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VwGH vom 17.06.2014, 2013/04/0020

VwGH vom 17.06.2014, 2013/04/0020

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2013/04/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerden 1. der Stadtgemeinde K, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b/17 (protokolliert zur hg. Zl. 2013/04/0020), und 2. der Stadt W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6 (protokolliert zur hg. Zl. 2013/04/0048), gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-12-0183, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei:

Abfallbehandlung B GmbH in K, vertreten durch die Haslinger/Nagele Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Erstbeschwerdeführerin (im Verfahren zur hg. Zl. 2013/04/0020) Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 und der Zweitbeschwerdeführerin (im Verfahren zur hg. Zl. 2013/04/0048) Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzbegehren der Zweitbeschwerdeführerin für die von ihr erstattete Gegenschrift zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Die Erst- und Zweitbeschwerdeführerin sind benachbarte Gemeinden.

Über Antrag der mitbeteiligten Partei stellte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid fest, dass das Vergabeverfahren der Erstbeschwerdeführerin betreffend die "Vereinbarung zur interkommunalen Kooperation im Bereich Abfallwirtschaft" rechtswidrig ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei.

Sodann erklärte die belangte Behörde den diesbezüglichen am zwischen der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin zustande gekommenen Vertrag für nichtig.

Schließlich wurde ausgesprochen, dass der Mitbeteiligten die (für den genannten Antrag) entrichteten Pauschalgebühren gemäß § 19 Abs. 8 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz zu ersetzen seien.

Als Rechtsgrundlage sind im angefochtenen Bescheid "§ 1, 3 Abs. 2, 4 Abs. 3, 5, 15 und 19 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz" angeführt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Mitbeteiligte habe mehrere Anträge, darunter den gegenständlichen Feststellungsantrag, gestellt und dazu vorgebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin Dienstleistungen (Entsorgungsleistungen im Bereich der Abfallwirtschaft) ohne Ausschreibung an die Zweitbeschwerdeführerin vergeben habe. Ihren Antrag auf Nichtigerklärung des betreffenden Vertrages habe die Mitbeteiligte mit einem Verstoß gegen § 3 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz begründet.

Dagegen habe die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst eingewendet, dass es sich beim genannten Vertrag um eine unmittelbare Kooperation von zwei benachbarten Gemeinden (Erst- und Zweitbeschwerdeführerin) zum Zweck der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben im Rahmen der Abfallwirtschaft handle, und dass eine solche interkommunale Kooperation nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH), auf dessen Urteil in der Rs C-480/06, Stadtreinigung Hamburg, sie verwiesen habe, zulässig sei.

Dem habe die Mitbeteiligte entgegnet, dass es im vorliegenden Fall um "keine echte Kooperation oder Zusammenarbeit" im Sinne der Judikatur des EuGH gehe, sondern vielmehr um einen einseitig erteilten Auftrag der Erstbeschwerdeführerin an die Zweitbeschwerdeführerin.

Nach Wiedergabe des § 3 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (betrifft das Schlichtungsverfahren) stellte die belangte Behörde fest, die Mitbeteiligte habe am einen Schlichtungsantrag eingebracht. Unstrittig sei, dass die Erstbeschwerdeführerin (nach einem Gemeinderatsbeschluss vom ) den in Rede stehenden Vertrag am und die Zweitbeschwerdeführerin diesen Vertrag am unterfertigt hätten.

Gegenstand dieses Vertrages seien Dienstleistungen im Bereich der Abfallwirtschaft im Oberschwellenbereich: Aus den Angaben im Schlichtungsverfahren ergebe sich, dass beide Beschwerdeführerinnen das Sammeln der in ihrem jeweiligen Gemeindegebiet anfallenden Abfälle selbst durchführten. Nach dem gegenständlichen Vertrag solle jedoch die Verwertung der Abfälle beider Beschwerdeführerinnen (nur) durch die Zweitbeschwerdeführerin (im Rahmen ihrer Kapazität) erfolgen. Nach den Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Schlichtungsverfahren gebe es keine reale Aufgabenteilung zwischen den Beschwerdeführerinnen, wohl aber eine reale Zusammenarbeit im Lenkungsausschuss.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, ihres Erachtens stelle die behauptete Kooperation der beiden beschwerdeführenden Gebietskörperschaften "keine echte interkommunale Kooperation" dar. Es fehle eine Zusammenarbeit dahin, dass "beide Gebietskörperschaften ihre jeweiligen Aufgaben im Bereich der Abfallwirtschaft gemeinsam erfüllen würden, also ein Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne einer echten Zusammenarbeit besteht". Vielmehr gehe es nur darum, dass die Entsorgung der Abfälle der Erstbeschwerdeführerin nicht mehr, wie bislang, durch die Mitbeteiligte, sondern nunmehr durch die Zweitbeschwerdeführerin gegen Entgelt erfolge. Umgekehrt führe aber die Zweitbeschwerdeführerin die Entsorgung ihres eigenen Abfalls alleine - und ohne jeglichen Beitrag bzw. auch nur einer Einflussnahme seitens der Erstbeschwerdeführerin - durch. Ihres Erachtens reiche es nach der "Judikatur des EuGH", so die belangte Behörde ohne weitere Präzisierung, nicht aus, dass die gesetzliche Pflicht zur Wahrnehmung der in Rede stehenden öffentlichen Aufgaben (Abfallentsorgung) nur eine der beteiligten Gebietskörperschaften treffe, während die andere auf die Rolle einer Erfüllungsgehilfin beschränkt sei und die Durchführung dieser Aufgaben auftragshalber übernehme.

Außerdem spreche gegen die behauptete interkommunale Kooperation, dass die Zweitbeschwerdeführerin, welche die gegenständlichen Dienstleistungen ohne vorherige Ausschreibung vertraglich übernommen habe, gegenüber anderen im Wettbewerb stehenden Unternehmen besser gestellt wäre, was eine Wettbewerbsverzerrung bewirke. Durch den gegenständlichen Vertrag werde nämlich die privatwirtschaftlich agierende Mitbeteiligte, die bisher den Abfall der Erstbeschwerdeführerin entsorgt habe, durch die Zweitbeschwerdeführerin ersetzt.

Daher, so die belangte Behörde erkennbar in Bezug auf ihren feststellenden Spruchteil, hätte die gegenständliche Dienstleistung der Abfallentsorgung nicht ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens vergeben werden dürfen.

Zum zweiten Spruchteil (Nichtigerklärung des Vertrages) verwies die belangte Behörde auf § 3 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz, wonach ein während der ersten vier Wochen nach Verständigung eines Auftraggebers von der Einleitung des Schlichtungsverfahrens etwaig erteilter "Zuschlag" nichtig sei. Gleiches gelte nach Ansicht der belangten Behörde auch für einen während der genannten vierwöchigen Frist vorgenommenen Vertragsabschluss.

Da im vorliegenden Fall das Schlichtungsverfahren (nach der am erfolgten Unterzeichnung des Vertrages durch die Erstbeschwerdeführerin) am eingeleitet worden und der Vertragsabschluss am (Unterzeichnung des Vertrages durch die Zweitbeschwerdeführerin), sohin innerhalb der genannten vierwöchigen Frist, erfolgt sei, sei der Vertragsabschluss nach Ansicht der belangten Behörde als "absolut nichtig anzusehen", wobei sich die belangte Behörde gemäß § 4 Abs. 3 Z. 6 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz zur Nichtigerklärung des Vertrages berechtigt sehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich sowohl die zur hg. Zl. 2013/04/0020 protokollierte Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin als auch die zur Zl. 2013/04/0048 protokollierte Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete in beiden Beschwerdeverfahren auf die Erstattung einer Gegenschrift. Die Mitbeteiligte erstattete eine Stellungnahme zu beiden Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres inhaltlichen, persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat hierüber erwogen:

1. Rechtslage

Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Das NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz, LGBl. 7200-2, lautet auszugsweise:

" § 1

Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt die Nachprüfung von Entscheidungen eines Auftraggebers im Sinne der Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) in einem Vergabeverfahren, das gemäß Art. 14b Abs. 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes fällt.

(2) Die Nachprüfung umfasst:

1. Das Schlichtungsverfahren bei der NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge (§ 3).

2. Folgende Nachprüfungsverfahren beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich:


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-
das Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (§ 13)
-
das Verfahren zur Nichtigerklärung (§ 15)
-
das Feststellungsverfahren einschließlich der Nichtigerklärung des Vertrages und der Unwirksamerklärung des Widerrufes sowie der Verhängung von Sanktionen (§§ 16 und 16a).
...
§ 3
Schlichtungsverfahren

(1) Ein Unternehmer hat vor Befassung des Unabhängigen Verwaltungssenates bei der NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge die nachträgliche Prüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung, der Zuschlagserteilung oder des Widerrufes schriftlich zu beantragen. In einem kann beantragt werden, nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen, die dieser gesondert anfechtbaren Entscheidung zeitlich vorangegangen sind, zu prüfen. In dem Antrag ist ein bestimmtes Begehren zu stellen.

(2) Die Schlichtungsstelle hat den Auftraggeber unverzüglich vom Einlangen des Antrages auf Schlichtung zu verständigen. Der Auftraggeber darf innerhalb von vier Wochen ab der Verständigung bei sonstiger Nichtigkeit den Zuschlag nicht erteilen , die Rahmenvereinbarung nicht abschließen, den Widerruf nicht erklären oder die Angebote öffnen (aufschiebende Wirkung), es sei denn, dass vor Ablauf dieser Frist


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1.
der Antrag auf Schlichtung zurückgezogen wird,
2.
eine gütliche Einigung zustande kommt oder
3.
die Schlichtungsstelle mitteilt, dass kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wird. In diesen Fällen endet die aufschiebende Wirkung mit dem Zeitpunkt der Zurückziehung, der gütlichen Einigung bzw. - soferne das Ende der aufschiebenden Wirkung nicht vor diesem Zeitpunkt liegt - zwei Wochen nach Verständigung durch die Schlichtungsstelle.
...
§ 4
Zuständigkeiten des Unabhängigen
Verwaltungssenates

(1) Die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich.

...

(3) Nach Zuschlagserteilung ist der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig,

...

3. zur Feststellung, ob ein Vergabeverfahren in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde,

...

6. zur Nichtigerklärung oder Aufhebung eines Vertrages in einem Verfahren gemäß Z. 3 bis 5 sowie

...

§ 14

Mündliche Verhandlung

(1) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat auf Antrag oder, wenn er dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Soweit dem Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entgegensteht, kann die Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages entfallen, wenn


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1.
der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen ist oder
2.
der Unabhängige Verwaltungssenat einen sonstigen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat oder
3.
bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass dem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben oder dass er abzuweisen ist.

(3) Im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung muss keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt werden.

(4) Der Antragsteller kann die Durchführung einer Verhandlung im Nachprüfungsantrag beantragen. Dem Auftraggeber sowie etwaigen Antragsgegnern ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, eine Woche nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen.

...

§ 16

Feststellung von Rechtsverstößen, Nichtigerklärung des Vertrages und Verhängung von Sanktionen

(1) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 und 4 nur dann zu treffen, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss war.

(2) Soweit in diesem Absatz und in den Abs. 4 und 5 nicht anderes bestimmt ist, hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Oberschwellenbereich den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z. 3 bis 5 für absolut nichtig zu erklären. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat von einer Nichtigerklärung des Vertrages oder einer Aufhebung des Vertrages gemäß den Abs. 4 und 5 abzusehen, wenn der Auftraggeber dies beantragt hat und zwingende Gründe eines Allgemeininteresses es rechtfertigen, den Vertrag aufrechtzuerhalten. Wirtschaftliche Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem betreffenden Vertrag stehen, können die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht rechtfertigen, andere wirtschaftliche Interessen nur dann, wenn die Nichtigkeit in Ausnahmefällen unverhältnismäßige Folgen hätte.

..."

Das Bundesvergabegesetz 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 (im Folgenden: BVergG 2006), lautet

auszugsweise:

" 1. Teil

Regelungsgegenstand und Begriffsbestimmungen

Regelungsgegenstand

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt insbesondere

1. die Verfahren zur Beschaffung von Leistungen (Vergabeverfahren) im öffentlichen Bereich, das sind die Vergabe von öffentlichen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen sowie die Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionsverträgen durch öffentliche Auftraggeber, die Durchführung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber, die Vergabe von Bauaufträgen an Dritte durch Baukonzessionäre, die nicht öffentliche Auftraggeber sind und die Vergabe von bestimmten Bau- und Dienstleistungsaufträgen, die nicht von öffentlichen Auftraggebern vergeben, aber von diesen subventioniert werden (2. Teil),

2. die Verfahren zur Beschaffung von Leistungen (Vergabeverfahren) im Sektorenbereich, das sind die Vergabe von Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen durch Sektorenauftraggeber, die Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionsverträgen durch Sektorenauftraggeber sowie die Durchführung von Wettbewerben durch Sektorenauftraggeber (3. Teil),

...

Dienstleistungsaufträge

§ 6. Dienstleistungsaufträge sind entgeltliche Aufträge, die keine Bau- oder Lieferaufträge sind und deren Vertragsgegenstand Dienstleistungen im Sinne der Anhänge III (prioritäre Dienstleistungsaufträge) oder IV (nicht prioritäre Dienstleistungsaufträge) sind.

3. Abschnitt

Ausnahmen vom Geltungsbereich

Vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommene Vergabeverfahren

§ 10. Dieses Bundesgesetz gilt nicht

...

6. für Dienstleistungsaufträge, die von einem öffentlichen Auftraggeber an einen anderen öffentlichen Auftraggeber auf Grund eines ausschließlichen Rechts vergeben werden, das dieser auf Grund veröffentlichter, mit dem AEUV übereinstimmender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften innehat,

7. für Aufträge, die ein öffentlicher Auftraggeber durch eine Einrichtung erbringen lässt,

a) über die der öffentliche Auftraggeber eine Aufsicht wie über eine eigene Dienststelle ausübt, und

b) die ihre Leistungen im Wesentlichen für den oder die öffentlichen Auftraggeber erbringt, die ihre Anteile innehaben oder aus denen sie sich zusammensetzt,

…"

2. Beschwerde:

In den Beschwerden werden die Feststellungen der belangten Behörde, soweit sie den Vertragsgegenstand der in Rede stehenden Vereinbarung über die Abfallentsorgung betreffen, nicht bestritten. Die Beschwerden führen dazu aus, dass Gegenstand dieses Vertrages die Betrauung der Zweitbeschwerdeführerin mit der Behandlung (Entsorgung) des Abfalls der Erstbeschwerdeführerin gegen (bloßen) Ersatz der Kosten sei. Die Zusammenarbeit zeichne sich durch umfangreiche Informations- und Kontrollrechte der Erstbeschwerdeführerin aus, die auch 50 % des Gremiums des (nach diesem Vertrag eingerichteten) Lenkungsausschusses stelle.

Rechtlich bringen die Beschwerdeführerinnen (hier auf das Wesentliche zusammengefasst) vor, die belangte Behörde habe sich nicht mit den vom EuGH in den Rechtssachen Rs C-480/06, Kommission/Deutschland betreffend Stadtreinigung Hamburg, und Rs C- 159/11, Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a., entwickelten Kriterien für eine zulässige interkommunale Zusammenarbeit, die vom Anwendungsbereich der Vorschriften über öffentliche Aufträge ausgenommen sei, auseinander gesetzt und es unterlassen, im Hinblick auf diese Kriterien den entscheidungswesentlichen Sachverhalt festzustellen. Hätte die belangte Behörde den Inhalt der zwischen den Beschwerdeführerinnen getroffenen Vereinbarung im Einzelnen festgestellt, hätte sie erkannt, dass die Vereinbarung alle Elemente einer vom Vergaberecht nicht erfassten interkommunalen Kooperation aufweise.

Insoweit sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH auseinandergesetzt habe, sei diese falsch ausgelegt worden. Die Behörde hätte im Hinblick auf die genannten Urteile des EuGH zur Auffassung gelangen müssen, dass die interkommunale Zusammenarbeit eindeutig keine reale und wechselseitige Arbeitsteilung verlange. Der EuGH habe im Urteil Rs C-159/11 nicht darauf abgestellt, ob Leistungen wechselseitig erbracht würden, sondern ob beide Vertragspartner gemeinsam eine öffentliche Aufgabe wahrnähmen. Auch dem Urteil Rs C-480/06 sei zu entnehmen, dass es nicht auf das Vorliegen einer realen Arbeitsteilung sondern darauf ankomme, ob die Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt werde, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhingen.

Im vorliegenden Fall diene die getroffene Vereinbarung der Erfüllung einer gemeinsamen, im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe bzw. der Erfüllung von Aufgaben, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhingen, und zwar - ebenso wie in der Rechtssache Rs C-480/06 betreffend die Stadtreinigung Hamburg - der Zusammenarbeit im Bereich der Abfallwirtschaft. Auch im vorliegenden Fall gebe es ein gemeinsames Ziel der beiden benachbarten Gebietskörperschaften (Beschwerdeführerinnen). Anders als in der Rechtssache Rs C-159/11 solle im gegenständlichen Fall die Zweitbeschwerdeführerin eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen. Die Behandlung des

gegenständlichen Hausabfalls, der aus der öffentlichen Müllsammlung der Erstbeschwerdeführerin stamme, sei eine ureigene öffentliche Aufgabe und unionsrechtlich verankert. Die Gemeinsamkeit dieser öffentlichen Aufgabe werde gerade beim Hausabfall klar: Die Erstbeschwerdeführerin übe ihre öffentliche Aufgabe betreffend das Sammeln von Hausabfall aus und überlasse die Behandlung dieses Abfalls der Zweitbeschwerdeführerin nach einem von ihr mitgestaltbaren und kontrollierbaren Prozess, wobei die Behandlung des Hausabfalls eine öffentliche Aufgabe sowohl der Erst- als auch der Zweitbeschwerdeführerin sei. Eine Beteiligung eines Privaten sei nicht vorgesehen. Eine direkte oder indirekte Beteiligung eines Privaten wäre nach der gegenständlichen Vereinbarung sogar ein außerordentlicher Kündigungsgrund.

Die gegenständliche Kooperation sei zudem nicht einmal theoretisch geeignet, ein privates Unternehmen besser zu stellen. Hier irre die belangte Behörde, wenn sie von einer Wettbewerbsverzerrung in Zusammenhang mit der Zweitbeschwerdeführerin ausgehe. Diese sei kein privates Unternehmen, auch wenn sie eingeschränkt unternehmerisch tätig sei, weshalb es nicht zu einer Besserstellung eines privaten Dritten kommen könne.

Abgesehen davon wird in den Beschwerden u.a. geltend gemacht, die belangte Behörde habe entgegen § 14 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen (wobei aber gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur durch die Mitbeteiligte im Nachprüfungsantrag vom beantragt worden sei). Hätte die belangte Behörde eine Verhandlung durchgeführt, hätten die Beschwerdeführerinnen alle zur Rechtmäßigkeit der interkommunalen Zusammenarbeit gehörenden Gesichtspunkte vorgebracht und auch durch Zeugen unter Beweis gestellt. In Hinblick auf die Komplexität des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens wäre die Durchführung einer Verhandlung vor der belangten Behörde jedenfalls notwendig gewesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin macht insbesondere auch geltend, dass sie dem Verfahren vor der belangten Behörde als Partei gar nicht beigezogen und damit in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei.

3. Interkommunale Zusammenarbeit:

3.1. Im Beschwerdefall geht es im Kern um die Rechtsfrage, ob der zwischen zwei Gebietskörperschaften (nämlich der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin) geschlossene Vertrag betreffend die Erbringung von Dienstleistungen (konkret die Entsorgung der Abfälle der Erstbeschwerdeführerin) nach den Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe ohne vorherige Ausschreibung (Bekanntmachung) und ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens abgeschlossen werden durfte.

Sowohl die Beschwerdeführerinnen, die die Rechtmäßigkeit des gegenständlichen Vertragsabschlusses ohne vorherige Ausschreibung bejahen, als auch die belangte Behörde, welche die gegenteilige Auffassung vertritt, stützen ihre jeweilige Rechtsposition auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH), wobei die belangte Behörde diese Rechtsprechung nur pauschal erwähnte, ohne sich mit den konkreten Aussagen des EuGH in den jeweiligen Urteilen auseinanderzusetzen.

3.2. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat im Urteil vom , Rs C-159/11, Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a., wie folgt ausgeführt:

"31. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fallen jedoch zwei Arten von Aufträgen, die von öffentlichen Einrichtungen vergeben werden, nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union.

32. Erstens handelt es sich um Verträge zwischen einer öffentlichen Einrichtung und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person, wenn diese Einrichtung über die betreffende Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und die genannte Person zugleich ihre Tätigkeiten im Wesentlichen für die Einrichtung oder die Einrichtungen ausübt, die ihre Anteile innehat bzw. innehaben (vgl. in diesem Sinne Urteil Teckal, Randnr. 50).

33. Es steht allerdings fest, dass diese Ausnahme in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar ist, da aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass die ASL keine Kontrolle über die Universität ausübt.

34. Zweitens handelt es sich um Verträge, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe vereinbart wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Deutschland, C-480/06, Slg. 2009, I-4747, Randnr. 37).

35. In einem solchen Fall sind die unionsrechtlichen Vergabevorschriften nicht anwendbar, sofern solche Verträge ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden, kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt wird als seine Wettbewerber und die darin vereinbarte Zusammenarbeit nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnrn. 44 und 47).

36. Zwar scheint, wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende einige der in den beiden vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils erwähnten Kriterien zu erfüllen, doch ist das Vergaberecht der Union nur dann nicht auf ihn anwendbar, wenn er alle diese Kriterien erfüllt."

3.3. In dem vom EuGH zitierten Urteil vom , Rs C- 480/06, hatte der EuGH über die Klage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden, ob durch die Direktvergabe eines Auftrages betreffend die Abfallentsorgung von vier Landkreisen (Gebietskörperschaften) an die Stadtreinigung Hamburg, ohne dass dieser Auftrag im förmlichen Verfahren gemeinschaftsweit ausgeschrieben worden war, gegen die Verpflichtung der (damals noch geltenden Dienstleistungs )Richtlinie 92/50/EWG betreffend die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge verstoßen wurde.

Im konkreten Fall sei mit dem streitigen Vertrag eine Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe - der Abfallentsorgung - vereinbart worden (Rn 37). Der Vertrag sei ausschließlich zwischen öffentlichen Stellen ohne Beteiligung Privater geschlossen worden, sehe keine Vergabe eventuell erforderlicher Aufträge über den Bau und den Betrieb einer (Müllverwertungs )Anlage vor und präjudiziere sie auch nicht (Rn 44).

In diesem Zusammenhang (Rn 45) verwies der EuGH auf sein Urteil vom , Rs C-324/07, Coditel Brabant, in dem der Gerichtshof u.a. festgestellt habe, dass eine öffentliche Stelle ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen Mitteln und auch in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen erfüllen kann, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören.

Ausgehend davon gelangte der EuGH zum Ergebnis (Rn 47f.), dass eine Zusammenarbeit öffentlicher Stellen zur gemeinsamen Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben das Hauptziel der Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen - einen freien Dienstleistungsverkehr und die Eröffnung eines unverfälschten Wettbewerbs in allen Mitgliedstaaten - nicht in Frage stellen könne, solange die Umsetzung dieser Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, und der in der Richtlinie 92/50 genannte Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten gewährleistet ist, so dass kein privates Unternehmen besser gestellt wird als seine Wettbewerber. Daher sei die Klage der Kommission abzuweisen gewesen.

3.4. Im Urteil vom , Rs C-386/11, Piepenbrock, wiederholte der EuGH im Wesentlichen die oben wiedergegebenen Aussagen betreffend die genannten zwei Arten von Aufträgen, die nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union (hier bereits Richtlinie 2004/18/EG) fallen (Rn 33-37). In diesem Fall, in dem die vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen die Reinigung bestimmter Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäude vereinbart hatten, bejahte der EuGH jedoch das Vorliegen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG, zumal nach dem konkreten Vertrag jene öffentliche Einrichtung, die mit den vereinbarten Arbeiten betraut wurde, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen durfte, die unter Umständen in der Lage seien, zur Durchführung dieser Aufgabe auf dem Markt tätig zu werden (Rn 41).

3.5. Auch im Urteil vom , Rs C-15/13, Technische Universität Hamburg-Harburg, hat der der EuGH in den Rn 24f. und 34f. auf die zwei Arten von Aufträgen, die nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union (insbesondere der Richtlinie 2004/18/EG) fallen, Bezug genommen (nämlich einerseits die sogenannte "In-House"-Vergabe im Sinne des zitierten Urteils Teckal und andererseits die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften im Sinne der zitierten Urteile Kommission/Deutschland und Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce) und fallbezogen das Vorliegen beider Ausnahmen verneint. Die Nichtanwendbarkeit der Rechtsprechung betreffend die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften wurde dabei mit dem Fehlen der Erledigung einer gemeinsamen öffentlichen Aufgabe (konkret ging es um die Beschaffung eines IT-Hochschul-Managementsystems) begründet.

3.6. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Unionsgesetzgeber in Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU vom über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG bereits eine der obzitierten Judikatur des EuGH entsprechende Ausnahmebestimmung vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie vorgesehen hat (wobei diese Richtlinie aber gemäß ihrem Art. 90 erst bis umzusetzen ist).

4. Im vorliegenden Beschwerdefall ist zunächst entscheidungsrelevant, ob der zwischen den Beschwerdeführerinnen geschlossene Vertrag aufgrund der dargestellten Kriterien des EuGH (die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Richtlinie 2004/18/EG noch nicht festgeschrieben waren) vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union ausgenommen ist.

4.1. Unstrittig ist gegenständlich, dass der in Rede stehende Vertrag zwischen zwei Gebietskörperschaften geschlossen wurde und die entgeltliche Verwertung der Abfälle der Erstbeschwerdeführerin durch die Zweitbeschwerdeführerin zum Inhalt hat. Unstrittig ist weiters, dass gegenständlich kein Fall der sogenannten "In-House"- Vergabe (erste Ausnahme-Fallgruppe vom unionsrechtlichen Vergaberecht) vorliegt, weil keine der beiden Beschwerdeführerinnen eine Kontrolle über die andere Beschwerdeführerin ausübt wie über ihre eigene Dienststelle.

4.2. Zu prüfen ist daher, ob der gegenständliche Vertrag die Kriterien für die zweite Ausnahme vom unionsrechtlichen Vergaberecht im Sinne der zitierten Judikatur des EuGH (nämlich die sog. Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften) erfüllt.

Dabei ist im Hinblick auf die Ausführungen des EuGH im Urteil Rs C-480/06, Kommission/Deutschland, betreffend die Abfallentsorgung durch die Stadtreinigung Hamburg im vorliegenden Fall zweifellos davon auszugehen, dass es sich bei der gegenständlichen Abfallentsorgung um die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe, die beiden Beschwerdeführerinnen als Gebietskörperschaften obliegt, handelt. Dies wird auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen.

4.3. Die belangte Behörde steht vielmehr auf dem Standpunkt, gegenständlich liege deshalb "keine echte interkommunale Kooperation" vor, weil eine Zusammenarbeit dahin fehle, dass "beide Gebietskörperschaften ihre jeweiligen Aufgaben im Bereich der Abfallwirtschaft gemeinsam erfüllen würden, also ein Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne einer echten Zusammenarbeit besteht". Vielmehr gehe es nur um die entgeltliche Entsorgung der Abfälle der Erstbeschwerdeführerin.

Die belangte Behörde geht somit offenbar davon aus, dass gegenständlich eine Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften (im Sinne des Urteils des EuGH, Rs C-480/06, Kommission/Deutschland) nur dann vorläge, wenn jeder der beiden Vertragspartner gegenüber dem jeweils anderen (somit gegenseitig) entsprechende Dienstleistungen (Entsorgung der Abfälle des jeweils anderen Vertragsteiles) erbringt, also ein Leistungsaustausch hinsichtlich Entsorgungstätigkeiten stattfindet.

Dem ist zu entgegnen, dass eine solche Voraussetzung dem zitierten Urteil Rs C-480/06 weder ausdrücklich noch implizit zu entnehmen ist: Der diesem Urteil zugrunde liegenden Fall ist (grundsätzlich vergleichbar mit dem beschwerdegegenständlichen Fall) dadurch gekennzeichnet, dass Vertragsgegenstand in erster Linie die Übernahme des Abfalls zur thermischen Verwertung durch einen Vertragspartner (der Stadtreinigung Hamburg) war, und der andere Vertragspartner (die vier benachbarten Landkreise) dafür als Gegenleistung im Wesentlichen ein Jahresentgelt leisteten. Die Zusammenarbeit bestand somit im Wesentlichen darin, dass eine Gebietskörperschaft gegenüber einer anderen Gebietskörperschaft Dienstleistungen, die im gemeinsamen öffentlichen Interesse lagen, gegen Entgelt erbrachte. Dass ein darüber hinausgehendes "Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne einer echten Zusammenarbeit" erforderlich wäre, ist weder diesem Urteil noch dem darauf Bezug nehmenden, obzitierten Urteil Rs C-159/11 zu entnehmen. Vielmehr ist die Notwendigkeit eines solchen Gegenseitigkeitsverhältnisses in den vom EuGH im Urteil Rs C-159/11 dargestellten Kriterien (Rn 34 und 35), die alle erfüllt sein müssen, damit das Vergaberecht der Union auf einen Vertrag nicht anwendbar ist (Rn 36), nicht genannt (vgl. ebenso das Urteil Rs C-386/11, Rn 37 und 38).

4.4. Als Zusatzargument stützt die belangte Behörde ihre Rechtsansicht, auf den vorliegenden Fall sei die Rechtsprechung des EuGH zur Zusammenarbeit öffentlicher Stellen nicht anwendbar, auch darauf, dass durch den gegenständlichen Vertrag eine Wettbewerbsverzerrung eintrete, indem die Zweitbeschwerdeführerin, die den Entsorgungsauftrag übernehme, gegenüber anderen im Wettbewerb stehenden Unternehmern, so insbesondere der privatwirtschaftlich agierenden Mitbeteiligten, durch die gegenständliche Direktvergabe besser gestellt würde.

Richtig ist, dass nach der zitierten Judikatur des EuGH als eine (der kumulativ zu erfüllenden) Voraussetzungen für die Zusammenarbeit öffentlicher Stellen außerhalb des Anwendungsbereiches des Vergaberechts verlangt wird, dass "kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt wird als seine Wettbewerber" (vgl. Rn 35 des Urteils Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce; ebenso Rn 37 des Urteils Piepenbrock).

Es kommt also nicht darauf an, ob aus der Zusammenarbeit öffentlicher Stellen ein Wettbewerbsvorteil einer öffentlichen Stelle gegenüber einem privaten Dienstleistungserbringer resultiert (ein solcher Vorteil einer öffentlichen Stelle wäre nämlich zwangsläufig bei jeder Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen gegeben, weil bei dieser Zusammenarbeit schon definitionsgemäß der private Dienstleistungserbringer nicht zum Zuge kommen kann).

Entscheidend ist nach der zitierten Judikatur vielmehr, dass - im Sinne der Gleichbehandlung privater Unternehmen untereinander (in diesem Sinne Rn 47 des Urteiles Rs C-480/06) - kein privates Unternehmen besser gestellt wird als seine Wettbewerber.

Dass es durch den gegenständlichen Vertrag zu einer Bevorzugung eines privaten Unternehmens käme, wurde von der belangten Behörde aber nicht festgestellt.

5. Nach dem Gesagten kann somit, anders als die belangte Behörde meint, nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsprechung des EuGH über die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar sei. Dies belastet den angefochtenen Bescheid aus folgenden Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit:

5.1. Die Anwendbarkeit der Rechtsprechung des EuGH über die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften bewirkt nach den zitierten Urteilen zunächst, dass der gegenständliche Vertrag nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fällt (und somit aus unionsrechtlicher Sicht ohne vorherige Ausschreibung geschlossen werden durfte).

Entscheidend ist jedoch, ob der gegenständliche Vertrag damit auch vom Anwendungsbereich des innerstaatlichen Vergaberechts, das die belangte Behörde anzuwenden hatte und welches (insoweit als strengere Norm gegenüber dem unionsrechtlichen Vergaberecht) für die Vergabe der gegenständlichen Dienstleistung die vorherige Ausschreibung (Bekanntmachung) vorsehen könnte (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines strengeren nationalen Vergaberegimes etwa ), ausgenommen ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die hier anzuwendenden Bestimmungen des BVergG 2006 zwar eine Ausnahme vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes für die sog. "In-House"-Vergabe vorsehen (§ 10 Z 7 BVergG 2006), aber keine ausdrückliche Ausnahme für die hier entscheidende Zusammenarbeit öffentlicher Stellen.

Diese Frage ist aus folgenden Gründen zu bejahen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass schon der Kompetenzbegriff "öffentliches Auftragswesen" in Art. 14b B-VG im Sinne des Unionsrechts auszulegen ist. Dazu wird auf die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung (Bericht des Verfassungsausschusses 1118 BlgNR, XXI. GP., S. 9) verwiesen, die auszugsweise wie folgt lauten:

"Der Kompetenzbegriff 'öffentliches Auftragswesen' ist dem Gemeinschaftsrecht entlehnt (vgl. Punkt 6.30 der Sachgebietsgliederung des Fundstellennachweises des geltenden Gemeinschaftsrechts). Er ist insofern ein offener Begriff, als er nicht nur zur Umsetzung des derzeit geltenden abgeleiteten Gemeinschaftsrechts (vgl. die in § 192 BVergG aufgezählten Richtlinien), sondern auch zur innerstaatlichen Umsetzung künftiger Rechtsakte und der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf diesem Gebiet ermächtigen soll.

..."

Ist daher die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union nicht erfasst, so soll eine solche Zusammenarbeit nach dem erkennbaren Willen des Verfassungsgesetzgebers auch nicht vom verfassungsrechtlichen Begriff des öffentlichen Auftragswesens iSd Art. 14b B-VG erfasst sein.

Daraus ergibt sich bei gebotener verfassungskonformer Auslegung der einfachgesetzlichen Bestimmungen, dass die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften im Sinne der Judikatur des EuGH nicht vom sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des BVergG 2006 (vgl. den in § 1 leg. cit. umschriebenen Regelungsgegenstand) bzw. des NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetzes (vgl. den in § 1 leg. cit. umschriebenen Geltungsbereich) erfasst ist.

Dafür sprechen nicht zuletzt auch die folgenden, hier auszugsweise wiedergebenen Erläuterungen (1171 BlgNR 22. GP; Seiten 4f. und 29f.) zum BVergG 2006 (Hervorhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"3.1. Der vorliegende Entwurf setzt die Regelungen der EG-Vergaberichtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG unter Wahrung eigenständiger Wesenszüge des österreichischen Rechtssystems in das innerstaatliche Recht um. Entsprechend dem geltenden Bundesvergabegesetz 2002 ist weiterhin im Oberschwellenbereich eine grundsätzliche Beschränkung der bundesgesetzlichen Regelung auf die Umsetzung von EG-Recht vorgesehen (vgl. dazu auch das Rundschreiben des BKA-VD, GZ 600.824/011-V/2/01, in dem auf das Verbot des 'Golden-Plating' gemäß Abschnitt 6.2 des Regierungsprogrammes sowie auf den Beschluss der Landeshauptmännerkonferenz vom betreffend die Ablehnung sachlich nicht gerechtfertigter Umsetzungsmaßnahmen durch die Länder hingewiesen wird).

3.2. Eine derartige Vorgangsweise bringt es mit sich, dass Begriffe, die aus dem EG-Recht übernommen wurden, nicht mehr nach dem österreichischen Rechtsverständnis, sondern vielmehr 'autonom', d.h. unter Berücksichtigung der Ziele des Gemeinsamen Marktes und unter Heranziehung der authentischen Sprachfassungen des jeweiligen Rechtsaktes, ausgelegt werden müssen (etwa EuGH Rs C-287/98, Linster, Slg 2000, I-6917, Rz 43).

Obwohl dies zu Rechtsunsicherheiten führen kann, lehnte sich das BVergG (bereits seit dem Stammgesetz, BGBl Nr. 462/1993) stets eng an den Text der umzusetzenden EG-Richtlinien vor allem aus folgenden Gründen an: Österreich war schon aufgrund des Art. 6 EWRA verpflichtet, EG-Rechtsakte 'im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen' auszulegen , 'die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat'. Seit dem Beitritt zur Europäischen Union ist für Österreich die gesamte einschlägige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) unmittelbar von Bedeutung. Die Verwendung einer vom Wortlaut der EG-Richtlinien abweichenden Terminologie würde jedoch gerade in wichtigen Abgrenzungsfragen dazu führen, dass Aussagen des EuGH zur Interpretation von Richtlinienbegriffen für Österreich entweder häufige Novellierungen des Umsetzungsaktes erforderlich machen würden oder den Gesetzeswortlaut europarechtlich problematisch erscheinen ließen (vgl. dazu § 6 Abs. 1 Z 6 BVergG 2002 und die Judikatur des EuGH zur sog. 'in-house'- Ausnahme , insbesondere Rs C-26/03, Stadt Halle, C-231/03, CONAME, und C-458/03, Parking Brixen). Eine abweichende Terminologie könnte sogar dazu führen, dass der Umsetzungsakt nachträglich als lückenhaft anzusehen wäre, mit der Konsequenz, dass die Richtlinienbestimmungen unmittelbar anzuwenden wären (vgl. dazu VfSlg 15.311/1998).

Darüber hinaus belegt die bisherige Erfahrung, dass die EG-Kommission bei der Konformitätsprüfung aus nahe liegenden Gründen am Wortlaut des Umsetzungsaktes anknüpft. Für eine an der EG-Terminologie orientierte Umsetzung sprachen und sprechen daher auch Praktikabilitätserwägungen.

...

Besonderer Teil

Zu den Bestimmungen

Zu § 1 (Regelungsgegenstand):

Die Bestimmung enthält eine allgemeine und programmatische Umschreibung des Geltungsbereiches des BVergG. Der Begriff 'Vergabeverfahren' im Sinne des § 1 Abs. 1 umfasst alle Vorgänge (Verfahren) zur Beschaffung von Leistungen. Er stellt somit einen Überbegriff für die in der Aufzählung enthaltenen Beschaffungsvorgänge dar und wird in weiterer Folge im Gesetz auch mit dieser Bedeutung verwendet.

Durch das Wort 'insbesondere' wird zum Ausdruck gebracht, dass die Umschreibung nicht abschließend ist (vgl. etwa die Regelung des § 3 Abs. 5). Auch ergibt sich aus der Aufzählung nicht, dass alle darin genannten Verfahren in gleicher Weise bzw. gleichermaßen dem BVergG unterliegen. Durch die Unterteilung in vier Ziffern sollen die vier wesentlichen Teile (so genannter klassischer Teil, Sektorenteil, Rechtsschutzteil, Außerstaatliche Kontrolle und zivilrechtliche Bestimmungen) klar erkennbar sein.

...

Zu § 10 (ausgenommene Aufträge):

Auf Grund der in § 1 gewählten Terminologie wird in den Z 1, 3, 4, 5 und 16 die Wortfolge 'Aufträge, Wettbewerbe oder die Vergabe von Baukonzessionsverträgen' durch den Begriff 'Vergabeverfahren' ersetzt.

Allgemein ist festzuhalten, dass im Lichte der ständigen Judikatur des EuGH (vgl. etwa Rs C-318/94, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland) die Ausnahmevorschriften jedenfalls eng auszulegen sind; die Beweislast dafür, dass die außergewöhnlichen Umstände, die die Inanspruchnahme der Ausnahmebestimmung rechtfertigen, tatsächlich vorliegen, obliegt demjenigen, der sich auf die Bestimmung berufen will. Ausnahmetatbestände, welche die Anwendung des Gemeinschaftsrechts ausschließen, sind insbesondere vor dem Hintergrund der dadurch bewirkten Einschränkung der Grundfreiheiten eng auszulegen. Der Ausschluss gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen muss daher durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt und geeignet sein, das gewünschte Ergebnis herbeizuführen, sowie die gelindeste Maßnahme im Hinblick auf die Zielerreichung darstellen. Die in § 10 angeführten Ausnahmetatbestände sind taxativ (und können daher auch - ausgenommen durch die Judikatur des EuGH - nicht ergänzt werden).

...

Zu Z 7: Diese Regelung enthält die durch die Judikatur des EuGH entwickelte Ausnahme betreffend 'In-house'-Vergaben. Vor dem Hintergrund der jüngeren Judikatur des EuGH zum Bereich der inhouse-Vergabe ist Folgendes zu beachten:

Obwohl die Richtlinien eine derartige Ausnahme explizit nicht anführen, ergibt sich diese Ausnahme vom Geltungsbereich aus einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereiches . Der EuGH hat im Erkenntnis 'Teckal' (Rs C-107/98) diese Ansicht geteilt und folgendes in Rz 50 des Erkenntnisses festgehalten:

'Die Richtlinie 93/36 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge ist anwendbar, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtigt, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren mit einer Einrichtung zu schließen, die sich formal von ihm unterscheidet und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt. Dies ist nicht der Fall, wenn die Gebietskörperschaft über die rechtlich von ihr verschiedene Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben.'

Das Gesetz übernimmt nunmehr exakt den Wortlaut des Erkenntnisses des EuGH in der Rs C-107/98 Teckal. Alle Begriffe entstammen somit der Judikatur des EuGH und sind daher gemeinschaftsrechtlich auszulegen; ..."

5.2. Aus dem Gesagten folgt, dass eine Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften, die den Kriterien der zitierten Judikatur des EuGH entspricht, nicht nur vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union ausgenommen ist, sondern dass auf eine solche Zusammenarbeit auch die innerstaatlichen Normen des Vergaberechts, im gegenständlichen Fall v.a. jene über die Pflicht zur Ausschreibung von Dienstleistungsaufträgen, nicht anzuwenden sind.

Damit ist die belangte Behörde aber zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass die gegenständliche "Vereinbarung zur interkommunalen Kooperation im Bereich Abfallwirtschaft" rechtswidrig ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei, sodass sich dieser Spruchteil des angefochtenen Bescheides als inhaltlich rechtswidrig erweist.

6. Zur Nichtigerklärung des Vertrages:

6.1. Die Nichtigerklärung des zwischen den Beschwerdeführerinnen abgeschlossenen Vertrages stützte die belangte Behörde auf § 4 Abs. 3 Z. 6 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz. Diese Bestimmung regelt freilich nur die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Nichtigerklärung eines Vertrages, nicht aber deren materielle Voraussetzungen.

Gemäß § 16 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (der im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt wird) hat der Unabhängige Verwaltungssenat (abgesehen von den im vorliegenden Fall nicht relevanten Abs. 4 und 5) im Oberschwellenbereich den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z. 3 bis 5 für absolut nichtig zu erklären.

Im vorliegenden Fall hat sich die von der belangten Behörde getroffene Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z. 3 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (somit die Feststellung, dass das Vergabeverfahren der Erstbeschwerdeführerin rechtswidrig ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei) - wie bereits aufgezeigt wurde - als rechtswidrig erwiesen, sodass diese Feststellung keine Grundlage für die Nichtigerklärung des Vertrages gemäß § 16 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz bilden kann.

6.2. Aber auch die Zusatzbegründung der belangten Behörde für die Nichtigerklärung des Vertrages, dieser sei entgegen § 3 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz innerhalb der vierwöchigen Frist ab der Verständigung des Auftraggebers vom Antrag auf Schlichtung abgeschlossen worden, vermag diesen Spruchteil des angefochtenen Bescheides nicht zu tragen:

6.2.1. Der § 3 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz ist nämlich schon nach seinem Wortlaut nicht auf einen Fall wie den vorliegenden anwendbar:

Gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. darf der "Auftraggeber" (abgesehen von den gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen der Z 1 bis 3) innerhalb von vier Wochen ab der Verständigung betreffend das Einlangen des Antrages auf Schlichtung bei sonstiger Nichtigkeit den "Zuschlag" nicht erteilen.

Gemäß § 2 Z 50 BVergG 2006 ist der Zuschlag die an den Bieter abgegebene schriftliche Erklärung, sein Angebot anzunehmen. Der Zuschlag setzt demnach einen Bieter voraus, somit einen Unternehmer, der ein Angebot eingereicht hat (§ 2 Z 13 BVergG 2006).

Gegenständlich wurde jedoch nach den Feststellungen der belangten Behörde kein Vergabeverfahren durchgeführt (sondern es wurde vielmehr ohne ein solches Vergabeverfahren ein Vertrag zwischen zwei Gebietskörperschaften abgeschlossen), sodass es weder einen Bieter, der ein Angebot eingereicht hat, noch einen "Zuschlag" gab.

Daher kann die belangte Behörde den in Rede stehenden Spruchteil des angefochtenen Bescheides nicht auf § 3 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz stützen.

6.2.2. Zu diesem Ergebnis gelangt man im Übrigen auch bei Berücksichtigung der Systematik des NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetzes, das im genannten § 3 Abs. 2 leg. cit. die Nichtigkeit des Zuschlags und - davon gesondert - in § 16 Abs. 2 leg. cit. die Nichtigerklärung des Vertrages regelt. Die spezielle Regelung in § 16 Abs. 2 leg. cit. zeigt somit, dass die Nichtigerklärung des Vertrages nicht durch § 3 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz erfasst wird.

7. Da der angefochtene Bescheid nach dem Gesagten somit inhaltlich rechtswidrig ist, braucht auf die in der Beschwerde vorgebrachten Verfahrensmängel (insbesondere auf die von der belangten Behörde unterlassene mündliche Verhandlung, die allerdings, wie in den Beschwerden zugestanden wird, nicht von den Beschwerdeführerinnen, sondern nur von der Mitbeteiligten beantragt war), nicht gesondert eingegangen zu werden.

8. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der von der Zweitbeschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

9. Die Zuerkennung von Aufwandersatz erfolgte im Rahmen des jeweiligen Begehrens aufgrund § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, gemäß den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Das Aufwandersatzbegehren der Zweitbeschwerdeführerin für die von ihr erstattete Gegenschrift zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin war abzuweisen. Der Zweitbeschwerdeführerin kommt nämlich (ungeachtet ihrer unzutreffenden Beiziehung als mitbeteiligte Partei im Vorverfahren) im Beschwerdeverfahren der Erstbeschwerdeführerin, mit der sie dieselbe Interessenlage teilt, nicht die Rolle einer mitbeteiligten Partei zu (vgl. die bei Mayer, B-VG, 4. Auflage, unter Pkt. IV. zu § 21 VwGG referierte hg. Judikatur).

Wien, am