VwGH vom 25.03.2014, 2013/04/0143
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, Hofrat Dr. Kleiser sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Dkfm. P H in W, vertreten durch Dr. Clemens Oppolzer, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Albertgasse 33, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 04/G/6/6021/2013-4, betreffend Übertretung der GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der H H GmbH mit Sitz in W. Die GmbH ist seit im Besitz einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Konditor (Zuckerbäcker) einschließlich Kuchenbäcker und der Kanditen-, Gefrorenes- und Schokoladewarenerzeuger gemäß § 94 Z 39 GewO 1973". Dieses Gewerbe wurde 1988 ruhend gemeldet.
2. Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H H GmbH der Übertretung der §§ 367 Z 1 iVm 39 Abs. 4 und § 9 Abs. 2 GewO 1994 für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von EUR 210,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag 11 Stunden) verhängt, weil er es zu verantworten habe, dass die H H GmbH das Gewerbe "Konditor (Zuckerbäcker) einschließlich Kuchenbäcker und der Kanditen-, Gefrorenes- und Schokoladenwarenerzeuger gemäß § 94 Z 39 GewO 1973" am Standort W zumindest am ausgeübt habe, ohne nach dem am erfolgten Ausscheiden des letzten gewerberechtlichen Geschäftsführers und daran anschließender Ruhendmeldung die Anzeige über die Bestellung eines (neuen) Geschäftsführers erstattet zu haben.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. In ihrer Begründung führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufs aus, es sei aufgrund der Anzeige und der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass die H H GmbH im inkriminierten Zeitraum das Gewerbe "Konditor (Zuckerbäcker) einschließlich Kuchenbäcker und der Kanditen-, Gefrorenes- und Schokoladenwarenerzeuger gemäß § 94 Z 39 GewO 1973" ausgeübt habe. Unbestritten seien in der Backstube Backwaren hergestellt worden, welche von der H H GmbH im Rahmen des von ihr betriebenen Gastgewerbes in der Betriebsart "Imbissstube" angeboten würden. Bereits die Herstellung von Backwaren zum nachfolgenden Verkauf an Gäste in den firmeneigenen Filialen erfülle den Tatbestand der Ausübung des Konditorgewerbes. Das Herstellen von Torten finde in der Gewerbeberechtigung des Gastgewerbes in der Form einer Imbissstube keine Deckung.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:
5.1. Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
5.2. Die Beschwerde verweist - ebenso wie bereits die Berufung - darauf, dass die H H GmbH auf der Grundlage ihres "Konzessionsdekretes vom " am Standort in W das Gastgewerbe in der Betriebsart einer Imbissstube ausübe. Diese Gewerbeberechtigung berechtige die Inhaberin sowohl zur Verabreichung von Speisen jeder Art und als auch zur Zubereitung dieser Speisen, wobei die Art der Zubereitung keine Rolle spiele. Das durchaus umfangreiche Speisenangebot werde durch das Angebot von Desserts - zum überwiegenden Teil Mehlspeisen - abgerundet, welche wegen des am Standort W herrschenden Platzmangels an dem weiteren Standort der H H GmbH in W hergestellt würden. Die - ausgelagerte - Herstellung der im Gastgewerbebetrieb der H H GmbH angebotenen Backwaren finde in deren aufrechter Gastgewerbeberechtigung Deckung. Hingegen werde das ruhend gemeldete Konditorgewerbe seit dem Jahr 1988 nicht mehr ausgeübt. Die allfällig notwendige Anmeldung einer weiteren Betriebsstätte sei lediglich versehentlich unterlassen worden. Der angefochtene Bescheid enthalte weder Feststellungen zu Art und Umfang der Gewerbeberechtigung der H H GmbH noch zum inkriminierten Verhalten selbst.
5.2.1. Gemäß § 29 GewO 1994 ist für den Umfang der Gewerbeberechtigung der Wortlaut der Gewerbeanmeldung (§ 339) oder des Bescheides gemäß § 340 Abs. 2 im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend. Im Zweifelsfalle sind die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfanges der Gewerbeberechtigung heranzuziehen (§ 29 zweiter Satz GewO 1994).
5.2.2. Der angefochtene Bescheid enthält trotz des Vorbringens des Beschwerdeführers, die Herstellung der Backwaren erfolge ausschließlich für den Vertrieb im Rahmen des von der H H GmbH ausgeübten Gastgewerbes und sei daher von der aufrechten Gastgewerbeberechtigung des Unternehmens gedeckt, weder Feststellungen zur tatsächlich von der H H GmbH geübten Vertriebsweise betreffend die unstrittigerweise in W hergestellten Backwaren noch zum Inhalt der - der ins Treffen geführten Gastgewerbeberechtigung zugrunde liegenden - Gewerbeanmeldung der H H GmbH. Die belangte Behörde hat vielmehr offenkundig ausgehend von der vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht (vgl. zum Begriff der Imbissstube das hg. Erkenntnis vom , 0725/64), eine Gastgewerbeberechtigung in der Betriebsart einer Imbissstube umfasse keinesfalls die Herstellung von Torten und ähnlichen Backwaren, jegliche Feststellungen unterlassen, welche die Beurteilung des Umfangs der Gewerbeberechtigung der H H GmbH unter Heranziehung der in § 29 GewO 1994 angeführten Parameter erlauben. Eine Imbissstube ist eine besondere Betriebsform des Gast- und Schankgewerbes, die ihrem Wesen nach einem Buffet zwar ähnelt, sich davon aber dadurch unterscheidet, dass sie vornehmlich den Bedürfnissen eines anspruchsvolleren Publikums zu dienen bestimmt ist, wobei sie sich von den sonst auf rasche Abfertigung der Gäste eingestellten Gaststätten durch die Reichhaltigkeit des Warengebotes an kleinen Speisen abhebt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1833/69). Der Wortlaut "Verabreichung von Speisen in einfacher Art" im § 111 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 bedeutet nicht, dass das Speisenangebot in dieser Hinsicht beschränkt ist. Vielmehr muss nur die Art der Verabreichung einfacher Art sein ( Grabler/Stolzlechner/Wendl , Kommentar zur GewO3, § 111 Rz 20). Das Speisenangebot einer Imbissstube kann daher durchaus auch Backwaren umfassen. Die (bloß) festgestellte Erzeugung von Waren, deren Herstellung auch der Ausübung des Konditorgewerbes zugeordnet werden kann, lässt per se daher nicht die Schlussfolgerung zu, es handle sich bei der festgestellten Tätigkeit um eine solche, die keinesfalls im Rahmen der Ausübung eines Gastgewerbebetriebes in der Betriebsart Imbissstube erfolgen könne.
5.2.3. Ebenso fehlen Feststellungen zu der in der Backstube in W tatsächlich ausgeübten Tätigkeit, um beurteilen zu können, ob die H H GmbH in W - entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers - eine über das von ihr ausgeübte Gastgewerbe hinausgehende Gewerbetätigkeit - namentlich das Konditorgewerbe - entfaltet, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere der Frage des tatsächlichen Vertriebs der hergestellten Backwaren Bedeutung zuzumessen ist.
Die (beweiswürdigenden) Erwägungen im erstinstanzlichen Straferkenntnis, wonach die unterlassene Anmeldung einer weiteren Betriebsstätte durch die H H GmbH, welche im Übrigen allenfalls unter den Tatbestand des § 367 Z. 16 GewO zu subsumieren wäre, dafür spreche, dass diese selbst den Standort in W nicht (bloß) als eine weitere Betriebsstätte angesehen habe, kann die mangelnde Feststellung der Tatsachen, welche die rechtliche Schlussfolgerung einer gewerbsmäßigen Ausübung des Konditorgewerbes erlaubten, nicht substituieren.
5.3. Unterlässt die Behörde ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht die zur Beurteilung eines Sachverhalts relevanten Tatsachenfeststellungen, so liegt ein sekundärer Verfahrensmangel vor.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am