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VwGH vom 29.04.2014, 2013/04/0042

VwGH vom 29.04.2014, 2013/04/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der H OG in G, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Dr. Gunther Ledolter, Mag. Martin Sudi, Mag. Georg Siarlidis und Mag. Andreas Huber, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. Präs-047933/2011/0013, betreffend Verlegung der Aufsperrstunde und der Sperrstunde gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz (im Folgenden: Behörde) wurde für den Gastgewerbebetrieb der Beschwerdeführerin gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 auf Grund sicherheitspolizeilicher Bedenken die Sperrstunde mit 02.00 Uhr und die Aufsperrstunde mit 08.00 Uhr vorgeschrieben.

Die Behörde führte zunächst aus, dass die Beschwerdeführerin Inhaberin einer näher bezeichneten gastgewerblichen Betriebsanlage sei, die sich in Graz im Nahbereich des sogenannten "Univiertels" befinde, wo mehrere Nachtlokale ansässig seien.

Im erstinstanzlichen Verfahren sei seitens der Bundespolizeidirektion Graz für den Zeitraum von Jänner 2010 bis April 2011 eine "Vorfallsliste" vorgelegt worden. Demnach seien in diesem Beobachtungszeitraum in der Zeit zwischen 02.00 Uhr und 08.00 Uhr im Lokal bzw. unmittelbar dort 19 nach dem StGB grundsätzlich strafbare, dem Lokal zurechenbare Vorfälle (nämlich zwei Körperverletzungen - darunter eine Attacke mit einer Glasflasche - und 17 Diebstähle, die Geldbörsen, Handtaschen, Handys, eine Digitalkamera und eine Jacke betrafen) registriert worden.

Im Berufungsverfahren sei das Ermittlungsverfahren fortgesetzt worden und es seien seitens der Bundespolizeidirektion Graz "Vorfallslisten" betreffend weitere Beobachtungszeiträume vorgelegt worden. Im Zeitraum von Mai 2011 bis März 2012 seien, wiederum nach 02.00 Uhr, 22 Vorfälle registriert worden, nämlich zwei schwere Körperverletzungen, eine Körperverletzung, zwei Sachbeschädigungen und 17 Diebstähle. Die Körperverletzungen hätten Faustschläge ins Gesicht und Schläge mit einem Aschenbecher umfasst, die Diebstähle hätten Geldbörsen, Handys, Jacken und Bargeld betroffen. Im selben Beobachtungszeitraum hätten sich vor 02.00 Uhr vier Vorfälle ereignet. Schließlich seien im Zeitraum von April 2012 bis nach 02.00 Uhr fünf Vorfälle (zwei Körperverletzungen und drei Diebstähle), vor 02.00 Uhr hingegen kein Vorfall registriert worden. Insgesamt seien zwischen Jänner 2010 und Oktober 2012 somit 46 Vorfälle nach 02.00 Uhr registriert worden (demgegenüber nur vier Vorfälle vor 02.00 Uhr). Die betreffenden Ermittlungsergebnisse seien der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs jeweils zur Stellungnahme übermittelt worden.

In rechtlicher Hinsicht verwies die Behörde auf die - ebenfalls Lokale im Grazer "Univiertel" betreffenden - Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 2012/04/0114, 2012/04/0115 und 2012/04/0116. Diesen (die Beschwerden jeweils als unbegründet abweisenden) Erkenntnissen seien jeweils "Vorfallslisten" zugrunde gelegen, die hinsichtlich ihrer Erstellung, der Vorfallsspezifikation und der Zuordnungsgenauigkeit denjenigen gleichen, die im vorliegenden Fall herangezogen worden seien. Die Bundespolizeidirektion habe zur "Vorfallserfassung" detailliert Stellung genommen, sie sei bei der Zuordnung der Vorfälle zurückhaltend vorgegangen und habe nur eindeutig dem Lokal zurechenbare Vorfälle in die Liste aufgenommen. Die überwiegende Anzahl der Vorfälle habe sich im Lokal selbst ereignet, die übrigen im unmittelbaren Eingangsbereich, die Zuordnung könne daher nicht zweifelhaft sein. Zusammenfassend ging die Behörde davon aus, dass die "Polizeilisten" eine taugliche Quelle darstellten, um die Frage des Bestehens sicherheitspolizeilicher Bedenken zu beurteilen. Die konkret festgestellten Vorfälle rechtfertigten nach Ansicht der Behörde die Annahme des Bestehens sicherheitspolizeilicher Missstände, wobei die Behörde diesbezüglich auf die Anzahl und die Beschaffenheit der Vorfälle verwies sowie ergänzend anmerkte, dass das gegenständliche Lokal kleiner sei als diejenigen, die Gegenstand der zitierten verwaltungsgerichtlichen Verfahren gewesen seien. Angesichts des Umstandes, dass sich die Vorfälle überwiegend nach 02.00 Uhr ereignet hätten, sei zu erwarten, dass mit der Vorverlegung der Sperrstunde eine relevante Verringerung der sicherheitspolizeilich bedenklichen Vorfälle eintreten werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 240/13-3 ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin ergänzte ihre Beschwerde auftragsgemäß.

Die Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete zunächst eine Gegenschrift sowie - zur darauf ergangenen Gegenäußerung und weiteren Urkundenvorlagen der Beschwerdeführerin - eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:

Gemäß § 8 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, hat der Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren, in denen der Verfassungsgerichtshof bis zum Ablauf des eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des B-VG und des VwGG weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Nach § 113 Abs. 5 GewO 1994 hat die Gemeinde eine spätere Aufsperrstunde oder eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales "sicherheitspolizeiliche Bedenken" das Bestehen von durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen gedeckten konkreten Bedenken, aus deren Art sich schlüssig erkennen lässt, dass ihnen durch die Vorschreibung einer früheren Sperrstunde wirksam begegnet werden kann, wobei sowohl die Anzahl als auch die Beschaffenheit von angezeigten Vorfällen sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck bringen können, die der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken eine ausreichende Grundlage geben (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/04/0114, mwN).

Die Beschwerdeführerin verweist zunächst auf den Umstand, dass in den - der Bescheiderlassung vorausgegangenen - sieben Monaten "nur 5 registrierte Vorfälle" vorliegen würden. Diese könnten nicht als Missstände und somit auch nicht als sicherheitspolizeilich bedenklich bezeichnet werden. Weiters erachtet es die Beschwerdeführerin als fragwürdig, die sicherheitspolizeilichen Bedenken allein auf eine Polizeiliste zu stützen, in die alle Anzeigen "unüberprüft" aufgenommen würden.

Dieses Vorbringen ist angesichts der zusammengefasst wiedergegebenen Feststellungen der Behörde sowohl zur Zahl als auch zur Art der angezeigten Vorfälle nicht geeignet, die im angefochtenen Bescheid vertretene Annahme von sicherheitspolizeilichen Bedenken iSd § 113 Abs. 5 GewO 1994 in Zweifel zu ziehen. Im Beschwerdefall konnte sich die Behörde auf konkrete Sachverhaltsfeststellungen in den von der Bundespolizeidirektion Graz vorgelegten "Vorfallslisten" stützen, mit deren Erstellung sich die Behörde im angefochtenen Bescheid zudem auseinandergesetzt hat (vgl. zu derartigen "Vorfallslisten" als Grundlage für die Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken auch das von der Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/04/0114). Die Art der hier festgestellten Vorfälle (darunter - teilweise schwere - Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Diebstähle) und ihre Anzahl im Beobachtungszeitraum von 34 Monaten rechtfertigen an sich sicherheitspolizeiliche Bedenken iSd § 113 Abs. 5 GewO 1994. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich auch aus dem Umstand, dass in den letzten sieben Monaten vor Bescheiderlassung "nur" fünf Vorfälle registriert worden seien, nichts anderes, zumal ein solcher Zeitraum - selbst wenn es anders als hier währenddessen zu keinen Anzeigen gekommen wäre - angesichts der zuvor mehr als zwei Jahre hindurch aufgetretenen Vorfälle zu kurz wäre, um auf einen Wegfall der sicherheitspolizeilichen Bedenken schließen zu können (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0050).

Wenn die Beschwerdeführerin darauf verweist, dass es ihrer Kenntnis nach keine gerichtlichen Verfahren betreffend die gegenständlichen Delikte gäbe, ist ihr - wie schon die Behörde dargelegt hat - entgegenzuhalten, dass sicherheitspolizeiliche Bedenken nicht davon abhängig sind, dass es zu gerichtlichen Verurteilungen oder Vorerhebungen gekommen ist (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0012).

Im Hinblick auf den Umstand, dass sich die überwiegende Anzahl der Vorfälle nach 02.00 Uhr ereignet hat, ist der behördlichen Annahme, eine Vorverlegung der Sperrstunde lasse eine relevante Verringerung der sicherheitspolizeilich bedenklichen Vorfälle erwarten, nicht entgegenzutreten. Anders als die Beschwerdeführerin meint, steht der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken, denen durch eine Vorverlegung der Sperrstunde wirksam begegnet werden kann, nicht entgegen, dass diese Maßnahme "nicht automatisch zum gänzlichen Wegfall der Vorkommnisse führen" könne.

Soweit die Beschwerdeführerin andeutet, die "Gegner" ihres Lokals (Anrainer oder Mitbewerber) könnten durch Anzeigen versuchen, sie zu schädigen, bleibt das Vorbringen unsubstantiiert bzw. spekulativ und ist schon deshalb nicht geeignet, eine Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Ausgehend von der nicht zu beanstandenden Heranziehung der dargestellten "Vorfallslisten" zeigt die Beschwerdeführerin auch mit der Verfahrensrüge, die Behörde hätte bestimmte Akten beischaffen müssen, keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Soweit die Beschwerdeführerin die unterlassene Einvernahme beantragter Zeugen moniert, fehlt es dem Vorbringen schon an der erforderlichen Relevanzdarstellung. Gleiches gilt auch für das Vorbringen, die "Polizeilisten" seien von einer für das gegenständliche Lokal nicht zuständigen Polizeiinspektion erstellt worden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014 - auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am