VwGH vom 09.09.2015, 2013/04/0021
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des H S in G, vertreten durch Kaufmann Lausegger Rechtsanwalts KG in 8020 Graz, Mariahilferstraße 20/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI-LR2100/0002-II/1/2012, betreffend Erteilung einer Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund den mit EUR 610,60 bestimmten Aufwand binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Schreiben vom entsprach die Bundespolizeidirektion Graz einem Ersuchen des Bürgermeisters von Graz, in einem Verfahren gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 eine Stellungnahme zum allfälligen Vorliegen sicherheitspolizeilicher Bedenken abzugeben und eine Auflistung der Amtshandlungen in bestimmt angeführten Betriebsanlagen im Zeitraum von bis zu übermitteln.
2. Mit Schriftsatz vom richtete der Beschwerdeführer folgendes Auskunftsersuchen an die Bundespolizeidirektion Graz:
"(...) ersuche ich Sie im Rahmen ihres Wirkungsbereiches um nachstehende Auskunft unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom zu Gz E1/883/2011, und um die Beantwortung nachstehender Fragen:
Wie viele Anzeigen wurden in dem Zeitraum zwischen und von der Bundespolizeidirektion Graz und nachgeordneten Dienststellen gelegt, die Delikte betreffen, die in der gastgewerblichen Betriebsanlage 'K', Estraße 30, G, jeweils zwischen 21.00 Uhr und 02.00 Uhr begangen wurden?
Warum wurden die in der Aufstellung genannten Delikte dem Lokal 'K' zugerechnet?
Betreffen die von Ihnen mittels Schreiben vom der Stadt Graz bekanntgegebenen Anzeigen ausschließlich Delikte, die in der gastgewerblichen Betriebsanlage meiner Mandantschaft vorgefallen sind, oder befinden sich darunter auch Anzeigen, die Delikte betreffen, die auf der Straße (Bereich Estraße 30) gesetzt wurden?
Weiters ersuche ich Sie um Konkretisierung Ihrer Ausführungen betreffend das Bestehen sicherheitspolizeilicher Bedenken; warum vertritt die Bundepolizeidirektion Graz die Ansicht, dass gerade eine Sperrzeit zwischen 02.00 Uhr und 08.00 Uhr (und nicht etwa zwischen 04.00 Uhr und 06.00 Uhr) geeignet wäre, sicherheitspolizeilichen Bedenken (welchen) zu begegnen?
Im Übrigen ersuche ich um Auskunft, wie viele Delikte im bezughabenden Zeitraum bis (Deliktszeitpunkt jeweils 02.00 bis 08.00 Uhr) in anderen, vergleichbaren Großlokalen zur Anzeige gebracht wurden, und zwar insbesondere im B (...), Club O (...), M. B (...), W (...), N (...), sowie F (...).
Weiters ersuche ich um Auskunft, ob, und wenn ja, in welchem Verhältnis die Anzahl der Delikte, die im Lokal K begangen bzw. zumindest angezeigt wurden, von der Bundespolizeidirektion Graz als hoch bzw. höher als in anderen Lokalitäten, insbesondere den vorgenannten, eingestuft wird. Wodurch unterscheidet sich also die örtliche Situation von der 'örtlichen Situation', die in anderen, insbesondere den vorgenannten Lokalitäten gegeben ist?
Schließlich ersuche ich um Übermittlung der, der Tabelle zu Grunde liegenden Anzeigen in anonymisierter Form gegen Kostenbekanntgabe. Sollte dies nicht möglich sein, beantrage ich hiermit Einsicht in die bezughabenden Akten, und ersuche ich um Bekanntgabe, wann und wo die Akteneinsicht durchgeführt werden kann. Das rechtliche Interesse meiner Mandantschaft ergibt sich aus dem Ihnen bekannten Verfahren gemäß § 113 Abs. 5 GewO, sowie der Tatsache, dass das vorgenannte Schreiben der BPD Graz einen wesentlichen Beitrag zum Ermittlungsverfahren der Stadt Graz geleistet hat.
Dieses Schreiben ist als Auskunftsersuchen im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes zu betrachten, (...)."
3.1. Mit erstinstanzlichem Bescheid vom lehnte die Bundespolizeidirektion Graz die Erteilung der gewünschten Auskunft ab.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den negativen Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Steiermark als unbegründet ab. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, das Auskunftsbegehren stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem gewerbebehördlichen Verfahren der Stadt Graz. Die im dortigen Verfahren seitens der Bundespolizeidirektion übermittelten Deliktsaufstellungen und Ergebnisse ergänzender Erhebungen seien dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden. Allfällige Erörterungen seien ausschließlich im Rahmen des gewerbebehördlichen Verfahrens zu führen, in welchem dem Beschwerdeführer sämtliche Parteirechte zukämen. Hingegen sei die Bundespolizeidirektion nicht verpflichtet, Auskünfte zu Fragen zu erteilen, die sich in dem laufenden gewerbebehördlichen Verfahren stellen würden. Im Übrigen sei zu den Fragen 2 und 4 bis 7 anzumerken, dass diese als Meinungen und Einschätzungen nicht unter den Begriff der Auskunft im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes fielen. Die in den Fragen 5 und 6 sowie teilweise 7 nachgefragten Informationen seien der Bundespolizeidirektion Graz in dieser Form nicht bekannt und müssten in der nachgefragten Darstellung aus umfangreichem Daten- und Aktenmaterial heraussortiert werden. Dies würde jedenfalls die Grenzen der Verpflichtungen aus dem Auskunftspflichtgesetz überschreiten.
4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde richtete sich zunächst an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 1140/12-3, ablehnte und sie unter einem an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Mit der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und/oder Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben, hilfsweise in der Sache selbst zu entscheiden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5.1. Da die vorliegende Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof (nach dem Datum des Abtretungsbeschlusses gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG) noch vor dem dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, sind gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG und des VwGG jeweils in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
5.2. § 1 Auskunftspflichtgesetz (APG) in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:
"§ 1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden."
5.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann nur gesichertes Wissen - sei es im tatsächlichen, sei es im rechtlichen Bereich - Gegenstand einer Auskunft (nach dem Auskunftspflichtgesetz) sein.
Auskunftserteilung bedeutet somit die Weitergabe von Informationen, die der Behörde - aus dem Akteninhalt - bekannt sind und nicht erst zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft werden müssen. Die Verwaltung ist keinesfalls zu umfangreichen Ausarbeitungen oder zur Erstellung von (Rechts )Gutachten verpflichtet. Auch Umstände eines noch nicht abgeschlossenen Willensbildungsprozesses können nicht Gegenstand einer Auskunft im Sinne des § 1 Auskunftspflichtgesetz sein. Die Mitteilung von bloßen Absichten, die noch nicht zur Verwirklichung derselben gediehen sind, könnte dem gesetzlichen Ziel einer sicheren Information des Auskunftsersuchenden nicht förderlich sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/04/0139, mit Verweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 98/01/0473 und vom , 2004/04/0018, jeweils mwN, sowie das hg. Erkenntnis vom , 96/09/0192, mwN).
5.3.1. Die Ersuchen um "Auskunft" darüber, warum die in der Aufstellung genannten Delikte dem Lokal "K" zugerechnet würden, bzw. um Konkretisierung "Ihrer Ausführungen" betreffend das Bestehen sicherheitspolizeilicher Bedenken und der Frage, warum die Bundepolizeidirektion Graz die Ansicht vertrete, dass gerade eine Sperrzeit zwischen 02.00 Uhr und 08.00 Uhr (und nicht etwa zwischen 04.00 und 06.00 Uhr) geeignet wäre, sicherheitspolizeilichen Bedenken "(welchen?)" zu begegnen, stellen jeweils kein Ersuchen um Mitteilung gesicherter Fakten oder Akteninhalte dar. Dasselbe gilt für die Frage der Einstufung der bekannt gegebenen Delikte und Beurteilung der "örtlichen Situation". Vielmehr handelt es sich bei diesen "Auskünften" jeweils um die Hinterfragung der in den im gewerbebehördlichen Verfahren eingereichten Stellungnahmen enthaltenen Einschätzungen - und damit von Rechtsansichten - der Bundespolizeidirektion Graz. Ein Ersuchen zur Erlangung allfälliger Ergänzungen zu diesen im gewerbebehördlichen Verfahren eingeholten Stellungnahmen wäre im betreffenden Behördenverfahren zu stellen gewesen.
5.3.2. Insofern die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, sie habe die gegenständliche Anfrage außerhalb eines anhängigen Verwaltungsverfahrens gestellt, und darauf verweist, dass der Grundsatz eines fairen Verfahrens gebiete, an den Sachverhaltsfeststellungen in einem Verfahren mitwirken zu können, ist zu entgegnen, dass das Verfahren nach dem Auskunftspflichtgesetz nicht dazu dient, das gewerbebehördliche Ermittlungsverfahren zu ergänzen oder behauptete Verfahrensfehler eines Verwaltungsverfahrens zu überprüfen. Ob die Voraussetzungen für die beantragte Auskunft vorliegen, ist vielmehr an den für das Verfahren nach dem Auskunftspflichtgesetz geltenden Maßstäben zu messen.
5.4. Zur Auslegung des Begriffes der wesentlichen Beeinträchtigung der übrigen Aufgaben der Verwaltung durch ein Auskunftsbegehren kann auf die Gesetzesmaterialien zum Auskunftspflichtgesetz, RV 41 Blg NR 17. GP, 3 verwiesen werden:
"Auskünfte haben Wissenserklärungen zum Gegenstand, wobei ihr Gegenstand ausschließlich solche Informationen sind, die zum Zeitpunkt der Anfrage der Verwaltung bereits bekannt sind und nicht erst von der ersuchten Verwaltungseinheit zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft werden müssen. Auskunftserteilung bedeutet auch nicht die Gewährung der im AVG geregelten Akteneinsicht, sondern die Weitergabe von Informationen über einen Akteninhalt, die in aller Regel nicht jene Detailliertheit an Informationen aufweisen wird, die bei der Einsicht in die Akten zu gewinne wäre. Darüber hinaus bedingt schon die Verwendung des Begriffes 'Auskunft', dass die Verwaltung unter Berufung auf dieses Gesetz nicht etwa zu umfangreichen Ausarbeitungen, zur Erstellung von Gutachten, zur Beschaffung von auch anders zugänglichen Informationen und dergleichen verhalten ist. Aus dem Gesetz selbst ist schließlich ein Nachrang der Auskunftserteilung gegenüber den übrigen Aufgaben der Verwaltung ableitbar, woraus sich ergibt, dass Auskunftsbegehren konkrete, in der vorgesehenen kurzen Frist ohne Beeinträchtigung der übrigen Verwaltungsabläufe beantwortbare Fragen enthalten müssen" (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 90/18/0193).
Die Behörde ist nach dem Auskunftspflichtgesetz somit weder zu umfangreichen Ausarbeitungen noch zur Erstellung von Gutachten oder Statistiken oder zur Auslegung von Bescheiden verhalten (vgl. zu den vergleichbaren Bestimmungen des Wiener Auskunftspflichtgesetzes das hg. Erkenntnis vom , 2001/11/0090, mwN).
5.4.1. Hinsichtlich der Ersuchen des Beschwerdeführers um Auskunft, wie viele Anzeigen in dem Zeitraum zwischen und von der Bundespolizeidirektion Graz und nachgeordneten Dienststellen gelegt worden seien, die Delikte betreffen, die in der gastgewerblichen Betriebsanlage "K" jeweils zwischen 21.00 Uhr und 02.00 Uhr begangen worden seien, sowie ob sich unter den im Schreiben vom bekannt gegebenen Anzeigen ausschließlich Delikte befänden, die sich in der Betriebsanlage ereignet hätten, oder auch solche, die auf der Straße gesetzt worden seien, sowie die Anfrage betreffend die Anzahl der Delikte in mehreren bestimmt bezeichneten Lokalen, ist auf die im angefochtenen Bescheid übernommenen schlüssigen Ausführungen des zweitinstanzlichen Berufungsbescheides betreffend den zu erwartenden Aufwand zur Recherche dieser Daten zu verweisen. Die Sicherheitsdirektion Steiermark legte im Berufungsbescheid vom nachvollziehbar dar, dass eine derart detaillierte Auswertung der Anzeigen - Erhebung von Tatzeiten bzw. Tatorten - betreffend die Amtshandlungen nur durch Einsichtnahme in die abgelegten Durchschriften tausender Akten möglich sei. Zudem sei das Auffinden der Amtshandlungen schwierig, weil verschiedene Dienststellen als amtshandelnd in Frage kämen. Somit wurde seitens der Behörde dargestellt, dass es sich bei der begehrten Auskunft betreffend Anzahl und Detailfragen der angezeigten Delikte nicht um eine Information handelt, über die die Behörde, an welche das Auskunftsersuchen gerichtet war, bereits verfügte, sondern umfangreiche Recherchen notwendig gewesen wären, um die begehrten Informationen zu beschaffen.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die in dem angefochtenen Bescheid ausgedrückte Rechtsansicht der belangten Behörde, dass das Auskunftsverlangen des Beschwerdeführers geeignet ist, die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung wesentlich zu beeinträchtigen.
5.5. Hinsichtlich des Ersuchens um Übermittlung der, der Tabelle zugrunde liegenden Anzeigen in anonymisierter Form gegen Kostenbekanntgabe, bzw. des Antrags auf Einsicht in die bezughabenden Akten, wobei sich das rechtliche Interesse "aus dem Ihnen bekannten Verfahren gemäß § 113 Abs. 5 GewO, sowie der Tatsache, dass das vorgenannte Schreiben der BPD Graz einen wesentlichen Beitrag zum Ermittlungsverfahren der Stadt Graz geleistet hat", ergebe, ist die Beschwerde auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Auskunftspflicht nach dem Auskunftspflichtgesetz nicht geeignet ist, eine Akteneinsicht durchzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2000/01/0267, vom , 91/01/0004, mwN, und vom , 90/12/0214, mwN). Das Auskunftspflichtgesetz bildet auch keine Grundlage für einen Rechtsanspruch auf Ausfolgung von Kopien von Aktenteilen (vgl. das hg Erkenntnis vom , 2009/06/0059).
5.6. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
5.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am