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VwGH vom 11.11.2015, 2013/04/0073

VwGH vom 11.11.2015, 2013/04/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde 1. der Gemeinde A, 2. des H W, 3. der C W, 4. der M G,


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5.
des K R, 6. der T R, 7. der R L, 8. des H Le, 9. der S L,
10.
des H L, 11. der R L, 12. des A R, 13. der H R, 14. des F B,
15.
der S B, 16. des M W, 17. der B W, 18. des B Weinmann,
19.
der M W, alle in A, alle vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Aubergstraße 63, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend (nunmehr: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft) vom , Zl. BMWFJ-63.220/0009-IV/6/2013, betreffend Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes (mitbeteiligte Partei: Q GmbH in E, vertreten durch Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in 4070 Eferding, Kirchenplatz 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Zur Vorgeschichte:

1.1. Verfahrensgegenständlich ist ein Antrag der mitbeteiligten Partei vom bei der Bezirkshauptmannschaft Z (BH) auf Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes für das ausschließlich obertägige Gewinnen von grundeigenen mineralischen Rohstoffen (Quarzkies) auf näher genannten Grundstücken. Dieser Antrag wurde in weiterer Folge mehrfach geändert.

1.2. Nach Abweisung eines Devolutionsantrages mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (LH) vom brachte die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom einen weiteren Devolutionsantrag beim LH ein, der mit Bescheid vom erneut abgewiesen wurde.

Über Berufung der mitbeteiligten Partei wurde dieser Bescheid von der belangten Behörde mit Bescheid vom ersatzlos behoben, worauf der LH nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am mit Bescheid vom dem Devolutionsantrag der mitbeteiligten Partei stattgab und den vorgelegten Gewinnungsbetriebsplan mit einer Reihe von Auflagen genehmigte.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhoben unter anderem die Beschwerdeführer Berufung.

Mit Berufungsbescheid vom änderte die belangte Behörde den Bescheid des LH vom - soweit vorliegend relevant - dahingehend ab, dass in A.) 1. der mit "II. Bewilligung" überschriebene Spruchpunkt betreffend Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes samt Bedingungen und Auflagen und in A.) 2. der mit "Rechtsgrundlagen zu I-V" überschriebene Teil des Spruches neu gefasst wurden, und wies die Berufungen im Übrigen ab. Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, der verfahrenseinleitende Antrag könne gemäß § 13 Abs. 8 AVG in jeder Lage des Verfahrens geändert werden, soweit - wie im vorliegenden Fall - die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert werde und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt würde. Eine Steigerung der geplanten jährlichen Fördermengen um 25 % sowie die Bekanntgabe einer anderen Route für den Abtransport stelle noch nicht zwingend eine Änderung der vom verfahrenseinleitenden Antrag erfassten Sache ihrem Wesen nach dar.

1.4. Dieser Berufungsbescheid wurde mit dem hg. Erkenntnis vom , 2007/04/0193, 0194 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben, weil die belangte Behörde mit ihrer Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der Antragsänderung verkannt hatte, dass es für deren Beurteilung im Zuge des Genehmigungsverfahrens darauf ankommt, ob die Änderung geeignet sei, gegenüber dem ursprünglichen Projekt neue oder größere Gefährdungen hervorzurufen. Vor diesem Hintergrund hätte die belangte Behörde Feststellungen treffen müssen, ob der modifizierte Antrag der Konsenswerberin eine Erhöhung des Fördervolumens um 25 % einschließlich der Verwendung von LKW mit höherer Nutzlast beinhalte, weil es bei Zutreffen dieses Vorbringens nicht von der Hand zu weisen sei, dass durch diese Änderungen für die Beschwerdeführer neue oder größere Gefährdungen und Belästigungen im Sinne des § 116 Abs. 1 MinroG in Betracht kämen.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom änderte die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang den Bescheid des LH vom wiederum dahingehend ab, dass in A.) 1. der mit "II. Bewilligung" überschriebene Spruchpunkt betreffend Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes samt Bedingungen und Auflagen und in A.) 2. der mit "Rechtsgrundlagen zu I-V" überschriebene Teil des Spruches jeweils neu gefasst wurde, und wies die Berufungen (unter anderem) der Beschwerdeführer im Übrigen ab bzw. zurück.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde - soweit hier von Relevanz - aus, im fortgesetzten Verfahren habe die mitbeteiligte Partei den von ihr vorgelegten Gewinnungsbetriebsplan mit Schreiben vom "klargestellt" und in einem weiteren Schriftsatz vom "präzisiert". Zum nunmehrigen Antragsgegenstand sei zu bemerken, dass die mitbeteiligte Partei ihr Ansuchen wiederum dahingehend eingeschränkt habe, dass damit zuletzt die jährliche Fördermenge 50.000 m3, die Gesamtfördermenge 900.000 m3 und die projektierte Tagesfördermenge 250 Festkubikmeter betragen solle. Die Gewinnungstätigkeit solle an 200 Kalendertagen pro Jahr erfolgen, wobei die vorgesehenen Transportfahrzeuge eine Nutzlast von maximal 27,8 t hätten. Hinsichtlich Abbaumenge, Umfang und Intensität der Gewinnungstätigkeit sowie der Anzahl der Zu- und Abfahrten liege damit keine wesentliche Änderung des Antragsgegenstandes aus 1999 vor. Die Änderung der Abbaurichtung und der Einsatz eines Seilbaggers anstelle eines Baggerschiffs führten gemäß den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens jeweils zu keiner Änderung der Belastung der Nachbarn und stellten daher jeweils keine wesentliche Änderung des Antragsgegenstandes dar.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - die Abweisung der Beschwerde.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

4.2. Die Beschwerdeführer bringen wie im ersten Rechtsgang und im fortgesetzten Verfahren vor der belangten Behörde vor, der LH habe als funktional unzuständige Behörde entschieden, was zu einer Verkürzung des Instanzenzuges geführt habe. Die von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Projektunterlagen seien zunächst unzureichend gewesen. Auch zum Zeitpunkt der Stellung des Devolutionsantrages am habe die mitbeteiligte Partei noch keine tauglichen und vollständigen Projektunterlagen eingebracht gehabt. Erst nach oftmaligen Anleitungen und mehreren Abänderungen sei zum eine verhandlungsreife Antragstellung vorgelegen.

Der ehemals der Antragstellung im Jahr 1999 zugrunde gelegte Gewinnungsbetriebsplan habe eine jährliche Abbaumenge von 50.000 m3, einen Abtransport an 200 Tagen jährlich sowie die Verwendung von 3- und 4-achsigen Lkw mit höchstzulässigen Nutzlasten von 14,5 und 17,5 t (diese Fahrzeuge hätten ca. zu 80 % eingesetzt werden sollen) und von Sattelkraftfahrzeugen mit höchstzulässigen Nutzlasten von etwa 27,8 t (diese Fahrzeuge hätten zu 20 % eingesetzt hätten werden sollen) beinhaltet.

Mit der Eingabe vom sei die Abbaumenge mit 250 m3 täglich an 250 Tagen jährlich konkretisiert worden, woraus sich aber ein jährliches Abbauvolumen von 62.500 m3 ergebe. Bei einer angegebenen Nutzlast der Transportfahrzeuge von 27,8 t resultierten daraus täglich 20 Abfahrten mit abzutransportierendem Rohstoff. Damit sei eine eklatante Ausweitung in sämtlichen wesentlichen Bereichen vorgenommen worden, die alleine bezogen auf die Abbaumenge 25% betrage.

Zudem sei erst in der Verhandlung am zusätzlich festgelegt worden, dass im Süden der Etappe 2 der Grube eine überdachte Betankungs- und Abstellfläche errichtet werde. Mit Eingabe vom , bezeichnet als "Ergänzende Angaben für die Quarzkiesgrube A", seien entsprechende Unterlagen vorgelegt worden. Dadurch sei es wiederum zu einer Projektänderung hinsichtlich der genauen Lage des Abbaugebietes und der jeweiligen Etappen sowie der Gesamtfläche, der verbleibenden Wasserfläche nach Beendigung der Rekultivierung, der Ausführung der Unterwasserböschung, der Errichtung von Schutzwällen zum Schutz vor Staubemissionen, der oberirdischen Betankungsanlage und der Errichtung von Erdwällen zum Schutz vor Lärmbelästigung gekommen. Wegen der gravierenden Änderungen des Projekts könne nicht mehr von derselben Sache wie im Ansuchen 1999 ausgegangen werden.

Im fortgesetzten Verfahren vor der belangten Behörde seien die Beschwerdeführer neuerlich von einer "Klarstellung" des Antrages der mitbeteiligten Partei informiert worden. Ohne dem Ansuchen der Beschwerdeführer um Übermittlung des entsprechenden Schreibens der mitbeteiligten Partei zu entsprechen, habe die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen.

4.3. § 13 AVG idF BGBl. I Nr. 10/2004 lautet (auszugsweise):

"...

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

..."

4.4.1. Hinsichtlich der Beurteilung der Zulässigkeit der Änderung des Antragsgegenstandes im Verfahren vor dem LH kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Rechtsausführungen im Erkenntnis vom , 2007/04/0193, 0194, verwiesen werden (siehe dort 3.4. "Zum geänderten Antragsgegenstand").

4.4.2. Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG (in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung) sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Bei der Erlassung des Ersatzbescheides sind die Verwaltungsbehörden somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage. Erfolgte die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides weil es die belangte Behörde unterlassen hat, für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass die belangte Behörde jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/05/0163, mwN).

4.4.3. Der nunmehr angefochtene, im zweiten Rechtsgang ergangene Bescheid enthält nicht die Feststellungen, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom als für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens einer wesentlichen Antragsänderung notwendig erkannt hat. Insbesondere fehlt die Gegenüberstellung der im Antrag im Jahr 1999 enthaltenen Fördermenge zu der nach Modifikation des Antrages im Verfahren vor dem LH von der mitbeteiligten Partei in Aussicht genommenen Fördermenge.

Die belangte Behörde verweist im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung der Antragsänderung auf die im fortgesetzten Verfahren vor der belangten Behörde vorgenommene Einschränkung des Antrages durch die mitbeteiligte Partei. Wegen dieser Einschränkung liege - anders als zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (gemeint das hg. Erkenntnis vom , 2007/04/0193, 0194) - hinsichtlich Abbaumenge, Anzahl der Tage der Gewinnungstätigkeit sowie der Anzahl der Zu- und Abfahrten keine wesentliche Änderung des Antragsgegenstandes aus dem Jahr 1999 vor.

Insofern die belangte Behörde davon ausgeht, die Frage der wesentlichen Antragsänderung sei an dem Antragsgegenstand zu messen, der sich vor der belangten Behörde nach weiteren Modifizierungen durch die mitbeteiligte Partei ergeben habe, verkennt sie die Rechtslage:

Ob eine Behörde zur Erlassung ihres Bescheides zuständig war, ist - von hier nicht in Frage kommenden Ausnahmen abgesehen - nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der behördlichen Entscheidung zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/03/0004, mit Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 98/20/0220, und vom , 83/07/0301).

Damit ist die für die Klärung der funktionalen Zuständigkeit des LH zu beurteilende Frage, ob die Antragsänderung geeignet sei, eine gegenüber dem ursprünglichen Projekt neue oder größere Gefährdungen hervorzurufen, nicht unter Heranziehung des Antragsgegenstandes in seiner vor der belangten Behörde bestehenden Form als Vergleichsmaßstab zu lösen. Vielmehr erfordert die Beurteilung der Zuständigkeit des LH eine Gegenüberstellung des Verfahrensgegenstandes wie er bis zum Devolutionsantrag vor der BH bestanden hatte und dem Projekt, das die mitbeteiligte Partei nach Modifizierung des Antrages zum Gegenstand des Verfahrens vor dem LH machen wollte. Die für diese Gegenüberstellung erforderlichen Feststellungen hat die belangte Behörde nicht getroffen.

Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Änderungen des Antragsgegenstandes im fortgesetzten Verfahren sind für die Beurteilung der Zuständigkeit des LH zur Erlassung des Bescheides vom irrelevant, weil sich diese Beurteilung nach dem oben Gesagten an der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des vor der belangten Behörde bekämpften Bescheides durch den LH zu orientieren hat. Die nachträglich erfolgten Einschränkungen vor der belangten Behörde vermögen die für die Zuständigkeit des LH relevante Sach- und Rechtslage nicht rückwirkend zu ändern und führen daher auch nicht zu einer Ausnahme von der Verpflichtung des § 63 Abs. 1 VwGG (vgl. wiederum das zitierte Erkenntnis 2010/05/0163).

4.5. Dadurch, dass die belangte Behörde ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht die für die Beurteilung des Beschwerdefalls erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat (sekundärer Feststellungsmangel), hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am