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VwGH vom 27.02.2007, 2005/21/0041

VwGH vom 27.02.2007, 2005/21/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. P. Trefil, über die Beschwerde des E, geboren 1977, derzeit in der Türkei, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 138.592/7-III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte mit dem an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz gerichteten Anwaltsschriftsatz vom den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und jeweils "in eventu" Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, auf Feststellung seines Aufenthaltsrechtes und auf Duldung seines Aufenthaltes. Zur Begründung verwies der Beschwerdeführer auf die ihm - seiner Ansicht nach - aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) zustehende Aufenthaltsberechtigung und brachte dazu im Wesentlichen vor, er sei am als Kind türkischer Gastarbeiter in Bregenz geboren worden. Ab dem sechsten Lebensmonat habe er bei seinen Großeltern in der Türkei gelebt, sei aber dann 1987 zu seinen Eltern nach Österreich gezogen. In der Folge sei ihm eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Er sei zuletzt berufstätig und im Besitz eines bis gültigen Befreiungsscheines gewesen. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom sei zwar gegen ihn ein - mittlerweile abgelaufenes - Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren verhängt worden, weshalb er am in die Türkei abgeschoben worden sei und wo er sich seither aufhalte. Wie bei einem unfreiwilligen Aufenthalt in Haft habe der Beschwerdeführer dadurch jedoch seine assoziationsintegrierte Stellung nicht verloren.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wurde dem Beschwerdeführer insbesondere vorgehalten, dass er - entgegen seiner im Antrag vertretenen Ansicht - im Hinblick auf die in Vollziehung des genannten Aufenthaltsverbotes erfolgte Abschiebung und seinen weiteren Aufenthalt in der Türkei nicht (mehr) die Voraussetzungen nach dem ARB erfülle. Der Beschwerdeführer bedürfe daher für die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung näher genannter ausländerbeschäftigungsrechtlicher Dokumente, zu deren Vorlage er aufgefordert wurde.

Der Beschwerdeführer erstattete dazu durch seinen Rechtsvertreter am eine Stellungnahme, deren Punkt 1 er mit "Grundlegend neue Verfahrensposition" überschrieb. In den weiteren Ausführungen vertrat der Beschwerdeführer nunmehr die Auffassung, die ihm erteilte unbefristete Aufenthaltsbewilligung sei nur für die Dauer (der Durchsetzbarkeit) des Aufenthaltsverbotes "verdrängt" worden. Demnach stelle der Beschwerdeführer "zusätzlich zu den bisherigen Anträgen, diesen aber in der Reihenfolge vorangehend" die Anträge,

1. festzustellen, dass seine unbefristete Niederlassungsbewilligung nach dem Ablauf des Aufenthaltsverbotes wiederum gültig sei und seinen Inlandsaufenthalt ermögliche, in eventu wieder auflebe, und 2. die "ungültig gestempelte" unbefristete Niederlassungsbewilligung wiederum in seinen Reisepass einzutragen. Weiters stellte der Beschwerdeführer noch den Eventualantrag auf Erteilung eines Einreisetitels in Form eines Visums A, B, C oder D. Daran schließen in Punkt 2 "Überlegungen zum bisherigen Antrag (Eventualvorbringen)" an, mit denen das dem Beschwerdeführer - seiner Ansicht nach - aufgrund des ARB zustehende Aufenthaltsrecht begründet werden sollte.

Ein weiteres Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom an den Vertreter des Beschwerdeführers wurde (referierend) damit eingeleitet, der Beschwerdeführer stelle mit der Eingabe vom "primär den Antrag, festzustellen, dass seine unbefristete Niederlassungsbewilligung nach dem Ablauf des Aufenthaltsverbotes wiederum gültig ist und seinen Inlandsaufenthalt ermöglicht, in eventu wieder auflebt." In den daran anknüpfenden Ausführungen begründete die Erstbehörde ihre Auffassung, dass ein solcher Antrag als unzulässig zurückzuweisen wäre, und verband dies mit der Anfrage, ob der "Antrag auf Feststellung im Sinne des Punktes 1 der Eingabe vom nach wie vor aufrecht erhalten wird". Die Behörde qualifiziere "daher die Eingaben vom 4.11. bzw. als Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung."

Der Beschwerdeführer trat diesen Ausführungen in einer Stellungnahme vom (unter teilweiser Wiederholung und ausdrücklicher Verweisung auf seinen im Punkt 1 im Schriftsatz vom vertretenen Rechtsstandpunktes) inhaltlich entgegen und führte abschließend aus, er "hält daher alle gestellten Anträge aufrecht".

Mit dem im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheid vom hat die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (als vom Landeshauptmann gemäß § 89 Abs. 1 zweiter Satz FrG im Verordnungsweg ermächtigte Behörde in dessen Namen) über die mit "Schreiben vom und vom " gestellten Anträge wie folgt entschieden:

"Gemäß §§ 10 Abs 1 Z 1, 16 Abs 2 und 20 Abs 1 Fremdengesetz 1997 wird der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen."

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Im Berufungsverfahren hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, er habe mit Schreiben vom "zweifellos" einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für "jeglichen Aufenthaltszweck" gestellt. Da er die hiefür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle, beabsichtige die belangte Behörde die Berufung gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 FrG abzuweisen.

Dazu äußerte sich der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom und kritisierte, im erstinstanzlichen Bescheid finde sich kein Hinweis auf die Erledigung der im Schriftsatz vom gestellten "Primäranträge". Auch die Berufungsbehörde beabsichtige offenbar die Abweisung des "Vierteventualantrages", ohne sich mit dem "Hauptvorbringen" des Beschwerdeführers auseinander zu setzen. Die Berufungsbehörde wolle daher über die "tatsächlich gestellten Anträge" entscheiden.

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom wurde die Berufung abgewiesen. Die belangte Behörde ging nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges davon aus, das Vorbringen in der Stellungnahme vom sei aktenwidrig. Der Beschwerdeführer habe am eindeutig einen Primärantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt, über den die Erstbehörde auch abgesprochen habe. In der Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer den ursprünglichen Antrag "lediglich dahin abzuändern versucht", dass er nunmehr die Feststellung beantrage, seine unbefristete Niederlassungsbewilligung sei nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes wiederum gültig bzw. wiederum in seinen Reisepass einzutragen. Wie jedoch § 14 Abs. 3 FrG eindeutig normiere, sei in einem Antrag der jeweilige Zweck anzugeben, den der Antragsteller während des Verfahrens nicht ändern dürfe. Aus diesem Grund sei über den Primärantrag vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abzusprechen. In den weiteren Ausführungen kam die belangte Behörde dann aus näher dargestellten Gründen zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht erfülle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer vertritt im Wesentlichen die Auffassung, die Bezirkshauptmannschaft Bregenz wäre verpflichtet gewesen, primär über die im Schriftsatz vom gestellten Anträge abzusprechen. Der Vorrang der später gestellten Anträge ergebe sich ganz eindeutig aus der genannten Stellungnahme und sei im Übrigen auch "völlig konsistent" mit dem materiellen Vorbringen unter Punkt 1 dieser Eingabe.

Dem ist beizupflichten:

Die erstinstanzliche Behörde hat mit Bescheid vom (ausschließlich) über den vom Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom zunächst primär gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung entschieden. Nach der wiedergegebenen Aktenlage ist aber davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom eine Reihenfolge der Behandlung der von ihm bis dahin und in dieser Eingabe gestellten Anträge insoweit festlegen wollte, als er als Hauptantrag 1. die Feststellung begehrt, die ihm erteilte unbefristete Niederlassungsbewilligung sei nach dem Ablauf des Aufenthaltsverbotes wieder gültig ("in eventu" wieder aufgelebt) und ermögliche ihm einen Inlandsaufenthalt, und 2. die Eintragung der "ungültig gestempelten" unbefristeten Niederlassungsbewilligung in seinen Reisepass ereichen will, während er die Erteilung eines Einreisetitels in Form eines Visums A, B, C oder D, und die (im Schriftsatz vom beantragte) Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, hilfsweise einer Aufenthaltsbewilligung, sowie die Feststellung seines Aufenthaltsrechtes (aufgrund des ARB) und die Duldung seines Aufenthaltes nur eventualiter anstrebte. Diese Deutung des Antragsbegehrens ist - entgegen der Meinung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - nicht aktenwidrig, sondern entspricht angesichts der vom Beschwerdeführer gewählten Formulierung, die Antragstellung im Schriftsatz vom erfolge "zusätzlich zu den bisherigen Anträgen, diesen aber in der Reihenfolge vorangehend" der Aktenlage. Alle genannten Anträge einschließlich der gewählten Reihenfolge hat der Beschwerdeführer - trotz Vorhalts der nach Ansicht der Erstbehörde gegebenen Unzulässigkeit des primär gestellten Feststellungsantrages - auch ausdrücklich im Schreiben vom aufrecht erhalten. Auch nach dem Inhalt der Äußerung des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren am konnte kein Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer die im Schriftsatz vom gewählte Reihenfolge der Anträge nicht aufgeben wollte und primär den Abspruch über den im zuletzt genannten Schriftsatz in Punkt 1. (und über den damit untrennbar verbundenen in Punkt 2.) gestellten Antrag begehrte.

Ein so genannter Eventualantrag ist im Verwaltungsverfahren aber durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Eine solche Unzuständigkeit ist von der Berufungsbehörde von Amts wegen aufzugreifen und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. zum Ganzen etwa Punkt. III.2. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , Zlen. 98/19/0251 bis 0268; danach beispielsweise noch das Erkenntnis vom , Zl. 2001/21/0174, mwN)

Die Erstbehörde war demnach an die vom Beschwerdeführer vorgenommene Reihung seiner Anträge gebunden und durfte davon nicht eigenmächtig abweichen, zumal der Beschwerdeführer der im Schreiben der Erstbehörde angekündigten Absicht der Umdeutung aller seiner Anträge in einen solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung (zumindest implizit) widersprochen hat. Entgegen der Meinung der belangten Behörde ist die zusätzliche und vorangehende Stellung der Anträge in Punkt 1. und 2. im Schriftsatz vom auch nicht als unzulässige Zweckänderung im Sinne des § 14 Abs. 3 FrG zu qualifizieren, weil der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht geändert, sondern nur (nachrangig) gereiht wurde. Im Übrigen änderte auch die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde nichts daran, dass trotzdem zunächst über den Primärantrag zu entscheiden gewesen wäre.

Die erstinstanzliche Behörde hätte nach dem Gesagten daher im vorliegenden Fall zunächst über die in Punkt 1. und 2. im Schriftsatz vom gestellten Anträge abzusprechen, im Falle der rechtskräftigen Nichtstattgebung über den Ersteventualantrag in Punkt 3. dieser Eingabe und erst im Falle von dessen rechtskräftiger negativer Erledigung über den im Schriftsatz vom unter Punkt. 1 genannten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung (und danach im selben Sinn über die weiteren Eventualanträge) zu erkennen gehabt. Indem sie diese Rechtslage verkannte, belastete die erstinstanzliche Behörde ihre Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, die - wie erwähnt - von der belangten Behörde durch ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides wahrzunehmen gewesen wäre.

Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift die Auffassung vertritt, der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers scheine die "Primär- und Sekundäranträge beliebig zu variieren" und damit eine "Verwirrungstaktik" gegenüber den Behörden zu betreiben, ist darauf hinzuweisen, dass es zwar einem Antragsteller obliegt, von vornherein einen klaren, die Zuständigkeit der angerufenen Behörde erkennen lassenden Antrag zu stellen. Wenn die belangte Behörde meint, dass der Beschwerdeführer das im vorliegenden Fall unterlassen habe, so hätte sie den Beschwerdeführer zu einer entsprechenden Klarstellung aufzufordern gehabt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/19/0250, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 98/19/0033).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 FrG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am