VwGH vom 02.07.2015, 2013/04/0043

VwGH vom 02.07.2015, 2013/04/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Beschwerde des H S in G, vertreten durch Kaufmann Lausegger Rechtsanwalts OG in 8020 Graz, Mariahilferstraße 20/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. Präs-048079/2011/0014, betreffend Vorschreibung einer späteren Aufsperr- bzw. einer früheren Sperrstunde nach § 113 Abs. 5 GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), im Umlaufweg zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

Begründung

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz (im Folgenden: Behörde) wurde für den Gastgewerbebetrieb des Beschwerdeführers gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 auf Grund sicherheitspolizeilicher Bedenken die Sperrstunde mit 02.00 Uhr und die Aufsperrstunde mit 08.00 Uhr vorgeschrieben.

Die Behörde führte begründend aus, die gastgewerbliche Betriebsanlage des Beschwerdeführers befinde sich in Graz im Nahebereich des sogenannten "Univiertels", wo mehrere Nachtlokale ansässig seien. Im erstinstanzlichen Verfahren sei seitens der Bundespolizeidirektion Graz für den Zeitraum von 34 Monaten eine "Vorfallsliste" vorgelegt worden. Demnach seien im Beobachtungszeitraum Jänner 2010 bis Oktober 2012 in der Zeit nach 02.00 Uhr im Lokal bzw. unmittelbar dort 55 (davon 53 nach dem StGB strafbare), dem Lokal zurechenbare Vorfälle (nämlich 24 Körperverletzungen - darunter zwei schwere -, ein Raufhandel, 27 Diebstähle, und drei Verwaltungsübertretungen) registriert worden. Die Anzahl der festgestellten Vorfälle gehe gemessen an dem Beobachtungszeitraum von drei Jahren deutlich über ein Maß hinaus, dass für ein Lokal dieser Art als vernachlässigbar angesehen werden könne.

Art und Anzahl der Vorfälle rechtfertigten die Annahme des Vorliegens sicherheitspolizeilicher Bedenken. Angesichts des Umstandes, dass sich die Vorfälle überwiegend nach 02.00 Uhr ereignet hätten, sei die Vorverlegung der Sperrstunde geeignet, zu einer relevanten Verringerung der sicherheitspolizeilich bedenklichen Vorfälle zu führen, und aus diesem Grund nicht unverhältnismäßig.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 261/13-3 ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; hilfsweise wird der Antrag gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden.

Die Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

3.1. Gemäß § 8 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, hat der Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren, in denen der Verfassungsgerichtshof bis zum Ablauf des eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des B-VG und des VwGG weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

3.2. Nach § 113 Abs. 5 GewO 1994 hat die Gemeinde eine spätere Aufsperrstunde oder eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales "sicherheitspolizeiliche Bedenken" das Bestehen von durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen gedeckten konkreten Bedenken, aus deren Art sich schlüssig erkennen lässt, dass ihnen durch die Vorschreibung einer früheren Sperrstunde wirksam begegnet werden kann, wobei sowohl die Anzahl als auch die Beschaffenheit von angezeigten Vorfällen sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck bringen können, die der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken eine ausreichende Grundlage geben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/04/0042, und das hg. Erkenntnis vom , 2012/04/0114, je mwN; vgl. im Übrigen zur Ablehnung eines "Durchschnittskalküls" der Vorfallszahlen gemessen an der jeweiligen Betriebsart des Lokals das hg. Erkenntnis vom , 2010/04/0056).

3.3. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in seinen wesentlichen und tatsächlichen Umständen jenen, über die mit Erkenntnis vom , 2013/04/0042, vom , 2013/04/0161, und jeweils vom , 2012/04/0114, 2012/04/0115 und 2012/04/0116, zu entscheiden war. Es kann daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf diese Erkenntnisse verwiesen werden.

Ergänzend ist festzuhalten, dass das erstmalig in der Beschwerde erstattete (nicht konkretisierte) Tatsachenvorbringen, die vom Lokal des Beschwerdeführers ausgehende "Bedrohungssituation" habe sich in den letzten 18 Jahren nicht verändert, dem Neuerungsverbot unterliegt.

Die von der Beschwerde als fehlend gerügte Feststellung, von sechs Körperverletzungen seien vier jedenfalls ebenso dem Nachbarlokal, mit welchem sich der Betrieb des Beschwerdeführers den Eingangsbereich teile, zuzurechnen, ist von vornherein nicht geeignet, sicherheitspolizeiliche Bedenken betreffend den verfahrensgegenständlichen Betrieb zu zerstreuen. Ein Feststellungsmangel wird damit nicht aufgezeigt.

Die Nichtentsprechung eines an die Bundespolizeidirektion Graz gerichteten Auskunftsersuchens ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Im Übrigen wird mit dem Vorbringen, es seien dort "wesentliche Auskünfte" verlangt worden, keine Relevanz dargetan.

Ausgehend von der nicht zu beanstandenden Heranziehung der dargestellten "Vorfallslisten" (vgl. hierzu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/04/0114) zeigt der Beschwerdeführer auch mit der Verfahrensrüge, die Behörde hätte bestimmte Akten beischaffen müssen, keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Sofern die Beschwerde vermeint, es sei zu einer Auslagerung des Ermittlungsverfahrens gekommen, weil die herangezogenen "Vorfallslisten" von der Sicherheitsdirektion stammen würden, und die belangte Behörde nur noch die unbekämpfbare Sachverhaltsannahme treffe, dass sicherheitsbehördliche Bedenken bestünden, ist ihr zu entgegnen, dass die Annahme des Bestehens sicherheitspolizeilicher Bedenken keine Tatsachenfeststellung sondern eine rechtliche Beurteilung darstellt.

Mit dem Vorbringen, dass andere Lokale in der nächsten Umgebung, insbesondere jedoch das Nachbarlokal des verfahrensgegenständlichen Betriebes, nicht von einer Sperrstundenvorverlegung betroffen seien, macht die Beschwerde keinen Umstand geltend, aus dem sich ergäbe, dass den auf die festgestellten Anzeigen basierenden sicherheitspolizeilichen Bedenken nicht durch eine Vorverlegung der Sperrstunde für den Gastgewerbebetrieb des Beschwerdeführers begegnet werden könne.

3.4. Insofern die Beschwerde wie bereits in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vorbringt, die Bestimmung des § 113 Abs. 5 GewO 1994 verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 B-VG, ist sie auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom , B 261/13-3, zu verweisen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014 - auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am