VwGH vom 11.09.2014, 2010/16/0147

VwGH vom 11.09.2014, 2010/16/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Mairinger und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde der CH in B, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger, Mag. Markus Miedl und Mag. Klaus Ferdinand Lughofer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0685-L/08, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer Betriebsprüfung im Unternehmen der Beschwerdeführerin hat der Prüfer an das Finanzamt F (in der Folge: Finanzamt) eine Kontrollmitteilung gerichtet mit dem Ersuchen um Überprüfung, ob ein in der Bilanz enthaltenes Darlehen von HB auch vergebührt worden sei.

Zum Beweis übermittelte der Prüfer die Ablichtung eines Kassenbelegs vom , der folgenden Inhalt aufwies:


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"35.000,00
am
14.000,00
am
16.000,00
am
65.000,00
- 14.000,00
am zurück an Fr. (B)
51.000,00
offene Schuld
+ 8.746,00
Arbeitszeit Hr. (S)
59.746,00
Gesamtschulden an Fr. (B)
wird per November ohne Zinsen monatlich mit 1.500 EUR zurückbezahlt
(unterfertigt von:)
(B) - (Beschwerdeführerin)"

Das Finanzamt führte ein Ermittlungsverfahren durch, im Zuge dessen die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom bekannt gab, bei nochmaliger Durchsicht ihrer Buchhaltungsunterlagen ein bislang in Verstoß geratenes "Anbot zum Abschluss eines Darlehensvertrages" vom aufgefunden zu haben. Nach diesem nur von der Beschwerdeführerin unterfertigten "Anbot" werde der Darlehensbetrag von 150.000,00 EUR je nach Bedarf "in Teilbeträgen ausgereicht" werden. Das Darlehen werde auf unbestimmte Zeit gewährt. Es sei jährlich zu verzinsen. Es gelte der Zinssatz als vereinbart, der von der Sparkasse S üblicherweise gewährt werde. Im Falle des Verzugs sei der fällige nicht rückgezahlte Betrag mit 5 % Verzugszinsen zu verzinsen. Die Annahme dieses Anbots erfolge durch die konkludente Handlung der Zahlung bzw. Überweisung des ersten Darlehenteilbetrages.

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin für "Darlehen/Leihgelder vom " Schenkungssteuer von EUR 29.807,40 vor.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen gegen die Annahme eines zinsenlosen Darlehens. Vielmehr sei das Darlehen mit 0,125 % zu verzinsen gewesen. Auch sei 2003 ein geringerer als vom Finanzamt festgestellter Betrag zugezählt worden. Mit Stichtag habe es zwar einen Verzicht auf Zinsen gegeben. Dieser habe sich aber nur auf die ursprünglich vereinbarten, nicht hingegen auf die künftigen Zinsen bezogen.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung teilweise Folge und setzte die Schenkungssteuer auf EUR 17.884,80 herab.

Begründend führte die belangte Behörde zunächst zur Frage, ob "ein zinsenfreies oder verzinsliches Darlehen anzunehmen" sei, aus, dass laut dem Kassenbeleg vom jedenfalls bei einem Darlehensstand von EUR 59.746,00 auf Zinsen verzichtet worden sei. Auch weitere 2004 und 2005 ausbezahlte Darlehensbeträge seien zinsfrei gegeben worden, denn es seien weder Zinsen bezahlt noch entsprechende Verbindlichkeiten in die Buchhaltung der Beschwerdeführerin aufgenommen worden. Weder die Beschwerdeführerin noch HB habe sich in der Berufungsverhandlung an die Höhe der vereinbarten oder ausstehenden Zinsen oder an deren Fälligkeit erinnern können. Die Beschwerdeführerin verbinde eine jahrelange Freundschaft mit HB. HB als Darlehensgeberin habe der Beschwerdeführerin in einer schwierigen Situation helfen wollen. Die Beschwerdeführerin habe in der Berufungsverhandlung auch ihr diesbezügliches Vorbringen mehrfach abgeändert. Schließich habe die Beschwerdeführerin aufgrund des Kassenbeleges (vom ) den Zinsverzicht hinsichtlich des darin genannten Saldos zugestanden. Durch den Verzicht auf die im Wirtschaftsverkehr für Darlehen üblicherweise zu zahlenden Zinsen sei eine Bereicherung im Vermögen der Beschwerdeführerin eingetreten, weshalb die Voraussetzungen eines steuerpflichtigen Vorgangs im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG in objektiver Hinsicht gegeben seien. In subjektiver Hinsicht könne der Bereicherungswille aus dem Sachverhalt und unter Beachtung der Verkehrsauffassung erschlossen werden.

Im Beschwerdefall sei ab der schriftlichen Vereinbarung vom vorerst eine monatliche Ratenzahlung von EUR 1.500,-- vorgesehen gewesen. Die Rückzahlungen seien im Wesentlichen auch vereinbarungsgemäß geleistet worden. Erst ab dem habe HB auf regelmäßige Rückzahlungen verzichtet (die Beschwerdeführerin habe dann zu bezahlen, "wenn es passt"). Somit sei bis zum Einstellen der Darlehensrückzahlungen im April 2007 ein unverzinslich gegebenes Darlehen von bestimmter Dauer anzunehmen, weshalb in diesem Fall nur die konkrete Zinsenersparnis für die Laufzeit der Kapitalnutzung der Schenkungssteuer zu unterziehen sei. Ab dem vereinbarungsgemäßen Einstellen von Rückzahlungen sei hingegen von einem unverzinslichen Darlehen auf unbestimmte Dauer auszugehen, welches mit Entstehen der Steuerschuld auch sofort steuerpflichtig werde. "Bemessungsgrundlage für die Schenkungssteuer


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Zuzählung
Tilgung am
Laufzeit
5,5 % Zinsen
35.000,00 EUR
12 Monate
1.925,00 EUR
14.000,00 EUR
23 Monate
1.475,83 EUR
16.000,00 EUR
35 Monate
2.566,67 EUR
8.746,00 EUR
39 Monate
1.563,35 EUR
34.004,00 EUR
37 Monate
5.766,51 EUR
ab
93.796,00 EUR
unbestimmt
9-fach
46.429,02 EUR
Summen
201.546,00 EUR
59.726,38 EUR"

Daraus ergebe sich ein abgerundeter steuerpflichtiger Erwerb von EUR 59.616,--, bei dem die Schenkungssteuer (30%, Steuerklasse V) EUR 17.884,80 ausmache.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im rechtmäßig vorgebrachten Beschwerdepunkt in ihrem Recht auf Berücksichtigung des Stufenausgleiches gemäß § 8 Abs. 2 ErbStG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verfahrensakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie eingestand, den falschen Steuersatz angewendet und die Regelung des § 8 Abs. 2 ErbStG nicht beachtet zu haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 - ErbStG - in der Fassung vor der Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 23/07 u.a., unterlagen der Schenkungssteuer Schenkungen unter Lebenden.

Als Schenkung im Sinne des ErbStG gilt gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 leg. cit. jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes und gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 leg. cit. auch jede andere freigiebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Gem. § 8 Abs. 1 ErbStG beträgt die Steuer bei Erwerben bis einschließlich EUR 73.000,00 in der Steuerklasse V 26 v. H. des Erwerbs.

Die Steuer nach § 8 Abs. 1 ErbStG ist gem. § 8 Abs. 2 ErbStG in der Weise zu berechnen, dass von dem Wertbetrag des Erwerbes, nach Abzug der Steuer nicht weniger erübrigt wird, als von dem höchsten Wertbetrage der nächst niedrigeren Stufe des Tarifes nach Abzug der nach dieser entfallenden Steuer.

Mehrere innerhalb zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile werden gem. § 11 Abs. 1 ErbStG in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerbe die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Werte zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, welche für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten zu erheben gewesen wäre.

Die durch jeden weiteren Erwerb veranlasste Steuer darf gem. § 11 Abs. 2 ErbStG nicht mehr betragen als 60 v.H. dieses Erwerbes.

Die Steuerschuld entsteht gem. § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.

Gem. § 14 Abs. 1 Z 3 ErbStG bleibt bei der Berechnung der Steuer nach § 8 Abs. 1 oder § 8 Abs. 3 ErbStG für Personen der Steuerklasse V ein Betrag von EUR 110,00 steuerfrei.

Der Gesamtwert von Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, ist gem. § 15 Abs. 1 BewG die Summe der einzelnen Jahreswerte abzüglich der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen. Der Gesamtwert darf das Achtzehnfache des Jahreswertes nicht übersteigen.

Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind gem. § 15 Abs. 2 BewG mit dem Achtzehnfachen des Jahreswertes, Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich des § 16 mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten.

Gem. § 17 Abs. 1 BewG ist der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme, wenn kein anderer Wert feststeht, mit 5,5 v. H. anzunehmen.

Im Darlehensvertrag verpflichtet sich gem. § 983 ABGB der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, dem Darlehensgeber spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben.

Der Darlehensvertrag ist ein Realvertrag und kommt erst mit der Übergabe der Sachen zustande (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/16/0108, mwN).

Bei der Hingabe eines zinsenfreien Darlehens handelt es sich grundsätzlich um eine freigiebige Zuwendung, wobei das Ausmaß des Verzichtes auf Zinsen durch den Darlehensgeber und der Einsparung des Darlehensnehmers an Zinsen (Bereicherung) regelmäßig das Ausmaß der freigiebigen Zuwendung im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0028, mwN). Die tatsächliche Erfüllung, also die Zuzählung des Darlehensbetrages, löst den Steuertatbestand aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/16/0266).

In dem Fall, dass ein Darlehen von vornherein unverzinslich gegeben wird, ist gemäß den Vorschriften des Bewertungsgesetzes sofort auf die gesamte Laufzeit des Darlehens der kapitalisierte Betrag an Zinsersparnis der Schenkungssteuer zu unterziehen. Die §§ 15 Abs. 1 und 17 Abs. 1 und 3 BewG sehen nämlich eine einmalige Bewertung einer zukünftigen Nutzung einer Geldsumme vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/16/0266, sowie Fellner , Erbschafts- und Schenkungssteuer, Tz 29a zu § 3).

Daraus ergibt sich, dass bei der Ermittlung der Schenkungssteuer aufgrund der Überlassung von Darlehensbeträgen zunächst Feststellungen über jedes einzelne Darlehen, insbesondere über die Höhe der Zuzählung sowie die Vereinbarung allfälliger Zinsen, Befristungen, Rückzahlungen und dergleichen zu treffen sind.

Im Falle unverzinslicher Darlehen - wovon die belangte Behörde im Beschwerdefall ausgegangen ist - sind grundsätzlich Schenkungen in der Höhe der Zinsersparnis anzunehmen. In solchen Fällen muss für jedes dieser Darlehen die Bemessungsgrundlage anhand der in den §§ 15 und 17 BewG vorgeschriebenen Bewertungsregeln ermittelt werden. Dabei ist bei befristeten Darlehen zunächst der Jahreswert gem. § 17 Abs. 1 BewG der einzelnen Jahre zu ermitteln, wobei grundsätzlich ein Zinssatz von 5,5 % zugrunde zu legen ist. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt es dabei nicht in erster Linie auf die Höhe der dem Darlehensgeber durch die Überlassung eines zinsenlosen Darlehens entgangenen (Bank)Zinsen an. Gegenstand der Schenkungssteuer ist nämlich der Erwerb durch den Darlehensnehmer. Dieser Erwerb ist nach den Regeln des BewG zu bewerten.

Die Summe der einzelnen Jahreswerte ergibt (unter Berücksichtigung von Zwischen- und Zinseszinsen) nach § 15 Abs. 1 BewG den Gesamtwert der Nutzung des jeweiligen Darlehens, der der Berechnung der Steuer nach § 8 Abs. 1 ErbStG und zwar unter allfälliger Berücksichtigung des Stufenausgleichs nach § 8 Abs. 2 ErbStG zugrunde zu legen ist.

Erst danach ist für alle innerhalb von zehn Jahren anfallenden Erwerbe die Zusammenrechnung nach § 11 ErbStG unter einmaliger Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 14 Abs. 1 Z 1 ErbStG durchzuführen (vgl. die bei Fellner , Erbschafts- und Schenkungssteuer, Tz 10 zu § 11 ErbStG genannte hg. Rechtsprechung).

Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid Feststellungen zu den einzelnen Darlehensverträgen, insbesondere über deren Unentgeltlichkeit, vereinbarte Befristungen, Rückzahlungen und dergleichen nur bruchstückhaft zu entnehmen sind, sodass sich der Bescheid insoweit der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof entzieht und schon deswegen als rechtswidrig erweist.

Soweit die belangte Behörde offenbar von befristeten Darlehen mit vereinbarten regelmäßigen Rückzahlungen (also nicht von endfälligen Darlehen) ausgeht, ist sie darauf hinzuweisen, dass sie dies bei der Bewertung der Darlehensverträge hätte berücksichtigen müssen. In einem solchen Fall ergibt sich nämlich für jedes Jahr ein anderer (nämlich niedrigerer) Jahreswert, weil vereinbarte Rückzahlungen das zur Nutzung überlassene Kapital verringern. Darüber hinaus hat die belangte Behörde auch den falschen Steuersatz angewendet und den Härteausgleich nach § 8 Abs. 2 ErbStG unterlassen.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am