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VwGH vom 15.03.2010, 2006/01/0087

VwGH vom 15.03.2010, 2006/01/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des A K in Wien, geboren am , vertreten durch Mag. Helmut Rieger, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Siebensterngasse 42-44/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 266.215/0- XIV/39/05, betreffend §§ 5, 5a Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus dem Kosovo stammender Staatsangehöriger von (damals) Serbien und Montenegro, stellte am einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unzulässig zurück, stellte fest, dass gemäß Art. 13 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin-Verordnung) für die Prüfung des Asylantrages Deutschland zuständig sei und wies den Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet dorthin aus. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen. In der Begründung des Bescheides ging das Bundesasylamt auf die Frage, ob medizinisch belegbare Tatsachen im Sinne des § 24b Abs. 1 AsylG vorliegen würden, nicht ein; der Beschwerdeführer war im Zulassungsverfahren auch keiner ärztlichen Untersuchung unterzogen worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, er habe in der Erstaufnahmestelle bei einem kurzen Gespräch mit einem Arzt mitgeteilt, dass er unter Depressionen leide. Weitere Untersuchungen seien nicht durchgeführt und seine gesundheitliche Situation sei nicht berücksichtigt worden. Er habe nunmehr am ein Attest seines Arztes in Deutschland, bei dem er mehrere Monate in Behandlung gewesen sei, erhalten, aus welchem hervorgehe, dass er unter einer "Posttraumatischen Belastungsstörung" leide. Der Berufung war ein mit datiertes Attest eines deutschen "Nervenarztes" angeschlossen, demzufolge der Beschwerdeführer an einer "Posttraumatischen Belastungsreaktion" leide, die mit Ängsten, Depressionen, Schlafstörungen und Albträumen einhergehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß §§ 5 Abs. 1, 5a AsylG ab. Sie hielt den oben wiedergegebenen Berufungsausführungen Folgendes entgegen:

"Der erstmal in den schriftlichen Berufungsausführungen enthaltene Hinweis auf eine Posttraumatische Belastungsstörung stellt im Verfahren eine unzulässige Neuerung dar, zumal im gegenständlichen Fall keine der Voraussetzungen der in § 32 Abs. 1 AsylG vorgesehenen Ausnahmetatbestände erfüllt ist, sich diesbezüglich kein(e) Anhaltspunkte ergeben haben und auch der Berufungswerber selbst solche nicht aufgezeigt hat. Vielmehr hatte der Berufungswerber durchaus die Möglichkeit, dieses Vorbringen bereits im erstinstanzlichen Verfahren zu erstatten, und muss daher davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber das Asylverfahren durch seine Vorgangsweise missbräuchlich zu verlängern oder zu verzögern versucht hat. Letztlich bleibt noch festzuhalten, dass das medizinische Gutachten von einem deutschen Nervenarzt am , somit vor mehr als 12 Monaten erstattet wurde."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Gemäß § 24b Abs. 1 AsylG (in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101) ist das Asylverfahren zuzulassen, wenn sich in der Ersteinvernahme oder einer weiteren Einvernahme im Zulassungsverfahren (§ 24a) medizinisch belegbare Tatsachen ergeben, die die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber Opfer von Folter oder durch die Geschehnisse in Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert sein könnte.

2. Zur Auslegung dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/19/0497, die hg. Judikatur in ihren wesentlichen Aussagen zusammengefasst. Auf diese Entscheidung wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof teilt demnach die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht, die in der Berufung aufgestellte Behauptung einer Traumatisierung unterliege dem Neuerungsverbot des § 32 Abs. 1 AsylG, nicht (vgl. dazu das in Punkt 1.6. des Erkenntnisses vom zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/19/0675, sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/23/0256, und , Zl. 2006/19/1274).

4. Angesichts des Berufungsvorbringens, das durch ein (wenn auch älteres) ärztliches Attest gestützt wurde, hätte die belangte Behörde daher jedenfalls im Berufungsverfahren eine fachkundige Beurteilung dahingehend, ob medizinisch belegbare Tatsachen im Sinne des § 24b Abs. 1 AsylG vorliegen, einholen müssen (vgl. dazu insbesondere die Punkte 1.4. und 1.6. des zitierten Erkenntnisses vom ).

5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am