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VwGH 08.09.2005, 2005/21/0113

VwGH 08.09.2005, 2005/21/0113

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9;
62003CJ0136 Dörr VORAB;
EURallg;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §48 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 1
Der Entscheidung des , Dörr und Ünal, liegt zu Grunde, dass unter dem "Rechtsmittel" iSd Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG, ein gerichtliches Rechtsmittel zu verstehen ist, mit dem auch eine Prüfung der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme erreicht werden kann und dem automatisch eine aufschiebende Wirkung zukommen muss. Existiert ein derartiges Rechtsmittel nicht, darf die Verwaltungsbehörde ihre Entscheidung (außer in dringenden Fällen) erst nach Erhalt der Stellungnahme der in Art. 9 der Richtlinie näher umschriebenen "anderen zuständigen Stelle" treffen.(Hier: Die im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide bestehende - im Vorabentscheidungsersuchen B , 99/21/0018 und 2002/21/0067 dargelegte - innerstaatliche Rechtslage ließ eine dem Gemeinschaftsrecht in diesem Sinn entsprechende Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß § 48 Abs 1 und 3 FrG 1997 iVm § 36 Abs 1 Z 1 FrG 1997 (Aufenthaltsverbot) bzw. gemäß § 34 Abs 1 Z 2 FrG 1997 iVm § 10 Abs 2 Z 3 FrG 1997 (Ausweisung) - dass ein dringender Fall iSd Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie vorliege, wurde von den belBeh nicht ins Treffen geführt - nicht zu.)
Normen
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;
RS 2
Der Schriftsatzaufwand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist unabhängig von einer Bemessungsgrundlage festgesetzt, sodaß daneben eine gesonderte Vergütung des Einheitssatzes nicht erfolgen kann.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 90/09/0031 E RS 1
Normen
EURallg;
VwGG §47 Abs1;
VwGG §48 Abs1;
RS 3
Das Kostenersatzrecht des VwGG bildet keine Grundlage für den Ersatz der Kosten für die Beteiligung einer Partei am Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Aus der Sicht des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens handelt es sich beim Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof um einen Zwischenstreit. Eine unmittelbar anwendbare gemeinschaftsrechtliche Regelung, die einen Anspruch der Parteien des Ausgangsverfahrens auf Ersatz der Kosten des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof begründet, besteht nicht. Ebensowenig kennt das Kostenersatzrecht des VwGG, das eine abschließende Regelung darstellt, einen Anspruch der obsiegenden Partei auf Ersatz jener Kosten, die ihr auf Grund der Beteiligung an Zwischenverfahren vor anderen Gerichten und Behörden entstanden sind.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 99/10/0069 E VwSlg 15227 A/1999 RS 2 (hier nur erster Satz)

Entscheidungstext

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Ausgesetztes Verfahren:

99/21/0018 B

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 62003CJ0136

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2005/21/0114

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2005/21/0149 E

2005/18/0253 E

2005/18/0250 E

2005/18/0270 E

2005/18/0271 E

2005/21/0116 E

2005/18/0242 E

2005/18/0240 E

2005/18/0220 E

2005/18/0221 E

2005/18/0285 E

2005/18/0349 E

2005/18/0287 E

2005/21/0146 E

2005/18/0419 E

2005/18/0272 E

2005/18/0265 E

2005/18/0275 E

2003/18/0208 E

2005/21/0119 E

2005/21/0134 E

2005/21/0118 E

2005/18/0222 E

2005/18/0273 E

2005/18/0401 E

2005/21/0033 E

2005/21/0172 E

2005/21/0178 E

2005/21/0127 E

2005/21/0312 E

2005/21/0193 E

2005/18/0252 E

2005/18/0303 E

2005/18/0319 E

2005/21/0122 E

2005/18/0278 E

2005/18/0244 E

2005/18/0343 E

2005/21/0240 E

2005/21/0145 E

2005/21/0180 E

2005/21/0133 E

2002/21/0154 E

2005/21/0181 E

2005/21/0131 E

2005/21/0179 E

2005/21/0151 E

2005/21/0130 E

2005/18/0257 E

2005/18/0313 E

2005/18/0228 E

2005/18/0229 E

2005/18/0268 E

2005/18/0260 E

2005/18/0281 E

2005/18/0439 E

2005/18/0283 E

2005/21/0162 E

2005/21/0164 E

2005/21/0153 E

2002/21/0109 E

2005/21/0347 E

2005/21/0173 E

2005/21/0202 E

2005/18/0233 E

2005/18/0264 E

2005/18/0301 E

2005/18/0263 E

2005/18/0280 E

2005/18/0302 E

2005/21/0157 E

2005/21/0144 E

2005/21/0155 E

2005/21/0140 E

2005/21/0136 E

2005/21/0139 E

2005/21/0190 E

2003/21/0188 E

2005/18/0309 E

2005/18/0417 E

2005/18/0422 E

2005/18/0390 E

2005/18/0413 E

2005/18/0426 E

2005/18/0465 E

2005/18/0416 E

2005/18/0445 E

2005/18/0248 E

2005/18/0259 E

2005/18/0255 E

2005/18/0249 E

2005/18/0235 E

2005/18/0323 E

2005/18/0256 E

2005/18/0407 E

2005/18/0411 E

2005/18/0438 E

2005/21/0341 E

2005/18/0359 E

2005/18/0404 E

2005/21/0152 E

2005/21/0159 E

2005/18/0345 E

2005/18/0377 E

2005/18/0307 E

2005/21/0150 E

2002/21/0123 E

2002/21/0216 E

2005/21/0432 E

2005/18/0515 E

2005/18/0200 E

2004/18/0350 E

2005/18/0510 E

2005/18/0489 E

2004/18/0129 E

2004/18/0168 E

2004/21/0157 E

2004/18/0341 E

2004/18/0010 E

2004/18/0061 E

2004/18/0172 E

2004/18/0404 E

2005/18/0215 E

2005/18/0523 E

2008/22/0582 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerden 1.) des G (in der Folge: Erstbeschwerdeführer), vertreten durch Dr. Helmut Rantner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurnerstraße 15/II, und durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom , Zl. Fr-1753-1/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (hg. Zl. 2005/21/0113), und 2.) des I (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer), vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl. Fr-4250b-10/01, betreffend Ausweisung (hg. Zl. 2005/21/0114), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 und dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom wurde gegen den Erstbeschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland, gemäß § 48 Abs. 1 und 3 und § 36 Abs. 1 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Erstbeschwerdeführer ist verheiratet und lebt seit 1992, gemeinsam mit seiner Familie seit 1995, in Österreich und übt im Inland eine berufliche Tätigkeit aus. Dem Aufenthaltsverbot liegt zu Grunde, dass er u.a. wegen schweren Betruges zu 18 Monaten Freiheitsstrafe, davon zwölf Monate bedingt nachgesehen, rechtskräftig verurteilt wurde. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom die Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Mit Bescheid vom wies die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn den Zweitbeschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit insbesondere § 10 Abs. 2 Z 3 FrG unter Hinweis vor allem auf zwei strafrechtliche Verurteilungen (zu Geldstrafen) aus dem Bundesgebiet aus. Der Zweitbeschwerdeführer hält sich langjährig rechtmäßig in Österreich auf und geht einer Beschäftigung nach. Er ist auf Grund des ihm erteilten Befreiungsscheines unbeschränkt arbeitsberechtigt. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

Ausgehend davon, dass der Erstbeschwerdeführer ein im Inland erwerbstätiger Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union und der Zweitbeschwerdeführer nach Art. 6 des - unten zitierten - ARB berechtigt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zlen. 99/21/0018-12 und 2002/21/0067- 10, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Sind die Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (RL), dahin auszulegen, dass die Verwaltungsbehörden - ungeachtet des Bestehens eines innerbehördlichen Instanzenzuges - die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet ohne Erhalt der Stellungnahme einer (in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehenen) zuständigen Stelle nach Art. 9 Abs. 1 der RL - außer in dringenden Fällen - dann nicht treffen dürfen, wenn gegen ihre Entscheidung bloß die Erhebung von Beschwerden an Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mit nachgenannten Einschränkungen zulässig ist: Diesen Beschwerden kommt nicht von vornherein eine aufschiebende Wirkung zu, den Gerichtshöfen ist eine Zweckmäßigkeitsentscheidung verwehrt und sie können den angefochtenen Bescheid nur aufheben; weiters ist der eine Gerichtshof (Verwaltungsgerichtshof) im Bereich der Tatsachenfeststellungen auf eine Schlüssigkeitsprüfung, der andere Gerichtshof (Verfassungsgerichtshof) darüber hinaus auf die Prüfung der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beschränkt?

2. Sind die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der unter Pkt. 1. genannten RL auf türkische Staatsangehörige anzuwenden, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom , Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation (ARB) zukommt?"

Mit Urteil vom , Rs. C-136/03, erkannte der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen in nachgenannter Weise für Recht:

"1. Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der gerichtliche Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats, die gegenüber einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats ergeht, keine aufschiebende Wirkung haben und die genannte Entscheidung im Rahmen dieser Rechtsbehelfe nur auf ihre Gesetzmäßigkeit hin überprüft werden kann, wenn keine zuständige Stelle im Sinne der genannten Bestimmung eingerichtet worden ist.

2. Die Rechtsschutzgarantien der Artikel 8 und 9 der Richtlinie 64/221 gelten für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Artikel 6 oder Artikel 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation zukommt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der zitierten Entscheidung des EuGH liegt zu Grunde, dass unter dem "Rechtsmittel" im Sinn des Art. 9 der RL ein gerichtliches Rechtsmittel zu verstehen ist, mit dem auch eine Prüfung der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme erreicht werden kann und dem automatisch eine aufschiebende Wirkung zukommen muss. Existiert ein derartiges Rechtsmittel nicht, darf die Verwaltungsbehörde ihre Entscheidung - betreffend Eingriffsmaßnahmen wie die vorliegenden - (außer in dringenden Fällen) erst nach Erhalt der Stellungnahme der in Art. 9 der RL näher umschriebenen "anderen zuständigen Stelle" treffen. Die im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide bestehende - im Vorabentscheidungsersuchen dargelegte - innerstaatliche Rechtslage ließ eine dem Gemeinschaftsrecht im oben dargestellten Sinn entsprechende Verhängung der gegenständlichen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen - dass ein dringender Fall im Sinn des Art. 9 Abs. 1 der RL vorliege, wurde von den belangten Behörden nicht ins Treffen geführt - nicht zu.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil es für den beantragten Zuspruch von Einheitssatz keine rechtliche Grundlage gibt und die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen bereits enthalten ist. Weiters bildet das Kostenersatzrecht des VwGG keine Grundlage für den begehrten Ersatz der Kosten

für die Beteiligung am Verfahren vor dem EuGH (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0069). Wien, am

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Normen
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9;
62003CJ0136 Dörr VORAB;
EURallg;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §48 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §48 Abs1;
VwGG §49 Abs1;
Sammlungsnummer
VwSlg 16700 A/2005
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4
Schriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und
der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des Pauschbetrages
Gemeinschaftsrecht EuGH Verfahren Kostenersatz EURallg9/1
Besondere Rechtsgebiete
Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des
innerstaatlichen Rechts EURallg4/3
Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2005:2005210113.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAE-79007