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VwGH vom 11.11.2015, 2013/04/0112

VwGH vom 11.11.2015, 2013/04/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde 1. des Mag. B R, 2. des J R, 3. des F G, 4. des F G-E,


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5.
des Ing. R R, 6. der H T 7. des F T 8. des G D, 9. der S T,
10.
der G S 11. des P S 12. des H H, 13. des J D, 14. der M A,
15.
des G A, 16. des F S 17. der W S 18. des R S und
19.
der B Z, alle in H, alle vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-09-0175, betreffend Bewilligung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft; mitbeteiligte Partei: D GmbH in H, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat, den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A vom wurde der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Änderung einer bestehenden Betriebsanlage durch die Erweiterung der Kompostieranlage erteilt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde den gegen diese Bewilligung erhobenen Berufungen der beschwerdeführenden Parteien keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit einer Maßgabe betreffend den Wortlaut der Projektbeschreibung bestätigt.

In ihrer Begründung gab die belangte Behörde - soweit ersichtlich jeweils auszugsweise - das Schreiben der mitbeteiligten Partei vom , den Inhalt des Protokolls betreffend die mündliche Verhandlung vom , das Gutachten des lärmtechnischen Sachverständigen Ing. O, die luftreinhaltetechnischen Gutachten des DI E und des Ing. S, das medizinische Gutachten des Amtssachverständigen Dr. J vom , den Antrag der beschwerdeführenden Parteien vom , ein Schreiben der erstbeschwerdeführenden Partei vom , die Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen vom und schriftliche Erläuterungen des luftreinhaltetechnischen Sachverständigen wörtlich wieder.

In rechtlicher Hinsicht bejahte die belangte Behörde die Parteistellung der nunmehr beschwerdeführenden Parteien und hielt fest, dass sämtliche ursprünglichen Einwendungen inhaltlich berechtigt gewesen seien. Die Einschränkung des Genehmigungsantrages führe jedoch dazu, dass die Genehmigung nicht versagt werden könne. Eine vertiefende Auseinandersetzung zum Beweiswert der divergierenden luftreinhaltetechnischen Gutachten erübrige sich, weil dem medizinischen Gutachten folgend im Ergebnis alle luftreinhaltetechnischen Gutachten zu einer positiven Beurteilung führen würden. Alleine aus der im Berufungsverfahren erfolgten Reduzierung der Durchsatzmenge und der Implementierung zahlreicher Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Geruchssituation bei den Nachbarn führen würde, sei unschwer erkennbar, dass das Änderungsprojekt zu keiner Vergrößerung der Geruchsimmissionen im Vergleich zu dem bisherigen Genehmigungskonsens führen könne. Zudem sei aus rechtlichen Gründen davon auszugehen, dass selbst bei einem allfälligen negativen medizinischen Gutachten die Genehmigung nicht versagt werden könne. Aus diesem Grund werde dem Fristverlängerungsantrag der Berufungswerber zur Erstattung eines medizinischen Gegengutachtens nicht stattgegeben. Zudem sei den Berufungswerbern eine Frist von zwei Wochen eingeräumt worden, die sich vor dem Hintergrund, dass auch ein medizinisches Gutachten mit höherem Beweiswert zu keinem anderen Ergebnis führen würde, als ausreichend erachtet werde.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

4.2. Die Beschwerde bringt unter anderem vor, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei grob widersprüchlich. Einerseits berufe sich die belangte Behörde darauf, dass sich durch die Anlagenänderung das Emissionsverhalten der Betriebsanlage nicht ändere; andererseits verweise sie auf das eingeholte Gutachten des medizinischen Sachverständigen, der zum Ergebnis gelange, dass die "änderungsbedingten Zusatzbelastungen" durch Geruch als umweltverträglich zu beurteilen seien. Anhand der Bescheidbegründung sei nicht ersichtlich, auf Grundlage welcher Ermittlungsergebnisse und aufgrund welcher rechtlichen Überlegungen die belangte Behörde ihre Berufungsentscheidung getroffen habe. Dadurch seien die beschwerdeführenden Parteien an der Verfolgung ihrer Rechte gehindert.

4.3. Nach § 58 Abs. 2 und § 60 in Verbindung mit § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/06/0201, mit Verweis auf die bei Hauer/Leukauf , Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Entscheidung 8 zu § 67 AVG und Entscheidungen 1 bis 9 zu § 60 AVG nachgewiesene Rechtsprechung; vgl. auch Hengstschläger/Leeb , AVG, § 60 Rz 6 mit Verweisen auf die Rechtsprechung). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0201).

4.3.1. Den dargestellten Begründungsanforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht: Diesem ist nicht zu entnehmen, welche Tatsachen die belangte Behörde aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens als erwiesen annahm und der rechtlichen Beurteilung zugrunde legte. Die bloße Wiedergabe des Inhalts von Aktenbestandteilen wie Schriftsätzen, Gutachten und Verfahrensprotokollen, kann fallbezogen die erforderliche Darstellung des Sachverhalts, den die Behörde nach Abwägung der Beweisergebnisse als erwiesen festzustellen hat, nicht ersetzen. Schon mangels erkennbarer Darstellung des als erwiesen angenommenen Sachverhalts, der den Ausgangspunkt der Subsumtion unter die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen bilden muss, entzieht sich der angefochtene Bescheid - insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen dreier luftreinhaltetechnischer Gutachten, die jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, - einer möglichen Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.

4.3.2. Zudem zeigt die Beschwerde zu Recht auf, dass die Bescheidbegründung widersprüchlich ist:

So führt die belangte Behörde in den Erwägungen aus, die vorliegenden luftreinhaltetechnischen Gutachten würden sich im Wesentlichen dadurch unterscheiden, dass sie von unterschiedlich hohen zusätzlichen Geruchsbelastungen ausgingen. Damit im Widerspruch steht aber die - nicht näher begründete - Annahme der belangten Behörde, es sei "unschwer erkennbar, dass das nunmehr modifizierte Änderungsprojekt zu keiner Vergrößerung der Geruchsimmissionen bei den Nachbarn im Vergleich zum bisher rechtskräftig genehmigten Konsens führt".

Ob gegenständlich von einem Fall des § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994, auf welchen sich die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung bezieht, auszugehen ist, kann mangels hierfür notwendiger Tatsachenfeststellungen betreffend das geänderte Emissionsverhalten der Betriebsanlage nicht beurteilt werden (die von der belangten Behörde angeführten luftreinhaltetechnischen Gutachten sprechen von einer zusätzlichen Geruchsbelastung und daher gegen die Annahme, dass sich das Emissionsverhalten der Betriebsanlage nicht geändert habe).

Schon aus diesem Grund ist auch die Begründung der belangten Behörde, auch bei einem allfälligen negativen medizinischen Gutachten könnte die Genehmigung nicht versagt werden, nicht tragfähig. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 leg. cit. jedenfalls nicht gegeben ist (vgl. zu diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/04/0002, mwN) und eine Genehmigung daher nicht zu erteilen ist (vgl. zur Anzeige dieser Änderungen § 81 Abs. 3 leg. cit.).

4.4. Da sich die Begründung des angefochtenen Bescheides als nicht tragfähig erwies, war dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

4.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-79135