VwGH vom 23.05.2014, 2013/04/0105

VwGH vom 23.05.2014, 2013/04/0105

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Mag. E S in W, vertreten durch Mag. Hans Harald Lepsinger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 13/3. Stock, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. 10669-2011, betreffend Suspendierung gemäß § 99 Abs. 1 Z 2 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gemäß § 99 Abs. 1 Z 2 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) vorläufig untersagt.

In der Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf den (durch den angefochtenen Bescheid bestätigten) erstinstanzlichen Bescheid der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom (richtig: ) und gab diesen sowie die dagegen erhobene Berufung weitgehend wieder. Nach Darstellung der maßgebenden Rechtsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei im Jahr 1983 zum Steuerberater und im Jahr 1991 zum Wirtschaftsprüfer bestellt worden und sei ordentliches Mitglied der Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Unbestritten sei dem Beschwerdeführer mit rechtskräftiger Anklageschrift der Staatsanwaltschaft W vom zur Last gelegt worden, dass er als Geschäftsführer der K. GmbH vorsätzlich in mehrfachen Tathandlungen unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung nachangeführter Abgaben bewirkt habe, und zwar

"A. dadurch, dass infolge Abgabe von unrichtigen Steuererklärungen samt zugehörigen Bilanzen Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden:


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Umsatzsteuer 1991
EUR
15.203,00
Umsatzsteuer 1992
EUR
17.610,00
Umsatzsteuer 1993
EUR
134.075,06
Körperschaftssteuer 1991
EUR
51.814,28
Körperschaftssteuer 1992
EUR
62.272,62
Körperschaftssteuer 1993
EUR
259.446,38
Gewerbesteuer 1991
EUR
24.176,94
Gewerbesteuer 1992
EUR
28.881,13
Gewerbesteuer 1993
EUR
117.609,21

B. dadurch, dass er die Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr unterließ, eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer für verdeckte Gewinnausschüttungen bewirkte:


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Kapitalertragsteuer 1991
EUR
46.355,75
Kapitalertragsteuer 1992
EUR
43.902,17
Kapitalertragsteuer 1993
EUR
91.590,35"

Weiter sei unbestritten, dass diese Anklage in der Hauptverhandlung vom ausgedehnt worden sei, und zwar betreffend betrügerische Krida gemäß § 156 Abs. 1 und 2 iVm § 161 StGB. Strittig sei die Rechtswirksamkeit dieser Ausdehnung der Anklage, weil der Beschwerdeführer der Ausdehnung in der Hauptverhandlung widersprochen habe.

Ausgehend davon gelangte die Behörde in der rechtlichen Beurteilung zur Rechtsansicht, dass die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 Z 2 WTBG für die vorläufige Untersagung eines Wirtschaftstreuhandberufes vorlägen, weil es sich bei dem in der Anklage genannten Delikt der Abgabenhinterziehung um ein gerichtlich strafbares Finanzvergehen im Sinn der letztgenannten Bestimmung handle. Außerdem stelle die betrügerische Krida ein mit Vorsatz begangenes und mit mehr als dreimonatiger Freiheitsstrafe bedrohtes Delikt mit Bereicherungsvorsatz dar. Damit lägen die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 Z 2 WTBG vor.

In einem solchen Fall sei von der Suspendierung gemäß § 99 Abs. 2 WTBG dann abzusehen, wenn die ordnungsgemäße Berufsausübung nicht gefährdet wäre. Diese Voraussetzung sei jedoch im Fall des Beschwerdeführers aus folgenden Gründen nicht erfüllt:

Von der Nichtgefährdung der ordnungsgemäßen Berufsausübung iSd § 99 Abs. 2 WTBG sei nur dann auszugehen, wenn das Vertrauen der Klienten bzw. Treugeber in eine korrekte, gesetzeskonforme Ausübung des Berufes bzw. der Treuhandschaft durch die nach der Anklage zur Last liegenden Tathandlungen nicht beeinträchtigt würde. Dabei komme es auf die jeweilige konkrete Tathandlung an, wobei nur solche Tathandlungen, die in Beziehung zur ausgeübten Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder stünden, geeignet seien, die ordnungsgemäße Berufsausübung gefährdet erscheinen zu lassen.

Fallbezogen sei es unzweifelhaft, dass die dem Beschwerdeführer durch die Anklage der Staatsanwaltschaft W zur Last liegenden Tathandlungen einen Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit hätten und in ihrer Art und Schwere eine besonders grobe Rechtsverletzung darstellten.

Abgesehen davon könne von einer ordnungsgemäßen Berufsausübung iSd § 99 Abs. 2 WTBG auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Beschwerdeführer nach der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und somit trotz verfügter Suspendierung ein Verhalten contra legem gesetzt habe, indem er die nachstehende Generalvollmacht unterzeichnet habe:

"Ich, Mag. K. bin Alleinaktionär der A. Steuerberatungs AG,

... W, M. Straße ..., eingetragen beim Handelsgericht W unter

FN ... Ich erteile hiermit die Generalvollmacht an

(Name des Beschwerdeführers)

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

(Geburtsdatum und Adresse des Beschwerdeführers)

1. Herr (Beschwerdeführer) war im Zeitraum vom

bis Vorstand der A. Steuerberatungs AG. Aus

berufsrechtlichen Gründen war es erforderlich, diesen von dieser

Funktion abzuberufen.

2. Herr (Beschwerdeführer) wurde mit Beschluss des

Alleinaktionärs vom zum Aufsichtsratmitglied bestellt,

wobei er als weiteres 4. Aufsichtsratmitglied berufen wurde.

3. Im Sinne dieser Generalvollmacht hat der

Bevollmächtigte sämtliche Rechte und Pflichten eines Vorstandes

einer Aktiengesellschaft ohne in die Vorstandsfunktion berufen zu

sein.

4. Er hat insbesondere die wirtschaftliche und

organisatorische Leitung des Unternehmens über, die Personalhoheit

einschließlich der Einstellung, Kündigung und Entlassung von

Mitarbeitern samt der Festsetzung der damit in Verbindung

stehenden Gehälter.

5. Weiters die Vertretung der Gesellschaft im Rahmen

von Rechtsstreitigkeiten, sowohl gerichtlich wie auch

außergerichtlich.

6. Die Vertretung des Unternehmens vor der zuständigen

Abgabenbehörde, die Vertretung sämtlicher Klienten der A.

Steuerberatungs AG vor den Behörden laut beiliegender

Vertretungsvollmacht des jeweiligen einzelnen Klienten.

7. Der Bevollmächtigte ist berechtigt, sämtliche

gerichtliche als auch außergerichtlichen Rechtshandlungen zu setzen, die üblicherweise von einem Vorstand der Aktiengesellschaft gesetzt werden. Er ist berechtigt, diese Vollmacht auch gegenüber sämtlichen Behörden offenzulegen und diese Rechtshandlungen rechtsverbindlich für die Gesellschaft zu setzen.

Zum Zeitpunkt der Unterfertigung dieser Vollmacht war der Bevollmächtigte Vorstand, weshalb er diese Vollmacht mit unterfertigt.


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W,
Mag. K.
(Name des Beschwerdeführers)
Alleinaktionär
Vorstand

Beilage:

Vertretungsvollmacht der Klienten"

Im Rahmen des Parteiengehörs habe der Beschwerdeführer zu dieser Generalvollmacht vorgebracht, dass diese nicht in Kraft gesetzt worden sei, da sie von Seiten des Aufsichtsrates nicht akzeptiert worden sei. Daher habe er die in dieser Vollmacht angeführten Tätigkeiten faktisch nicht ausgeübt. Auch sei der Kammer der Wirtschaftstreuhänder mitgeteilt worden, dass diese Generalvollmacht nicht in Kraft gesetzt worden sei.

Dazu führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Generalvollmacht vom in Kraft gesetzt worden sei. Entscheidend sei vielmehr, dass der Beschwerdeführer diese Generalvollmacht unterfertigt und angenommen habe, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt die von der erstinstanzlichen Behörde verfügte vorläufige Untersagung der Berufsausübung bekannt gewesen sei. Er habe sich somit für Tätigkeiten bevollmächtigen lassen, die er gar nicht habe durchführen dürfen. Das Unterfertigen und Annehmen der Generalvollmacht, durch welche die vorläufige Untersagung der Berufsausübung unterlaufen werde, zeige eindeutig, dass es dem Beschwerdeführer trotz Suspendierung darauf angekommen sei, die Geschäfte trotzdem (und damit contra legem) wie bislang fortzuführen. Auf Grund dieses Vorgehens des Beschwerdeführers könne eine ordnungsgemäße Berufsausübung iSd § 99 Abs. 2 WTBG nicht angenommen werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof mit dem Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (wobei im genannten Schriftsatz die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt wurde).

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 291/2013-10, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Verwaltungsakten vor. Der Beschwerdeführer legte mit Schriftsatz vom weitere Unterlagen vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind. Dies ist hier der Fall.

1.2. Das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, BGBl. I Nr. 58/1999 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 54/2012 (WTBG), lautet auszugsweise:

" 1. Teil

Berufsrecht

1. Hauptstück

Wirtschaftstreuhandberufe - Berechtigungsumfang

Wirtschaftstreuhandberufe

§ 1. (1) Wirtschaftstreuhandberufe sind folgende Berufe:

1. Wirtschaftsprüfer,


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2.
(aufgehoben durch BGBl. I Nr. 84/2005)
3.
Steuerberater und
4.
(Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 161/2006)
...
Öffentliche Bestellung - Anerkennung

§ 7. (1) Wirtschaftstreuhandberufe dürfen selbständig durch Berufsberechtigte, das sind entweder natürliche Personen oder Gesellschaften, ausgeübt werden.

(2) Eine natürliche Person ist berufsberechtigt und somit zur selbständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes berechtigt, nachdem sie durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder öffentlich bestellt wurde.

(3) Eine Gesellschaft ist berufsberechtigt und somit zur selbständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes berechtigt, nachdem sie durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder anerkannt wurde.

...

§ 8. (1) Allgemeine Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung sind:

1. die volle Handlungsfähigkeit,

2. die besondere Vertrauenswürdigkeit,

...

Besondere Vertrauenswürdigkeit

§ 9. Die besondere Vertrauenswürdigkeit liegt dann nicht vor, wenn der Berufswerber rechtskräftig verurteilt oder bestraft worden ist

1. a) von einem Gericht wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung zu einer mehr als dreimonatigen Freiheitsstrafe oder

b) von einem Gericht wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen strafbaren Handlung oder


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c)
von einem Gericht wegen eines Finanzvergehens oder
d)
von einer Finanzstrafbehörde wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit und
2.
diese Verurteilung oder Bestrafung noch nicht getilgt ist oder solange die Beschränkung der Auskunft gemäß § 6 Abs. 2 oder Abs. 3 des Tilgungsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 68, noch nicht eingetreten ist.
...
Wirtschaftstreuhandgesellschaften Voraussetzungen

§ 65. (1) Allgemeine Voraussetzungen für die Anerkennung einer Gesellschaft, die Wirtschaftstreuhandberufe und damit vereinbare Tätigkeiten auszuüben beabsichtigt, sind:

...

(3) Die Geschäftsführung und die Vertretung nach außen hat durch Berufsberechtigte, die zur selbständigen Ausübung ihrer Berufsbefugnis berechtigt sind, zu erfolgen. ...

...

Suspendierung

Voraussetzungen

§ 99. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat die Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes vorläufig zu untersagen bei


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1.
Verlust der vollen Handlungsfähigkeit oder
2.
Vorliegen einer rechtswirksamen Anklageschrift gemäß den §§ 210 bis 215 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631, wegen des Verdachtes
a)
einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung, die mit mehr als dreimonatiger Freiheitsstrafe bedroht ist, oder
b)
einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung oder
c)
eines gerichtlich strafbaren Finanzvergehens oder
3.
Verhängung der Untersuchungshaft wegen des Verdachtes einer der in Z 2 lit. a bis c aufgezählten Handlungen oder
4.
rechtskräftiger Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder
5.
bei Nichteröffnung oder Aufhebung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens oder
6.
fehlender Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.

(2) Von einer Suspendierung ist in den Fällen des Abs. 1 Z 2 abzusehen, wenn die ordnungsgemäße Berufsausübung nicht gefährdet ist.

(3) Über die Suspendierung ist ein schriftlicher Bescheid zu erlassen. Der Bescheid über die Suspendierung ist dem Berufsberechtigten zu eigenen Handen zuzustellen. Im Fall des Abs. 1 Z 1 und bei Gesellschaften ist der Bescheid dem gesetzlichen Vertreter zuzustellen.

(4) Gegen den Bescheid, mit dem eine Suspendierung verfügt wurde, steht das Rechtsmittel der Berufung zu. Über die Berufung hat der Landeshauptmann zu entscheiden. Der Berufung kommt keine aufschiebende Wirkung zu.

(5) Berufsberechtigte, im Fall des Abs. 1 Z 1 deren gesetzliche Vertreter, sind bei Suspendierung verpflichtet, unverzüglich einen Stellvertreter zu bestellen oder die ordnungsgemäße Geschäftsführung von Wirtschaftstreuhandgesellschaften sicherzustellen. Es gelten die Bestimmungen des § 93.

Aufhebung der Suspendierung

§ 100. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat die Suspendierung auf Antrag aufzuheben, wenn der Grund für eine Untersagung nicht mehr gegeben ist.

...

Erlöschen der Berechtigung Allgemeines

§ 102. Die Berechtigung zur selbständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes erlischt durch

1. Verzicht gemäß § 103 oder


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2.
Widerruf der öffentlichen Bestellung gemäß § 104 oder
3.
Widerruf der Anerkennung gemäß § 105 oder
4.
Tod oder
5.
Auflösung der Gesellschaft.
Widerruf der öffentlichen Bestellung

§ 104. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat eine durch öffentliche Bestellung erteilte Berechtigung zur selbständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes zu widerrufen, wenn

1. eine der allgemeinen Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung nicht mehr gegeben ist oder

2. die Einholung der Genehmigung gemäß § 93 Abs. 4 unterlassen wurde.

(2) Über den Widerruf der Bestellung ist ein schriftlicher Bescheid zu erlassen.

(3) Gegen diesen Bescheid steht das Rechtsmittel der Berufung zu. Über die Berufung hat der Landeshauptmann zu entscheiden.

(4) Vom Widerruf der öffentlichen Bestellung ist in den Fällen des § 9 Z 1 lit. d abzusehen, wenn eine ordnungsgemäße Berufsausübung nicht gefährdet ist und die Folgen des Vergehens unbedeutend sind.

Widerruf der Anerkennung

§ 105. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat eine durch Anerkennung erteilte Berechtigung zur Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes zu widerrufen, wenn eine der Anerkennungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben ist.

(2) Vor Widerruf einer Anerkennung hat die Kammer der Wirtschaftstreuhänder die Gesellschaft aufzufordern, einen den Widerruf begründenden Umstand innerhalb einer Frist von sechs Monaten, in den Fällen des § 65 Abs. 1 Z 6 und § 70 Abs. 1 Z 6 unverzüglich, zu beseitigen.

(3) Über den Widerruf ist ein schriftlicher Bescheid zu erlassen.

(4) Gegen diesen Bescheid steht das Rechtsmittel der Berufung zu. Über die Berufung hat der Landeshauptmann zu entscheiden."

1.3. Das Finanzstrafgesetz, BGBl. 129/1958 in der Fassung BGBl. I Nr. 28/1999, lautet auszugsweise:

"Abgabenhinterziehung.

§ 33. (1) Der Abgabenhinterziehung macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

...

(3) Eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 oder 2 ist bewirkt,

a) wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden oder infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten,

b) wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) wurden,

..."

2.1. Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ausschließlich die vorläufige Untersagung der Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes durch den Beschwerdeführer (also die Suspendierung von seinen Tätigkeiten als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) gemäß § 99 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 WTBG wegen rechtskräftiger Anklageerhebung ist. Zu prüfen ist vom Verwaltungsgerichtshof, ob die Voraussetzungen für diese vorläufige Untersagung - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - vorlagen.

Hingegen war es nicht Sache des Verwaltungsverfahrens und ist daher auch nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, ob die öffentliche Bestellung des Beschwerdeführers zu widerrufen (§ 102 Z 2 iVm § 104 WTBG) sei. Aus dem Einwand der Beschwerde, dass die Erstbehörde (vor dem Zeitpunkt der Ausdehnung der Anklage) von einem "Widerruf" abgesehen habe, ist somit für das vorliegende Verfahren nichts zu gewinnen.

2.2. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der durch den angefochtenen Bescheid bestätigten vorläufigen Untersagung ist somit, ob im Zeitpunkt seiner Erlassung () eine rechtswirksame Anklageschrift gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts zumindest einer der im § 99 Abs. 1 Z 2 lit. a bis c WTBG genannten Vergehen vorlag und ob deshalb von einer Gefährdung der ordnungsgemäßen Berufsausübung iSd § 99 Abs. 2 leg. cit. auszugehen war.

3. Zu § 99 Abs. 1 Z 2 WTBG (Suspendierungstatbestand):

Unstrittig ist im vorliegenden Fall die Feststellung der belangten Behörde, die den Beschwerdeführer betreffende Anklage der Staatsanwaltschaft W vom wegen § 33 Abs. 1, Abs. 3 lit. a und b Finanzstrafgesetz, die sich auf den Vorwurf der oben aufgelisteten Abgabenverkürzungen stützt, sei rechtswirksam.

Schon deshalb ist der Suspendierungstatbestand des § 99 Abs. 1 Z 2 lit. c WTBG erfüllt. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie die Beschwerde bestreitet - auch die Ausdehnung der Anklage (betreffend betrügerische Krida gemäß § 156 Abs. 1 und 2 iVm § 161 StGB) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtswirksam war.

4. Zur Frage des Absehens von der Suspendierung gemäß § 99 Abs. 2 WTBG:

4.1. Gemäß § 99 Abs. 2 WTBG ist von einer Suspendierung in den Fällen des Abs. 1 Z 2 leg. cit. abzusehen, wenn die ordnungsgemäße Berufsausübung nicht gefährdet ist.

Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0090, ausgeführt, die Auslegung der Wortfolge "ordnungsgemäße Berufsausübung" habe den übergeordneten Aspekt zu berücksichtigen, dass die Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes besonderes Vertrauen der Klienten bzw. Treugeber in eine korrekte, gesetzeskonforme Ausübung des Berufes bzw. der Treuhandschaft voraussetze. Bei der Beurteilung der Gefährdung der "ordnungsgemäßen Berufsausübung" komme es auf die jeweilige konkrete Tathandlung an. Nur solche Tathandlungen, die in Beziehung zur ausgeübten Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder stünden, seien geeignet, die ordnungsgemäße Berufsausübung gefährdet erscheinen zu lassen.

Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis Zl. 2000/02/0090 fallbezogen eine Anklage wegen versuchter Beitragstäterschaft zum gewerbsmäßigen schweren Betrug im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Steuerberater als nach Art und Schwere besonders grobe Rechtsverletzung mit Bezug zur beruflichen Tätigkeit qualifiziert, welche die ordnungsgemäße Berufsausübung gefährdet erscheinen lasse.

Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall:

4.2. Auszugehen ist von der genannten rechtswirksamen Anklage wegen Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. a und b Finanzstrafgesetz, wobei dieser Anklage, wie sich aus der oben wiedergegebenen Auflistung ergibt, ein vorsätzliches Bewirken von Abgabenverkürzungen hinsichtlich beträchtlicher Geldsummen (insgesamt mehr als EUR 800.000,--) zugrunde liegt. Schon deshalb ist auch im vorliegenden Fall angesichts einerseits des Bezuges der vorgeworfenen strafbaren Handlungen zur beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers und andererseits infolge deren Schwere von einer besonders groben Rechtsverletzung auszugehen, die eine ordnungsgemäße Berufsausübung gefährdet erscheinen lässt. Schon unter diesem Gesichtspunkt kam daher, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, ein Absehen von der Suspendierung gemäß § 99 Abs. 2 WTBG nicht in Betracht.

4.3. Nur der Vollständigkeit halber sei daher erwähnt, dass ein Absehen von der Suspendierung gemäß § 99 Abs. 2 WTBG gegenständlich überdies auch deshalb ausscheidet, weil der Beschwerdeführer nach der Erlassung des erstinstanzlichen Suspendierungsbescheides vom (dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage zugestellt am ) die Wirtschaftstreuhandberufe Wirtschaftsprüfer und Steuerberater vorläufig nicht ausüben durfte (der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung kam gemäß § 99 Abs. 4 letzter Satz WTBG keine aufschiebende Wirkung zu), aber dennoch (unstrittig) am die oben wiedergegebene Generalvollmacht, mit dem ihm die Rechte und Pflichten eines Vorstandes einer näher bezeichneten Steuerberatungs AG übertragen wurden, unterzeichnet hat. Auch wenn diese Generalvollmacht (weil sie nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers von Seiten des Aufsichtsrates nicht akzeptiert wurde) letztlich nicht in Kraft gesetzt wurde, so ändert dies nichts am rechtswidrigen Verhalten des Beschwerdeführers, der trotz rechtswirksamer vorläufiger Suspendierung durch die Unterzeichnung der Vollmacht die dort genannten Rechte und Pflichten in einer Steuerberatungs AG übernahm und damit dem § 65 Abs. 3 WTBG zuwider handelte, wonach in Wirtschaftstreuhandgesellschaften die Vertretung nach außen nur durch Berufsberechtigte, die zur selbständigen Ausübung ihrer Berufsbefugnis berechtigt sind, erfolgen darf. Ein Absehen von der Suspendierung gemäß § 99 Abs. 2 WTBG kam daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer nach seinem Beschwerdevorbringen in (von ihm nicht näher bezeichneten) Disziplinarverfahren freigesprochen worden sei.

5. Mündliche Verhandlung im Verwaltungsverfahren:

5.1. Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer habe in der Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, die zu Unrecht unterblieben sei. Eine solche Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen, weil der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte strafrechtliche Verhalten bestritten habe, indem er auf die Verjährung der ihm vorgeworfenen Finanzvergehen hingewiesen habe. Wegen der Bedeutung des gegenständlichen Berufsverbotsverfahrens hätte die belangte Behörde eine Verhandlung durchführen müssen. Abgesehen davon wäre die Verhandlung nach Ansicht des Beschwerdeführers auch aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2010/15/0196, zwingend erforderlich gewesen.

5.2. Im genannten hg. Erkenntnis, Zl. 2010/15/0196, hat der Verwaltungsgerichtshof den dort angefochtenen Bescheid wegen Verletzung der Verhandlungspflicht aufgehoben, weil es dort um eine Rechtssache ging, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fiel ("Durchführung des Rechts der Union" gemäß Art. 51 GRC), und die Verhandlungspflicht deshalb aus Art. 47 GRC resultierte.

Damit ist der vorliegende Beschwerdefall nicht vergleichbar, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es gegenständlich (vorläufige Untersagung der Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes) um die Durchführung des Rechts der Union iSd Art. 51 GRC geht. Auf Art. 6 EMRK wird unter Pkt. 7 eingegangen.

5.3. Da die Bestimmungen des WTBG für das Verfahren betreffend die Suspendierung (vorläufige Untersagung der Berufsausübung) eine mündliche Verhandlung nicht zwingend vorsehen (dieses Verfahren fällt nicht unter die disziplinarrechtlichen Bestimmungen der §§ 118 ff. WTBG), stand es gemäß § 39 Abs. 2 AVG im Ermessen der belangten Behörde (Landeshauptmann von Wien), eine Verhandlung durchzuführen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 26 zu § 39 AVG). Dass gegenständlich im Unterbleiben der Verhandlung eine fehlerhafte Ermessensübung liege, ist nicht zu erkennen. Soweit die Beschwerde dazu ausführt, die Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen, weil der Beschwerdeführer das strafbare Verhalten mit dem Einwand der Verjährung bestritten habe, so ist dem zu entgegnen, dass die belangte Behörde nicht die Rechtmäßigkeit oder Stichhaltigkeit der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Abgabenhinterziehung zu prüfen hatte, sondern gemäß § 99 Abs. 1 Z 2 WTBG ausschließlich auf den Umstand abzustellen hatte, dass eine den Beschwerdeführer betreffende rechtswirksame Anklageschrift bezüglich der genannten Finanzvergehen vorlag.

6. Urkundenvorlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

Dem vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom vorgelegten Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , mit dem die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht W wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung aufgehoben wurde, kommt im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine entscheidende Bedeutung zu. Der angefochtene Bescheid ist nämlich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen. Daher ist gegenständlich darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () die Voraussetzungen für die Suspendierung des Beschwerdeführers vorlagen.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die gegenständliche Suspendierung über Antrag des Beschwerdeführers auf Grund des genannten Urteils des Obersten Gerichtshofes in einem Verfahren gemäß § 100 WTBG wieder aufgehoben werden kann.

7. Entfall der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof:

Wie dargestellt, ergibt sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und zwar sowohl hinsichtlich der Beurteilung des Suspendierungstatbestandes als auch des nicht erfolgten Absehens von der Suspendierung) ausschließlich aus dem - unstrittigen - Umstand der rechtskräftigen Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft W gegen den Beschwerdeführer wegen § 33 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. a und b Finanzstrafgesetz. Eine Komplexität der Sache ist daher entgegen der Beschwerdemeinung nicht gegeben. Durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer trotz Suspendierung (und entgegen § 65 Abs. 3 WTBG) die obgenannte Generalvollmacht (gleichfalls unstrittig) unterzeichnet hat, wird dieses Ergebnis lediglich bestärkt. Da es gegenständlich somit nicht um Fragen der Beweiswürdigung oder strittige Tatsachen geht, sondern Verfahrensgegenstand nur die Lösung von Rechtsfragen ist, steht Art. 6 EMRK dem Unterbleiben der mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/04/0165, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom , Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein, sowie das zitierte Erkenntnis, Zl. 2010/15/0196, ebenfalls mit Verweis auf die Judikatur des EGMR und - gleichfalls das WTBG betreffend - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/04/0075), konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

8. Die Beschwerde war somit nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am