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VwGH vom 25.11.2010, 2010/16/0128

VwGH vom 25.11.2010, 2010/16/0128

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes Grieskirchen Wels, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0171- L/10, betreffend Familienbeihilfe, (mitbeteiligte Partei: Dipl.Ing. S, S) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist Folgendes zu entnehmen:

Mit Bescheid vom wies das beschwerdeführende Finanzamt einen Antrag des Mitbeteiligten auf Gewährung von Familienbeihilfe für seinen am geborenen Sohn P. für die Zeit ab Mai 2006 ab. Nach Ansicht des Finanzamtes absolviere P. eine Ausbildung zum Religionslehrer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und stelle diese Ausbildung keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes dar.

Eine dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0232, (Vorerkenntnis) diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Die belangte Behörde stellte im fortgesetzten Verfahren mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens fest, nach den innerkirchlichen Normen für die Zulassung als Religionslehrer sei die Missionstätigkeit eine Voraussetzung für eine spätere Lehrtätigkeit, die Absolvierung der Vollzeitmission sei Voraussetzung für die Befugnis als Religionslehrer. Dieser Vollzeitmissionsdienst umfasse u.a. auch das tägliche Studium der Heiligen Schriften, das regelmäßige Studium von Sekundärliteratur, die Teilnahme an wöchentlichen Lehrveranstaltungen, die Teilnahme an Ausbildungsseminaren, die Unterweisung durch den Missionspräsidenten und andere leitende Kirchenbeamte sowie den Besuch der Priestertumsversammlung und der Sonntagsschule. Die Ausbildung sei mit "vorgeschriebenen, regelmäßigen Prüfungen" verbunden. Schließlich stellte die belangte Behörde fest, der Sohn des Mitbeteiligten habe die Vollzeitmission auch tatsächlich erfolgreich absolviert und die entsprechende Entlassungsurkunde erhalten. Damit könne vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe ab Mai 2006 ausgegangen werden.

Dagegen richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Finanzamtes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, u.a. für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, Anspruch auf Familienbeihilfe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinen Erkenntnissen vom , Zl. 99/15/0080, und vom , Zl. 2009/15/0021, dargelegt, nach welchen (objektiven) Voraussetzungen eine Ausbildung zum Religionslehrer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG angesehen werden könne. Auf die Gründe jener Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die vom beschwerdeführenden Finanzamt unbestrittene Feststellung getroffen, dass die nach dieser Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen im Falle des Sohnes des Mitbeteiligten gegeben seien.

Das Finanzamt trägt in der Beschwerde vor, die von der belangten Behörde als Teil der Berufsausbildung gesehene Tätigkeit der Vollzeitmission unterscheide sich nicht von jener Tätigkeit, die nur aus religiösen Gründen ohne den Berufswunsch eines Religionslehrers ausgeübt werde. Der Sohn des Mitbeteiligten habe zwar die Vollzeitmission erfolgreich absolviert und die entsprechende Entlassungsurkunde erhalten, es gäbe jedoch keinerlei Hinweis darauf, dass er den Beruf eines Religionslehrers tatsächlich angestrebt habe, und es sei nicht aktenkundig und nicht festgestellt worden, ob er die Tätigkeit als Religionslehrer auch tatsächlich ausgeübt habe. Daher sei die Absolvierung der Vollzeitmission im Beschwerdefall "offenkundig" ausschließlich aus religiösen Motiven erfolgt. Deshalb liege keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vor.

Eine tatsächliche spätere Ausübung des Berufes, zu welchem das Kind iSd § 2 FLAG ausgebildet wird, fordert § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht und stünde auch in einem Spannungsverhältnis zu einem in dieser Bestimmung unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehenen Anspruch auf Familienbeihilfe bei einem Studienwechsel und zur hg. Rechtsprechung, wonach der Anspruch auf Familienbeihilfe nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/15/0035). Die Rechtsansicht des Finanzamtes ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und würde auch zum nicht einsichtigen Ergebnis führen, dass bei längerer Berufsausbildung (etwa bei einem vielsemestrigen Universitätsstudium) unter Umständen erst nach einem langen - allenfalls die Frist der Verjährung von Rückforderungen der Familienbeihilfe überschreitenden - Zeitraum im Wege einer ex-post-Betrachtung beurteilbar wäre, ob eine Jahre zuvor ausgeübte Tätigkeit als Berufsausbildung zu werten wäre, die einen Anspruch auf Familienbeihilfe verschafft hätte. Schließlich ginge eine Forderung einer unmittelbar nach erfolgter Berufsausbildung begonnenen tatsächlichen Berufsausübung an der Wirklichkeit der Berufswelt und des Wirtschaftslebens vorbei.

Erst jüngst hat der Verwaltungsgerichtshof deshalb in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/13/0015, die Frage verneint, ob die Beurteilung einer Tätigkeit als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG von der weiteren tatsächlich gewählten Berufslaufbahn abhänge.

Daher kann das Finanzamt auch im vorliegenden Beschwerdefall nichts für seinen Standpunkt gewinnen, wenn der Sohn des Mitbeteiligten den Beruf des Religionslehrers, zu welchem er nach seiner Ausbildung befähigt sein mag, tatsächlich nicht ausgeübt hat.

Das vom beschwerdeführenden Finanzamt geforderte Motiv, der Beweggrund für eine Berufsausbildung ist nicht mit dem vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung geforderten ernstlichen und zielstrebigen Bemühen um einen Ausbildungserfolg (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/15/0089, vom , Zl. 2005/13/0142, vom , Zl. 2006/15/0178, vom , Zl. 2003/13/0157, vom , Zl. 2000/14/0093, und vom , Zl. 98/13/0042) zu verwechseln.

Entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes kommt es nicht darauf an, ob eine Berufsausbildung aus dem Motiv erfolgt, diesen Beruf später tatsächlich auszuüben, oder aus anderen Motiven. Das Motiv für eine Berufsausbildung kann sich im Laufe einer länger währenden Berufsausbildung ändern, weshalb sich schon von daher Abgrenzungsschwierigkeiten ergäben. Nicht jede anfänglich mit dem Motiv der späteren Berufsausübung begonnene Berufsausbildung wird bei Wegfall dieses Motives abgebrochen, sondern auch ohne Absicht einer Berufstätigkeit im ausgebildeten Beruf zu einem erfolgreichen Abschluss geführt (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom , worin der Gerichtshof ausgesprochen hat, es könne dem Kind nicht zum Nachteil gereichen, wenn es eine begonnene Ausbildung nicht abbricht und mit einer anderen Ausbildung beginnt, sondern die begonnene Ausbildung zunächst abschließt und erst danach die neue Ausbildung beginnt).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am