VwGH vom 08.09.2010, 2006/01/0182

VwGH vom 08.09.2010, 2006/01/0182

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des M W in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 02/11/6903/2003/57, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Beschwerde gegen das Anlegen von Handfesseln und die Dauer der Anhaltung des Beschwerdeführers "im Verwahrungsbereich" der Bundespolizeidirektion Wien über den hinaus als unbegründet abgewiesen wurde, sowie im Umfang des Ausspruches über den Kostenersatz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Mit der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vom begehrte der Beschwerdeführer, die belangte Behörde wolle "die das zulässige Ausmaß überschreitende Dauer" seiner Anhaltung, das Anlegen der Handfesseln sowie die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers für rechtswidrig erklären und die belangte Behörde zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichten.

Der Beschwerdeführer brachte dazu im Wesentlichen vor, er sei am um 21.10 Uhr gemeinsam mit drei weiteren Personen auf Grund der Beschuldigung durch den Zeugen L von Organen der Bundespolizeidirektion Wien gemäß §§ 177 Abs. 1 Z. 1 iVm 175 Abs. 1 Z. 1 StPO wegen des Verdachts der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung und der Begünstigung festgenommen worden. Ihm seien Handfesseln angelegt worden, obwohl nichts darauf hingedeutet habe, dass er einen Fluchtversuch unternehmen oder sich oder andere Personen gefährden werde. Er sei sodann in ein näher bezeichnetes Wachzimmer gebracht und dort angehalten worden. Der Zeuge L sei noch am einvernommen worden, der maßgebliche Sachverhalt sei damit hinreichend geklärt gewesen. Der Beschwerdeführer selbst sei erst am einvernommen worden. Am selben Tag sei der Journalstaatsanwalt telefonisch kontaktiert worden, dieser habe die Verhängung der Untersuchungshaft in Aussicht gestellt. Der Beschwerdeführer sei dessen ungeachtet nicht in das zuständige Gericht, sondern in das Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände überstellt worden. Dort sei er aufgefordert worden, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, wozu er nicht bereit gewesen sei. Daraufhin sei ihm mitgeteilt worden, dass er in diesem Fall noch einen weiteren Tag angehalten und am nächsten Tag von zwei Beamten solange festgehalten werde, bis er schwitze, dann werde ein DNA-Abstrich abgenommen. Nach Androhung dieses Zwangs und zur Vermeidung von körperlicher Gewalt gegen ihn habe sich der Beschwerdeführer der erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. Am um 19.20 Uhr sei der Beschwerdeführer in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert worden, wo er am um 15.40 Uhr vom Untersuchungsrichter einvernommen und im Anschluss daran enthaftet worden sei. Ein Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft oder ein Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft sei zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

Im Falle des Beschwerdeführers sei § 177 Abs. 2 StPO nicht beachtet worden, wonach der Festgenommene unverzüglich zur Sache sowie zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und, wenn sich dabei ergebe, dass kein Grund zur weiteren Anhaltung vorhanden sei, sogleich freizulassen sei. Der Beschwerdeführer wäre daher nach seiner sofortigen Einvernahme zu enthaften gewesen. § 177 Abs. 2 StPO erlaube den Sicherheitsbehörden nicht, die Verwahrungshaft in jedem Fall auf 48 Stunden auszudehnen; vielmehr sei der Festgenommene ohne unnötigen Aufschub, längstens binnen 48 Stunden nach der Festnahme im zuständigen Gericht einzuliefern, wenn die weitere Anhaltung erforderlich sei. Allfällige organisatorische und personelle Gründe für eine Verzögerung (gemeint:) der Überstellung in das Gericht könnten daher die Anhaltung des Beschwerdeführers am 1. und nicht rechtfertigen. Auch die weitere Anhaltung in der Justizanstalt Wien-Josefstadt bis zur Enthaftung durch den Untersuchungsrichter sei eine Folge der vorangegangenen unzulässigen Anhaltung in Verwahrungshaft und der unzureichenden Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Staatsanwalt und daher der belangten Behörde zuzurechnen. Gründe für das Anlegen von Handfesseln seien nicht vorgelegen. Die Voraussetzungen einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG seien ebenfalls nicht vorgelegen, die Androhung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei daher rechtswidrig gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerde im Umfang der Anhaltung "im Verwahrungsbereich" der Bundespolizeidirektion Wien als unbegründet ab sowie "gegen die Anhaltung innerhalb der Justizanstalt über Antrag der Staatsanwaltschaft Wien" als unzulässig zurück. Weiters wies die belangte Behörde die Beschwerde, soweit sie sich gegen das Anlegen der Handfesseln und gegen die zwangsweise Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung wendete, als unbegründet ab und verpflichtete den Beschwerdeführer zum Kostenersatz.

Die belangte Behörde traf folgende Sachverhaltsfeststellungen (Fehler im Original):

"Aufgrund der vor der erkennenden Behörde aufgenommenen Beweise (...) ist die Feststellung zu treffen, dass der Bf und seine drei Bekannten den Haupttäter S bei einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung allem Anschein nach begünstigten. Dies wurde glaubwürdig von den im Akt genannten privaten Aufforderern L und M gegenüber den intervenierenden Organen der belangten Behörde ausgesagt. Nach deren unbestrittenen Ausführungen, welche dem Akt entnommen werden konnten, waren die Punks in Begleitung von Hunden und hatten die Hunde auf die Aufforderer los gelassen, welche den Haupttäter S für die Polizei festhalten hatten wollen. Außerdem haben den Punks den Zeugen M weggestoßen (...). Danach waren der Bf und die drei anderen Punks vom Tatort weggegangen, was kriminalpolizeilich von der belangten Behörde als Fluchtversuch ausgelegt werden kann. Sie wurden wenig später von Organen der belangten Behörde aufgegriffen, wobei dabei die Hunde ein Gefahrenpotential darstellten, wodurch das Anlegen der Handfessel indiziert war. Mit den Vorwürfen der beiden privaten Aufforderer M und L konfrontiert, machten der Bf und seine drei Begleiter keine Angaben, sodass die Organe der belangten Behörde zunächst eine Festnahme wegen Verdacht der Begünstigung und Unterlassung der Verhinderung einer strafbaren Handlung des Haupttäters S, vertretbarer Weise aussprechen und vornehmen konnten. Nach Überstellung in das zuständige Kommissariat waren zunächst die Anzeige(n) zu erstellen und danach die Einvernahme der fünf Personen vorzunehmen (Haupttäter, Bf und seine drei Bekannten, neben den Zeugen, Aufforderern u Tatortbesichtigung). Hiefür ist der belangten Behörde ein entsprechender Zeitraum zuzugestehen. Auf Grund der Aussage des Haupttäters erhob sich der Verdacht der möglichen Mittäterschaft des Bf und seiner drei Begleiter am Einbruchsdiebstahl. Die Nachtstunden bedingen dabei ein nicht unerhebliches temporäres Verzögerungsmoment.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde machten der Bf und seine drei Bekannten hingegen keine Angaben, was die Ermittlungen ebenfalls verzögerte und folglich die Anhaltezeit verlängerte. Da der Bf und seine drei Bekannten vom Haupttäter, dessen Identität zunächst unbekannt war, der Mittäterschaft beschuldigt worden waren, waren umfangreiche Erhebungen anzustellen, im Zuge dessen auch weitere Delikte, etwa

der PKW-ED u Geschäfts-ED, zur Aufklärung anstanden. Dies ist

naturgemäß mit nicht unerheblichem Zeitaufwand verbunden. Dabei wurden Effekten sichergestellt und Zeugen einvernommen; ebenso Tatorterhebungen während der Nachtzeit, Spurensicherung am Pkw, Versuch der Einvernahme des Bf u seiner vermeintlichen Mittäter. Erst danach konnte mit dem zuständigen Staatsanwalt Dr. K Kontakt aufgenommen und das Ergebnis der Einvernahme mitgeteilt werden. Weder im AV der belangten Behörde noch im AV des Staatsanwaltes ist daraus die genaue Zeit über dieses Gespräch zu entnehmen. Der Vorwurf der verspäteten Meldung der belangten Behörde an die Staatsanwaltschaft ist auf Basis der Aktenlage u des Beweisvorbringens unerwiesen. Diese stellte sodann die Verhängung der U-Haft in Aussicht und wurde der Bf mit den anderen Beteiligten am um 19.20 Uhr der Justizanstalt Josefstadt überstellt. Der AV des Staatsanwaltes hält hiezu auf Basis der Angaben der belangten Behörde fest, dass der Haupttäter den Bf und dessen Bekannten der Mittäterschaft an einem PKW-ED bezichtigt, zusätzlich die Paragraphen der versuchten Nötigung und der Begünstigung (...). Bei der Überstellung an die Justizanstalt wurde - wegen lokaler Identität der Behördenräume - vorerst die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt, dabei haben sich keine Zwangsmaßnahmen auf Grund der aufgenommenen Beweise ergeben. IdZ ist festzustellen, dass ca 20 Häftlinge lt Vorbringen des zuständigen ED-Beamten an diesem Tag zu behandeln waren, wobei die Punks untereinader räumlich zu trennen waren (...). Damit endet die Verfügungsmacht der belangten Behörde.

Der zuständige Staatsanwalt beantragte gerichtsintern nach Vorlage der Erstellungsanzeige (verbunden mit der Einlieferung) keinen Haftantrag an den zuständigen U-Richter, sondern verzichtete darauf zugunsten der Verhängung von gelinderen Mitteln, dem sich der U-Richter anschloss. Danach war der Bf aus der Justizanstalt am um 15.40 Uhr entlassen worden."

Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die einschreitenden Sicherheitsorgane seien vertretbar vom Vorliegen ausreichender Verdachtsmomente für eine Festnahme aus eigener Macht ausgegangen. In der Folge seien zahlreiche Erhebungen und Einvernahmen notwendig gewesen, für der Behörde vorwerfbare Verzögerungen lägen keine Anhaltspunkte vor. Gegen die Dauer der Anhaltung im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien bestünden somit keine Bedenken. Die Haft innerhalb der Justizanstalt liege dagegen nicht im Verantwortungsbereich der Bundespolizeidirektion Wien. Die dagegen gerichtete Beschwerde sei somit als unzulässig zurückzuweisen gewesen, da die Maßnahmenbeschwerde auch im Hinblick auf diesen Zeitraum gegen die Bundespolizeidirektion Wien und nicht gegen die Staatsanwaltschaft Wien, welche die Einlieferung in die Justizanstalt veranlasst habe, gerichtet gewesen sei. Der Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung habe sich der Beschwerdeführer iSd § 65 Abs. 4 SPG freiwillig unterzogen. Zwangsmaßnahmen hätten diesbezüglich nicht festgestellt werden können. Auf Basis der angenommenen Delikte lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen für die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht vorgelegen seien. Der Zeitpunkt der Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung unmittelbar vor Übergabe an die Justizanstalt begegne keinen Bedenken. Das Anlegen von Handfesseln sei im Sinne der Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes zur Vereitelung eines Fluchtversuches und Verhinderung von Gewalt erfolgt, es sei ein Fluchtversuch zu besorgen gewesen und es habe eine Gefährdung wegen Aggression vorgelegen. Diese Maßnahme sei auf die Überstellung des Beschwerdeführers in das Kommissariat beschränkt gewesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 416/05, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zu I.:

1. Zur Rechtslage:

Die Bestimmungen der Strafprozessordnung 1975 , BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I Nr. 134/2002 (StPO), auf welche die Bundespolizeidirektion Wien die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers stützte, lauten (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem Strafprozessreformgesetz 2004) auszugsweise:

"§ 175. (1) Auch ohne vorangegangene Vorladung kann der Untersuchungsrichter die Vorführung oder vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen anordnen:

1. wenn der Verdächtige auf frischer Tat betreten oder unmittelbar nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt oder mit Waffen oder anderen Gegenständen betreten wird, die vom Verbrechen oder Vergehen herrühren oder sonst auf seine Beteiligung daran hinweisen;

2. wenn er flüchtig ist oder sich verborgen hält oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten;

3. wenn er Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde dies versuchen; oder

4. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde eine strafbare Handlung begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete, oder er werde die ihm angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Z 5 StGB) ausführen.

(...)

§ 177. (1) Ausnahmsweise kann die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter auch durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden:


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1.
in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 1 sowie
2.
in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 2 bis 4 und Abs. 2, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

(2) Der Festgenommene ist unverzüglich zur Sache sowie zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und, wenn sich dabei ergibt, daß kein Grund zur weiteren Anhaltung vorhanden ist, sogleich freizulassen. Ist jedoch die weitere Anhaltung des Festgenommenen erforderlich, so ist er ohne unnötigen Aufschub, längstens aber binnen 48 Stunden nach der Festnahme dem zuständigen Gericht einzuliefern. In diesem Fall ist rechtzeitig der Staatsanwalt zu verständigen; erklärt dieser, daß er keinen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft stellen werde, so ist der Festgenommene sogleich freizulassen.

(3) Die Einlieferung des Verdächtigen bei Gericht darf nicht erfolgen, wenn der Zweck der weiteren Anhaltung durch die vorläufige Abnahme der Reisepapiere oder der zur Führung eines Fahrzeuges erforderlichen Papiere (§ 180 Abs. 5 Z 5 und 6) erreicht werden kann. In diesem Fall hat die Sicherheitsbehörde, sofern der Staatsanwalt dem zustimmt, unverzüglich die Papiere abzunehmen und den Verdächtigen freizulassen. Die Papiere sind dem Staatsanwalt mit den Erhebungsergebnissen binnen 48 Stunden nach der Festnahme zu übermitteln. Über die Aufrechterhaltung dieser gelinderen Mittel entscheidet der Untersuchungsrichter mit Beschluß.

(4) Festnahme und Anhaltung nach Abs. 1 und 2 sind nicht zulässig, soweit sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen."

Die relevanten Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969 , BGBl. Nr. 149/1969 idF BGBl. I Nr. 146/1999 (WaffGG), lauten auszugsweise:

"§ 2. Organe der Bundespolizei, der Bundesgendarmerie und der Gemeindewachkörper dürfen in Ausübung des Dienstes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes von Dienstwaffen Gebrauch machen:


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1.
im Falle gerechter Notwehr;
2.
zur Überwindung eines auf die Vereitlung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes;
3.
zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme;
4.
zur Verhinderung des Entkommens einer rechtmäßig festgehaltenen Person;
5.
zur Abwehr einer von einer Sache drohenden Gefahr.
(...)

§ 4. Der Waffengebrauch ist nur zulässig, wenn ungefährliche oder weniger gefährliche Maßnahmen, wie insbesondere die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, die Androhung des Waffengebrauches, die Verfolgung eines Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft oder verfügbare gelindere Mittel, wie insbesondere Handfesseln oder technische Sperren, ungeeignet scheinen oder sich als wirkungslos erwiesen haben.

(...)

§ 6. (1) Zweck des Waffengebrauches gegen Menschen darf nur sein, angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen. In den Fällen des § 2 Z. 2 bis 5 darf der durch den Waffengebrauch zu erwartende Schaden nicht offensichtlich außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen.

(2) Jede Waffe ist mit möglichster Schonung von Menschen und Sachen zu gebrauchen. Gegen Menschen dürfen Waffen nur angewendet werden, wenn der Zweck ihrer Anwendung nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann."

2. Zur Dauer der Anhaltung "im Verwahrungsbereich" der Bundespolizeidirektion Wien:

Nach der insoweit unstrittigen Aktenlage wurde der Beschwerdeführer am um 21.10 Uhr unter Berufung auf § 177 Abs. 1 Z. 1 iVm § 175 Abs. 1 Z. 1 StPO festgenommen und im Anschluss daran im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien bis zum um 19.20 Uhr angehalten. Die belangte Behörde begründete ihre Auffassung, diese Dauer der Anhaltung sei im Hinblick auf § 177 Abs. 2 StPO nicht zu beanstanden, im Wesentlichen damit, dass (auch) der Beschwerdeführer vom "Haupttäter" des Einbruchsdiebstahls der Mittäterschaft an einem Einbruchsdiebstahl beschuldigt worden sei, was zu weiteren, zeitaufwändigen Erhebungen geführt habe.

Damit hat die belangte Behörde verkannt, dass der Haftgrund des § 175 Abs. 1 Z. 1 iVm § 177 Abs. 1 Z. 1 StPO gegenüber dem Beschwerdeführer nicht hinsichtlich des Verdachtes der Mittäterschaft an einem Einbruchsdiebstahl vorgelegen hat, sondern nur hinsichtlich des vom Zeugen L der Polizei gemeldeten Vorfalles, der Beschwerdeführer habe ihn und einen weiteren Zeugen daran gehindert, einen mutmaßlichen Einbrecher bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Bei einer möglichen Mittäterschaft an der Begehung eines Einbruchsdiebstahls wurde der Beschwerdeführer weder auf frischer Tat betreten noch unmittelbar nach Begehung glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt. Eine Bezichtigung der Mittäterschaft durch den mutmaßlichen "Haupttäter" - dessen Einvernahme erfolgte nach dem Akteninhalt überdies erst am Vormittag des und nach der Vernehmung des Beschwerdeführers - mehr als 13 Stunden nach der Tat stellt keine glaubwürdige Beschuldigung unmittelbar nach der Tatbegehung dar. Den Angaben des Zeugen L ist eine solche Beschuldigung - hinsichtlich des Verdachtes der Mittäterschaft an einem Einbruchsdiebstahl - nicht zu entnehmen; der entsprechende Tatverdacht wurde den Feststellungen der belangten Behörde zufolge darauf auch nicht gestützt.

Soweit die Bundespolizeidirektion Wien die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers daher (auch) auf den Verdacht der Mittäterschaft an einem Einbruchsdiebstahl stützte, kämen dafür nur die Haftgründe gemäß § 175 Abs. 1 Z. 2 bis 4 iVm § 177 Abs. 1 Z. 2 StPO in Frage. Wollte die Sicherheitsbehörde die (weitere) Anhaltung allerdings auf einen anderen als den Haftgrund des § 175 Abs. 1 Z. 1 iVm § 177 Abs. 1 Z. 1 StPO stützen, so hätten sie einen solchen gegenüber dem Beschwerdeführer ausdrücklich in Anspruch nehmen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/01/0489, mwH) sowie dessen weitere Voraussetzungen beachten müssen. In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb nach einer etwaigen Begründung des Verdachts auf Beteiligung des (zu diesem Zeitpunkt in Haft befindlichen) Beschwerdeführers am Einbruchsdiebstahl im Laufe der polizeilichen Ermittlungen - sowie bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte für einen der in § 175 Abs. 1 Z. 2 bis 4 StPO genannten Haftgründe - die Einholung eines richterlichen Befehls wegen Gefahr in Verzug nicht tunlich gewesen wäre (zur Tunlichkeit der Einholung eines richterlichen Befehls vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/01/0254, mwH).

Die vorgenommenen Ermittlungen hinsichtlich des Einbruchsdiebstahls und weiterer dem gleichzeitig festgenommenen Verdächtigen S (auch S) zur Last gelegter Delikte können somit das Andauern der Anhaltung des Beschwerdeführers nicht rechtfertigen. Der Beschwerdeführer wäre während der auf § 175 Abs. 1 Z. 1 iVm § 177 Abs. 1 Z. 1 StPO gestützten Anhaltung gemäß § 177 Abs. 2 StPO (ausschließlich) zu dem seiner Festnahme zu Grunde liegenden Verdacht zu vernehmen gewesen. Die nach dem Gesetz unverzüglich zu erfolgende Vernehmung des Beschwerdeführers konnte somit nur durch die - den Verwaltungsakten zufolge am um 22.55 Uhr beendete - Befragung des Zeugen L verzögert werden, nicht jedoch durch die notwendigen Ermittlungen zum Einbruchsdiebstahl. Eine Einvernahme des Zeugen M, der den Sicherheitsorganen gegenüber am Abend des telefonisch erklärte, unabkömmlich zu sein und erst am folgenden Vormittag zur Einvernahme zur Verfügung zu stehen, ist den Verwaltungsakten zufolge im weiteren Verlauf nicht durchgeführt worden, wurde also zur Klärung des der Festnahme des Beschwerdeführers zugrunde liegenden Sachverhaltes offensichtlich nicht als notwendig erachtet.

Im Ergebnis wäre der Beschwerdeführer somit noch am Abend des unmittelbar nach Aufnahme der Niederschrift mit dem Zeugen L zum seiner Festnahme zugrunde liegenden Vorfall einzuvernehmen und in der Folge zu enthaften gewesen (zum Erfordernis, einen in den Abendstunden Festgenommenen regelmäßig noch vor Mitternacht einzuvernehmen, vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/01/1071, mwH).

Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Reichweite des in Anspruch genommenen Haftgrundes verkannt hat, ist der angefochtene Bescheid, soweit damit die Beschwerde gegen die Dauer der Anhaltung des Beschwerdeführers "im Verwahrungsbereich" der Bundespolizeidirektion Wien über den hinaus als unbegründet abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die ab rechtswidrige Anhaltung des Beschwerdeführers auch nach der Kontaktaufnahme der Sicherheitsbehörde mit dem zuständigen Journalstaatsanwalt, in dem dieser gemäß § 177 Abs. 2 StPO einen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft "in Aussicht stellte", der Bundespolizeidirektion Wien zuzurechnen bleibt. Eine solche Erklärung des Staatsanwaltes ist zwar im Rahmen der Zulässigkeit einer weiteren Anhaltung insofern zu beachten, als bei ihrem Fehlen der Festgenommene jedenfalls sogleich freizulassen ist, sie kann einen richterlichen Haftbefehl jedoch nicht ersetzen und ändert deshalb nichts an der Verantwortung der Sicherheitsbehörde für die Anhaltung des Beschwerdeführers bis zur Einlieferung bei Gericht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/1166).

3. Zum Anlegen von Handfesseln:

Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unterliegt die Anwendung von Körperkraft im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnisse denselben grundsätzlichen Einschränkungen wie der im WaffGG geregelte Waffengebrauch. Sie muss demnach für ihre Rechtmäßigkeit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen und darf nur dann Platz greifen, wenn sie notwendig ist, um Menschen angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen (vgl. § 6 Abs. 1 WaffGG) und Maß haltend vor sich geht; es darf jeweils nur das gelindeste Mittel, das zum Erfolg, also etwa zur Abwehr eines Angriffes, führt, angewendet werden. Dies gilt auch für das Anlegen von Handfesseln (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/09/0040, mwH).

Als Gründe für das Anlegen von Handfesseln wurden von der belangten Behörde ein vorhandenes Aggressionspotenzial und die Verhinderung eines Fluchtversuches angeführt. Begründet wird dies mit dem Verhalten des Beschwerdeführers und seiner Begleiter gegenüber den Zeugen L und M, wonach diese den M weggestoßen, zur Befreiung des mutmaßlichen Einbrechers S "die Hunde auf die Aufforderer los gelassen" und sich danach vom Ort dieses Vorfalles entfernt hätten. Soweit die belangte Behörde bereits darin die Rechtfertigung für das Anlegen von Handfesseln bei der Festnahme sieht, ist ihr zu entgegnen, dass die Befugnis zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen iSd § 2 iVm §§ 4 und 6 WaffGG streng zweckgebunden zur Erzwingung einer Festnahme bzw. zur Abwehr eines Angriffes oder eines Widerstandes ist. Ein (gelinderes) Mittel muss im Zeitpunkt seiner Anwendung notwendig und zweckmäßig zum angestrebten Ziel sein.

Dass der Beschwerdeführer aber bei der Festnahmehandlung versucht hat zu flüchten bzw. Aggressionshandlungen gegenüber den einschreitenden Polizisten gesetzt hat, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Die rudimentären Feststellungen zur Festnahmesituation, wonach die anwesenden Hunde ein "Gefahrenpotenzial" dargestellt hätten, vermögen die Wertung der Fesselung des Beschwerdeführers als notwendig, zweckmäßig und Maß haltend im Sinne der dargestellten Rechtsprechung schon deshalb nicht zu tragen, da offen bleibt, in welcher Weise die Fesselung des Beschwerdeführers diesem Gefahrenpotenzial entgegenwirken hätte können. Ebenso wenig legt die belangte Behörde dar, aus welchen Gründen bereits aus der präsumtiven Tathandlung bzw. aus dem Entfernen vom mutmaßlichen Tatort vor Eintreffen der Polizei auf die Aggressions- bzw. Fluchtbereitschaft des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Festnahme geschlossen werden konnte.

Die belangte Behörde hat daher insofern die Rechtslage verkannt, was zur Aufhebung des diesbezüglichen, die Beschwerde abweisenden Abspruches des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes führt.

4. Zur Kostenentscheidung der belangten Behörde:

Nach dem Gesagten kann auf Grund der (teilweisen) Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch die gemäß § 79a AVG getroffene Kostenentscheidung keinen Bestand haben, weshalb der angefochtene Bescheid auch in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

5. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft in Ansehung des übrigen Inhaltes des angefochtenen Bescheides keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen. Wien, am