VwGH vom 28.03.2014, 2010/16/0210

VwGH vom 28.03.2014, 2010/16/0210

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Mairinger und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des K in T, vertreten durch Edmund Moser, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 9900 Lienz, Albin-Egger-Straße 12, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-1523/7-2010, betreffend Rückerstattung von Getränkesteuer auf alkoholische Getränke (mitbeteiligte Partei: Gemeinde T in T), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt auf dem Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde ein Hotel.

Mit Bescheid vom setzte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde im Instanzenzug u.a. die Getränke- und Speiseeissteuer für 1996 fest.

Ebenfalls mit Bescheid vom erklärte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde im Instanzenzug "die Verrechnung mit Abgabenschuldigkeiten, Verwendung zur Tilgung vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten und Rückzahlung = die Erstattung der mit Bescheid vom , Zl. ... mit S 0,-- festgesetzten in der Höhe von S 74.451,71 entrichteten Steuer auf alkoholische Getränke für das Jahr 1996" als "nicht zulässig". Begründend führte der Gemeindevorstand aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die alkoholischen Getränke gegen Entgelt an die Konsumenten weitergegeben worden seien. Die Verkaufspreise seien im Wege von Schlüsselzahlen, die die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke enthalten hätten, auf die Bemessungsgrundlage zurückgerechnet worden. Folglich sei die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke im Wege der Verkaufspreise auf die Konsumenten überwälzt worden.

In seiner gegen den letztgenannten Bescheid erhobenen Vorstellung brachte der Beschwerdeführer neben gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Bedenken vor, dass der Umstand, dass die Getränkesteuer im Wege von Schlüsselzahlen aus den Verkaufspreisen errechnet worden sei, noch kein Nachweis für die Überwälzung sei. Aufgrund der Preiskalkulation und der nachweislich ungünstigen Ertragslage sei eine derartige Überwälzung der Getränkesteuer auf die Endverbraucher jedenfalls nicht erfolgt.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge und behob den Rückzahlungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom . Begründend führte die belangte Behörde aus, es befänden sich im Verwaltungsakt keine ausreichenden Unterlagen, welche die belangte Behörde befähigten, die in diesem Bescheid getroffenen Schlussfolgerungen des Gemeindevorstandes nachzuvollziehen.

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom betreffend die Abweisung eines Antrages auf Rückerstattung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für das Jahr 1996 ab. Die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für das Jahr 1996 sei mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom mit "Null" festgesetzt worden. Es stehe unstrittig fest, dass im Betrieb des Beschwerdeführers im Kalenderjahr 1996 Restaurationsumsätze im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erwirtschaftet worden seien. Der Betrieb habe nämlich 1996 über mehrere mit Tischen und Stühlen ausgestattete Gasträume verfügt. Die Bewirtung/Bedienung der Gäste erfolge durch Bedienpersonal/Kellnerinnen (Servieren/Abservieren von Speisen und Getränken). Auch die Reinigung des Gastraumes erfolge durch das Personal des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer habe die Bilanz mit der Gewinn- und Verlustrechnung für 1996 vorgelegt. Aus dieser ergebe sich für 1996 ein Gewinn, der ein Indiz für die gelungene Überwälzung darstelle.

In seiner dagegen erhobenen Vorstellung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Beurteilung des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde mit dem Vorbringen, der Gewinn des Jahres 1996 sei ausschließlich durch außerordentliche Sanierungserträge entstanden. Ohne diese außerordentlichen Erträge hätte sich 1996 ein Verlust von rund S 1,169.000,-- ergeben. Zum Beweis legte der Beschwerdeführer die Bilanz des Jahres 1996 samt Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Ablichtung eines Schreibens seiner steuerlichen Vertretung an die Tiroler Landesregierung, wonach der Beschwerdeführer seit 1987 ausschließlich Verluste erwirtschaftet habe, vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, das Unternehmen des Beschwerdeführers (Hotel) weise eine überwiegende Dienstleistungskomponente aus. Aus den vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers ergebe sich ein Bilanzgewinn für 1996 von S 14,261.541,02 (EUR 1,036.426,60). Der in Rede stehende Steuerbetrag mache hingegen S 74.451,71 (EUR 5.410,62) aus. Ein Schreiben des Gemeindeverbandes für Bausachverständige und Steuerprüfer vom belege, dass eine Beweisaufnahme zur Prüfung der Überwälzung der Getränkesteuer im Betrieb des Beschwerdeführers durchgeführt worden sei. Diese habe ergeben, dass die alkoholischen Getränke (inkl. Getränkesteuer) entgeltlich an die Konsumenten weitergegeben worden seien. Folglich sei die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke im Wege der Verkaufspreise auf die Konsumenten überwälzt worden. Darüber hinaus entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass im Bereich der Gastronomie Gastwirte auf Dauer nicht Preise verrechnen könnten, welche ihre Aufwendungen nicht abdeckten. Dafür, dass mit dem Verkauf der Getränke nicht einmal die damit im Zusammenhang stehenden Abgaben hätten abgedeckt werden können, gebe es keine Anhaltspunkte. Vielmehr sei die Erzielung eines Gewinnes ein Indiz für die gelungene Überwälzung der Getränkesteuer. Wenn der Beschwerdeführer vermeine, dass die Vorstellungsentscheidung vom weitere Erhebungen hinsichtlich der Überwälzungsproblematik notwendig gemacht hätte, so sei ihm die geänderte Rechtslage und insbesondere die zwischenzeitlich ergangene höchstgerichtliche Judikatur entgegenzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift verbunden mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 323a Abs. 3 Z 7 BAO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 9/2010 ist § 187a der Tiroler Landesabgabenordnung für vor dem entstandene Abgabenansprüche auch nach dem anzuwenden.

Abweichend davon ist gemäß § 323a Abs. 4 BAO § 239a idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 20/2009 erstmals auf Landes- und Gemeindeabgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem entstanden ist.

Soweit eine Abgabe, die nach dem Zweck der Abgabenvorschrift wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabenpflichtigen getragen werden soll, wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabenpflichtigen getragen wurde, haben nach § 239a BAO zu unterbleiben:

1. die Gutschrift auf dem Abgabenkonto,

2. die Rückzahlung, Umbuchung oder Überrechnung von

Guthaben und

3. die Verwendung zur Tilgung von Abgabenschuldigkeiten,

wenn dies zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabenpflichtigen führen würde.

Zunächst ist festzuhalten, dass schon der Gemeindevorstand in seiner Entscheidung vom gemäß § 323a Abs. 4 BAO § 239a BAO anzuwenden gehabt hätte. Überdies ist festzuhalten:

Im Beschwerdefall erfolgte die Festsetzung der Getränke- und Speiseeissteuer für 1996 mit Berufungsentscheidung vom , die in Rechtskraft erwachsen ist. Der Gemeindevorstand hatte diese Festsetzung mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom und dem hg. Erkenntnis vom , 2000/16/0117, begründet. Er ging dabei davon aus, dass die frühere Vorschreibung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für 1996 rechtswidrig gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2004/16/0128, zur entsprechenden Bestimmung der Wiener Abgabenordnung für die Frage der Rückzahlung von Getränkesteuer dargelegt, welche Partei für welche Tatsachen behauptungs- und beweispflichtig ist, nach welchen Grundsätzen das Ermittlungsverfahren zu führen ist, sowie welche Bedeutung den von der belangten Behörde zu ermittelnden Werten - etwa auch im Rahmen der Beweiswürdigung - zukommt. Für § 239a BAO gilt nichts anderes. Zur Vermeidung von Wiederholungen ist in Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe im genannten Erkenntnis zu verweisen.

Für den Fall, dass trotz Heranziehung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel eine ziffernmäßige Berechnung des Rückerstattungsanspruches nicht möglich ist, ist eine (damals in sämtlichen Landesabgabenordnungen, nunmehr in § 184 BAO vorgesehene) Schätzung durchzuführen (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom , 2010/16/0154, mwN).

Im Beschwerdefall ist zunächst auf die Bindungswirkung der bereits in dieser Angelegenheit ergangenen Vorstellungsentscheidung vom zu verweisen. Mit dieser hatte die belangte Behörde den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde mit der tragenden Begründung aufgehoben, dass sich im Akt keine ausreichenden Unterlagen befänden, aus denen die Vorstellungsbehörde befähigt werde, die Schlussfolgerungen der Abgabenbehörde nachzuvollziehen. Dass die Behörden der mitbeteiligten Gemeinde solche Unterlagen nunmehr vorgelegt oder entsprechende nachvollziehbare Feststellungen getroffen hätten, stellt die belangte Behörde aber nicht fest und ist auch sonst nicht ersichtlich. Sie unterlässt es aber auch ihrerseits, nachvollziehbare Feststellungen, aus denen sich ergäbe, dass der Beschwerdeführer die Abgabe auf alkoholische Getränke des Jahres 1996 zur Gänze auf die Konsumenten abgewälzt hat, zu treffen.

Die belangte Behörde vermag sich in diesem Zusammenhang nicht auf eine Änderung der Sach- und Rechtslage durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vom , Rs. C-491/03, Hermann ) berufen. Einem Urteil des EuGH zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht in einem Vorabentscheidungsverfahren kommt nämlich nur die Wirkung zu, eine bereits vorher bestehende Rechtslage zu klären. Es verschafft daher allenfalls eine neue rechtliche Erkenntnis, die zu einer anderen rechtlichen Würdigung eines verwirklichten Sachverhaltes führt(vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/16/0063, mwN). Der Umstand, dass die Rechtsprechung nunmehr nicht mehr von der Gemeinschaftsrechtwidrigkeit der Vorschreibung von Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke, die in Gastronomiebetrieben abgegeben werden, ausgeht, steht somit der Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung vom nicht entgegen.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde war in seinem (nach der aufhebenden Vorstellungsentscheidung ergangenen) Bescheid vom aber im Wesentlichen aufgrund des in der Gewinn- und Verlustrechnung des Beschwerdeführers für 1996 ausgewiesenen Gewinns von einer gelungenen Überwälzung der Getränkesteuer für alkoholhältige Getränke ausgegangen, ohne sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach dieser Gewinn nur durch Forderungsnachlässe seiner Gläubiger entstanden sei, auseinanderzusetzen. Diese Vorgehensweise bestätigt die belangte Behörde ausdrücklich, wenn sie ausführt, dass dieses Vorbringen des Beschwerdeführers an der Beurteilung (der gelungenen Überwälzung) nichts zu ändern vermöge. Eine Begründung für diese Aussage bleibt die belangte Behörde aber im angefochtenen Bescheid schuldig. Da eine über mehrere Jahre bestehende Verlustsituation, die schließlich zu einem Gläubigernachlass führt, durchaus als Indiz für eine nicht (vollständig) gelungene Überwälzung angesehen werden könnte, wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen und entsprechende Feststellungen zu treffen (vgl. dazu etwa das ebenfalls zu einem Gastronomiebetrieb ergangene hg. Erkenntnis vom , 2005/16/0222, mwN).

Eine solche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers konnte auch nicht durch den Verweis auf ein Schreiben des Gemeindeverbandes für Bausachverständige und Steuerprüfer vom ersetzt werden. Dieses mit der Überschrift "Beweisaufnahme" versehene Schreiben enthält nämlich lediglich einen Hinweis auf die im Betrieb des Beschwerdeführers verrechneten Inklusivpreise (d. h. einschließlich Getränkesteuer) und die Ermittlung der Verkaufspreise im Wege von Schlüsselzahlen. Schlüsselzahlen und Bruttopreise stellen nämlich wie auch Verluste und Gewinne ohne Bezugnahme auf deren Ursachen nur sehr "allgemeine" Indizien für die Lösung der Frage, ob konkret im Betrieb der Abgabepflichtigen eine Überwälzung der Getränkesteuer auf die Konsumenten tatsächlich erfolgt ist oder nicht, dar (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 2004/16/0199).

Indem die belangte Behörde es in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, im Sinne der genannten Rechtsprechung ausreichende und nachvollziehbare Feststellungen hinsichtlich der Überwälzung der Getränkesteuer zu treffen oder allenfalls von der mitbeteiligten Gemeinde abzuverlangen, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren wird darauf hingewiesen, dass an die Stelle der belangten Behörde das Verwaltungsgericht für Tirol tritt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am