VwGH vom 27.09.2012, 2010/16/0127

VwGH vom 27.09.2012, 2010/16/0127

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der W in S, vertreten durch Dr. Monika Morscher-Spießberger, Rechtsanwältin in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0541-L/09, betreffend Familienbeihilfe ab Mai 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug Anträge der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihre vier Kinder No., geboren 1989, A., geboren 1991, Na., geboren 1999, und B., geboren 2005, ab. Die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann und ihre Kinder seien österreichische Staatsbürger. Die Familie habe sowohl in Österreich als auch in Ägypten einen Wohnsitz und halte sich zumeist im Winter in Ägypten, im Sommer in Österreich auf. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei in Ägypten geboren worden und dessen Eltern lebten noch in Ägypten. Die beiden älteren, nicht mehr schulpflichtigen Kinder der Beschwerdeführerin, besuchten in Ägypten weiterbildende Schulen, die jüngere, noch schulpflichtige Tochter besuche in Ismailia (Ägypten) die Manar Language School, im Jahr 2008 habe sie überdies von Ende Mai bis Schulschluss und vom 8. September bis 14. November die Volksschule in S., Österreich, besucht. Im Streitzeitraum ab Mai 2008 hätten folgende Aufenthaltsorte der einzelnen Familienmitglieder festgestellt werden können: No., A. und Na. seien bis in Ägypten, vom 25. Mai bis in Österreich, vom bis in Ägypten, anschließend bis in Österreich gewesen. Seither würden sie sich wieder in Ägypten aufhalten. Die Beschwerdeführerin selbst sei zusammen mit dem jüngsten Kind vor und zu Beginn des Streitzeitraums in Österreich gewesen, ab jeweils gleichzeitig mit den anderen Kindern in Ägypten. Der Kindesvater sei am von Ägypten nach Österreich gekommen und habe sich ab ebenfalls zu den gleichen Zeiten wie die übrige Familie in Ägypten aufgehalten. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehemann hätten während ihrer Aufenthalte in Österreich teilweise kurzzeitige Arbeitsverhältnisse und hätten im Übrigen Überbrückungshilfen durch das Arbeitsmarktservice bezogen.

Nach Ausführungen zum ständigen Aufenthalt der Kinder hielt die belangte Behörde zum Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin fest, es ergebe sich folgendes Bild: Die Beschwerdeführerin, die zweifellos ihre Wurzeln in Österreich habe und deren Mutter hier lebe, lebe in aufrechter Ehe mit ihrem in Ägypten geborenen Ehemann, der österreichischer Staatsbürger sei, dessen Eltern jedoch in Ägypten lebten. Bereits seit mehreren Jahren halte sich die gesamte Familie regelmäßig während des Winterhalbjahres für mehrere Monate in Ägypten auf und bewohne dort eine Wohnung, die nach Auskunft der Beschwerdeführerin von den Eltern des Ehegatten zur Verfügung gestellt worden sei. Weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehemann stünden während ihrer Aufenthalte in Österreich in einem regelmäßigen Arbeitsverhältnis, sondern nur teilweise in kurzzeitigen Dienstverhältnissen und bezögen zumeist Überbrückungshilfe durch das Arbeitsmarktservice. Nach Auskunft der Beschwerdeführerin würde der Lebensunterhalt in Ägypten aus einem Fischgeschäft bestritten, dass der Familie des Ehegatten gehöre und gemeinsam "von allen" betreut würde. Die Kinder absolvierten ihre Schulausbildung in Ägypten.

Diese Lebensweise zeige trotz der österreichischen Herkunft der Beschwerdeführerin und der noch bestehenden Beziehungen zur Mutter starke persönliche Beziehungen zu Ägypten auf, zumal auch die Entscheidung für eine Schulausbildung der Kinder in Ägypten den Schluss zulasse, dass den dort vermittelten kulturellen Werten der Vorzug gegenüber den in Österreich vermittelten Werten gegeben würde.

Dass sich die Beschwerdeführerin von der Geburt des jüngsten Kindes im Jahr 2005 bis zum Jahr 2008 teilweise allein mit diesem Kind überwiegend in Österreich aufgehalten habe, einerseits weil das Kind gesundheitliche Probleme gehabt habe, andererseits deshalb, weil im Winter 2007/2008 auch die Mutter der Beschwerdeführerin pflegebedürftig geworden sei und deren Übersiedlung in ein Pflegeheim vorbereitet worden sei, zeige wiederum persönliche Beziehung zu Österreich auf, die speziell in den ersten Lebensjahren des Kindes nicht von der Hand zu weisen seien. Aus den geschilderten Lebensumständen komme die belangte Behörde aber zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum (ab Mai 2008) die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Ägypten habe. Die Beschwerdeführerin lebe mit ihrer Familie (Ehegatte und vier Kinder) regelmäßig sowohl in Österreich als auch Ägypten zusammen, wobei auf Grund der Schulausbildung der Kinder ein leichter zeitlicher Überhang in Ägypten gegeben sei. Insbesondere aus der Tatsache, dass die Kinder ihre gesamte Schulausbildung in Ägypten erhielten, lasse annehmen, dass auch die Kinder einen stärkeren Bezug zu Ägypten erhielten und sich dadurch das Familienleben der Beschwerdeführerin immer stärker nach Ägypten verlagere. Demgegenüber stünden die persönlichen Bindungen, die die Beschwerdeführerin noch an ihre in Österreich lebende Mutter habe, im Hintergrund. Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in Österreich großteils nur Transferleistungen beziehe und auch die österreichischen Arbeitseinkünfte des Ehegatten so gering seien, dass damit der Lebensunterhalt für eine sechsköpfige Familie nicht bestritten werden könne, sei zu schließen, dass der Familienbetrieb in Ägypten die eigentliche Einkunftsquelle sei, welche der Familie den Lebensunterhalt ermögliche, sodass auch der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Beziehungen in Ägypten gelegen sei.

Ungeachtet eines allfälligen Schwerpunktes der persönlichen Beziehungen zu Österreich während der ersten Lebensjahres des jüngsten Kindes sehe die belangte Behörde im Beschwerdezeitraum den Mittelpunkt der Lebensinteressen als nicht mehr in Österreich gelegen an.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder. Gemäß § 2 Abs. 2 lit. b FLAG haben solche Personen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder.

Personen haben gemäß § 2 Abs. 8 FLAG nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat nach dieser Bestimmung den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zudem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Die Beschwerdeführerin stellt die von der belangten Behörde festgestellten Aufenthaltszeiten ihrer Familie in Österreich und in Ägypten nicht in Abrede und räumt ein, dass ihre beiden ältesten Kinder, die nicht mehr schulpflichtig seien, in Ägypten weiterbildende Schulen besuchten. Sie trägt vor, die jüngere, noch schulpflichtige Tochter Na. besuche von Ende Mai bis Schulschluss und von 8. September bis 14. November (gemeint wohl 2008), die Volksschule in Österreich. Alle Familienmitglieder seien österreichische Staatsbürger und lebten regelmäßig länger in Österreich als in Ägypten. Die Beschwerdeführerin beabsichtige, ganz in Österreich zu bleiben, sobald ihre beiden älteren Kinder ihre Berufsausbildung beendet hätten. Die Auffassung der belangten Behörde, dass sich das Familienleben der Beschwerdeführerin in Hinkunft stärker nach Ägypten verlagern würde, sei nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass ihre Kinder eine Schulausbildung in Ägypten genössen, rechtfertige nicht die Annahme, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin auch dort gelegen sei.

Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben. Dies setzt das Fehlen einer ausschlaggebenden und stärkeren Bindung zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen, voraus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0125, mwN).

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin einen Wohnsitz jeweils in Österreich und in Ägypten und sind die Aufenthaltszeiten der Beschwerdeführerin, ihres Ehemannes und ihrer jüngeren Kinder in Österreich und in Ägypten etwa gleich lang. Zu den persönlichen Beziehungen hat die belangte Behörde unbestritten festgestellt, dass die Mutter der Beschwerdeführer in Österreich lebte und erst vor kurzem die Übersiedlung in ein Pflegeheim vorbereitet worden sei. Die Schwiegereltern der Beschwerdeführerin lebten in Ägypten und dort würde von "der Familie" ein Fischgeschäft betrieben. Zusammen mit dem unstrittigen Schulbesuch der Kinder der Beschwerdeführerin in Ägypten, wobei der Volksschulbesuch einer Tochter der Beschwerdeführerin in Österreich nur Bruchteile des Schuljahres ausmachte, durfte die belangte Behörde sohin unbedenklich davon ausgehen, dass die persönlichen Beziehungen der Beschwerdeführerin unbeschadet der Staatsbürgerschaft enger zu Ägypten als zu Österreich liegen.

Die ebenfalls unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann in Österreich kein den Familienunterhalt gewährleistendes Einkommen durch eine Erwerbstätigkeit erzielten, während das "Familienunternehmen" in Ägypten bestehe, berechtigten die belangte Behörde zusammen mit der Feststellung, die Familie der Beschwerdeführer habe in Ägypten eine von den Eltern ihres Ehemannes zur Verfügung gestellt Wohnung, zu dem rechtlichen Schluss, die Beschwerdeführerin habe zu Ägypten die engeren wirtschaftlichen Beziehungen als zu Österreich.

Die Behauptung in der Beschwerde, die Beschwerdeführerin beabsichtige gemeinsam mit der Familie ganz in Österreich zu bleiben, sobald ihre beiden älteren Kinder ihre Berufsausbildung beendet hätten, wird durch keinerlei Umstand belegt und betrifft überdies in einem in der Zukunft gelegenen Zeitpunkt, zu dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen wieder verlagern kann.

Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, es ergebe sich aus dem Akteninhalt kein Hinweis darauf, dass der Familienbetrieb in Ägypten die eigentliche Einkunftsquelle ihrer Familie sei, sind die insoweit unbestrittene Feststellung der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann in Österreich kein den Familienunterhalt gewährleistendes Erwerbseinkommen hätten und nur kurzfristige Gelegenheitsarbeiten des Ehemannes der Beschwerdeführerin, Überbrückungshilfe aus dem Arbeitsmarktservice und Transferleistungen zum Lebensunterhalt herangezogen werden könnten.

Da die belangte Behörde mangels Mittelpunkts der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin in Österreich den Anspruch auf Familienbeihilfe abzuweisen hatte, erübrigt es sich, auf die (alternative) Begründung der belangten Behörde einzugehen, die Kinder der Beschwerdeführerin hätten ihren ständigen Aufenthalt im Ausland.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am