiche oder ähnliche Tat bei Ausübung des beabsichtigten Gewerbes "Werbeagentur und PR-Beratung" begehen, geht fehl, da bei der Beurteilung der Eigenart der strafbaren Handlung nicht auf Delikte im Zusammenhang mit kostenpflichtigen Internetdiensten abzustellen ist, sondern auf das beeinträchtigte Rechtsgut und somit auf Delikte gegen fremdes Vermögen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/04/0138).

4.5. Ferner bringt die Beschwerde vor, die negative Prognoseentscheidung könne nicht damit begründet werden, dass der Beschwerdeführer zur Ausübung des gewünschten Gewerbes mit Kunden in Verbindung treten müsse und die Begehung einer ähnlichen oder gleichen Straftat gerade bei der Tätigkeit als PR-Berater und Betreiber einer Werbeagentur zu befürchten sei, da praktisch jede selbstständige Tätigkeit Kundenkontakt erfordere.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/04/0123, ausgeführt, dass es nicht unschlüssig ist, wenn sich die belangte Behörde bezüglich der Eigenart des strafbaren Verhaltens darauf stützte, die Ausübung des Gewerbes biete Gelegenheit zur Begehung von Vermögensdelikten gegenüber Kunden und anderen Geschäftspartnern.

4.6. Soweit die Beschwerde gegen die Prognose der belangten Behörde die dem Beschwerdeführer gewährte bedingte Strafnachsicht ins Treffen führt, ist dem folgendes zu entgegen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der im Hinblick auf die zu erstellende Prognose insoweit inhaltsgleichen Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ausgeführt, dass die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht schematisch außer Betracht bleiben können. Vielmehr bedarf es bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 erfüllt sind. Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise für das Nachsichtsverfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0026, mwN).

Solche nach dieser Rechtsprechung besonderen Umstände für eine Berücksichtigung der bedingten Strafnachsicht kann die Beschwerde aber nicht dartun, zumal diese primär die (bloße) Tatsache des Absehens vom Vollzug der Freiheitsstrafe durch das Landgericht Göttingen ins Treffen führt. Der Verweis der Beschwerde auf die - laut den Strafzumessungsgründen im Strafurteil - bloß untergeordneten Rolle des Beschwerdeführers im Verhältnis zu einem der Mittäter vermag nichts daran zu ändern, dass auch dieser untergeordneten Rolle ein solches Gewicht beigemessen wurde, dass das Strafgericht die Verhängung einer weit über das den Tatbestand des Gewerbeausschlusses verwirklichende Ausmaß von drei Monaten (§ 13 Abs. 1 Z. 1 lit b GewO 1994) hinausgehenden Freiheitsstrafe für angemessen erachtete.

4.7. Soweit der Beschwerdeführer die Unterlassung seiner persönlichen Einvernahme als Verfahrensmangel rügt, bleibt offen, was dieser anlässlich einer Einvernahme ergänzend ausgeführt hätte, sodass nicht aufgezeigt wird, inwiefern die Einvernahme des Beschwerdeführers geeignet gewesen wäre, die Befürchtung der Tatbegehung der belangten Behörde zu entkräften. Dem behaupteten Verfahrensfehler mangelt es sohin an Relevanz (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0026).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am