VwGH 23.11.2006, 2005/20/0480
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Voraussetzung für die als Zustellung geltende Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 ZustG ist die Änderung der bisherigen Abgabestelle, die Unterlassung der Mitteilung hievon und die Unmöglichkeit, eine (andere, neue) Abgabestelle ohne Schwierigkeiten festzustellen. Das Tatbestandsmerkmal der Änderung der bisherigen Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG wird durch eine Inhaftierung für sich genommen noch nicht bewirkt. Eine solche Änderung liegt vielmehr erst dann vor, wenn die Partei die Abgabestelle nicht nur vorübergehend, sondern dauernd verlässt (Hinweis E vom , Zl. 94/01/0135, und vom , Zl. 2001/20/0050, sowie Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Aufl., Band I, Anm. 4 zu § 8 ZustG). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2002/20/0229 E RS 1
(Hier nur der erste Satz: Die belBeh unterstellte die Wirksamkeit
der in Frage stehenden Zustellung ohne Weiteres und unterließ eine
Begründung für diese Auffassung. Eine erkennbare und
nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen nach §
8 Abs. 2 ZustG enthält die Bescheidbegründung nicht, in der sich
nicht einmal eine Erwähnung der dafür maßgeblichen Umstände bei
der Darstellung des Verwaltungsgeschehens findet.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des V in H, geboren 1979, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 6-8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 258.705/0-IV/11/05, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet in einer Asylsache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und verfügte gemäß § 8 Abs. 2 AsylG seine Ausweisung "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III.).
Das Bundesasylamt ordnete die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG durch Hinterlegung bei der Behörde an, zumal der Beschwerdeführer - so wurde in der diesbezüglichen "Beurkundung" vom festgehalten - "an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig" sei; "eine neuerliche Abgabestelle" habe "nicht ohne Schwierigkeiten" festgestellt werden können.
Am stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und verband damit die Berufung.
Nachdem der Wiedereinsetzungsantrag mit dem unbekämpft gebliebenen Bescheid des Bundesasylamtes vom als verfristet zurückgewiesen worden war, wies auch die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom die Berufung gegen den eingangs erwähnten Bescheid gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung nach kurzer Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges wie folgt:
"Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser.
Der letzte Tag zur Einbringung der Berufung wäre im gegenständlichen Fall der gewesen, da der erstinstanzliche Bescheid vom mit Wirksamkeit vom zugestellt wurde. Schon das Bundesasylamt hat im Bescheid vom zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom gem. § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG rechtswirksam am zugestellt wurde, wogegen der Asylwerber kein Rechtsmittel eingebracht hat. Der im Wiedereinsetzungsantrag geltend gemachte Umstand, dass der Asylwerber am festgenommen und in die Justizanstalt Josefstadt in Untersuchungshaft eingeliefert worden sei, vermag aber an der rechtswirksamen Zustellung des gegenständlichen Bescheides am nichts zu ändern, da die Sendung am gem. § 8 Abs. 2 ZustellG hinterlegt wurde und die so hinterlegte Sendung gemäß § 23 Abs. 4 ZustellG mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt gilt. Nun wurde die Berufung aber erst am im Faxwege übermittelt, sodass diese verspätet eingebracht worden ist."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Für die Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Berufungszurückweisung kommt es entscheidungswesentlich auf die Frage an, ob die Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom durch Hinterlegung bei der Behörde wirksam war oder nicht. Voraussetzung für die als Zustellung geltende Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 ZustG ist die Änderung der bisherigen Abgabestelle, die Unterlassung der Mitteilung hievon und die Unmöglichkeit, eine (andere, neue) Abgabestelle ohne Schwierigkeiten festzustellen (vgl. in diesem Zusammenhang zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/20/0217).
Aus den oben wörtlich wiedergegebenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass die belangte Behörde die Wirksamkeit der in Frage stehenden Zustellung ohne Weiteres unterstellte und eine Begründung für diese Auffassung unterließ. Eine erkennbare und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den dargestellten Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 ZustG enthält die Bescheidbegründung nicht, in der sich nicht einmal eine Erwähnung der dafür maßgeblichen Umstände bei der Darstellung des Verwaltungsgeschehens findet. Das wiegt umso schwerer, als der Wiedereinsetzungsantrag nur "sicherheitshalber" gestellt und dort primär die Auffassung vertreten wurde, der Bescheid des Bundesasylamtes sei mangels Änderung der bisherigen Abgabestelle nicht rechtwirksam zugestellt worden, wobei das nicht nur mit dem Hinweis auf die Strafhaft ab , sondern vor allem - von der belangten Behörde unerwähnt - mit näher dargestellten Überlegungen zu den Meldevorgängen vor der Bescheiderlassung begründet wurde.
Zur Vollständigkeit ist im Übrigen noch anzumerken, dass auch im Bescheid des Bundesasylamtes vom , auf den sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bezog, keine substanzielle Begründung für die - dort im Übrigen auch nicht tragende - Annahme der Wirksamkeit der Hinterlegung vom vorgenommen wurde.
Mit Ausführungen in der Gegenschrift kann aber die mangelhafte Bescheidbegründung nicht saniert werden, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Allgemein Begründung Begründungsmangel |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2006:2005200480.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAE-78915