VwGH vom 01.09.2005, 2005/20/0410
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des I in S, geboren 1965, vertreten durch Dr. Werner Pennerstorfer, dieser vertreten durch Dr. Hans-Jörg Haftner, beide Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 256.327/0- X/24/05, betreffend Zurückweisung einer Berufung und eines Wiedereinsetzungsantrages in einer Asylsache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines im Juli 2004 eingereisten Staatsangehörigen von Nigeria, gemäß § 7 AsylG abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" ausgewiesen.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am und am an seiner - nach der Aktenlage aktuellen - Adresse im "Wohnschlafheim der E.- gemeinschaft" in St. Pölten erfolglos zuzustellen versucht und danach (mit Beginn der Abholfrist am ) beim zuständigen Postamt hinterlegt. Nach dem Inhalt des Rückscheines wurden sowohl die Ankündigung des zweiten Zustellversuches als auch die Hinterlegungsanzeige "an der Abgabestelle zurückgelassen". Die Sendung wurde dem Bundesasylamt am mit dem Vermerk "zurück, nicht behoben" rückgemittelt. Am kam der Beschwerdeführer zum Bundesasylamt, legte die Hinterlegungsanzeige vor und ersuchte um Ausfolgung des Bescheides. Ihm wurde eine Bescheidkopie übergeben.
Mit einem per Telefax am übermittelten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer eine (nur kurz und allgemein begründete) Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom , in der angekündigt wurde, eine "ausführliche schriftliche Begründung" werde "in Kürze nachgereicht". Dem entsprechend langte am ein weiteres Schreiben des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt ein, in dem die Berufungsgründe näher dargestellt wurden. Einleitend wurde zur Rechtzeitigkeit der Berufung ausgeführt, "da die Zustellung des Bescheides des BAE im November 2004 nicht rechtswirksam erfolgt ist, sondern mir der Bescheid erstmals durch persönliche Behebung beim BAE zugegangen ist, war meine am eingelegte Berufung fristgerecht. Nur zur Vorsicht stelle ich daher binnen offener Wiedereinsetzungsfrist" den Antrag auf "Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist", womit der Beschwerdeführer den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verband. Begründend brachte er - im Wesentlichen - vor, er wohne "in der E.-gemeinschaft" in St. Pölten, wo ihm durch ein Versehen eines Wohnheim-Mitarbeiters "der Abholschein für die Post" zu spät ausgehändigt worden sei. Da der Bescheid "inzwischen an die Behörde zurückgegangen war, konnte ich seiner erst durch persönliche Abholung bei der Behörde ... habhaft werden." Daran treffe ihn "nicht einmal der mindeste Grad des Verschuldens". Zur Bescheinigung dieses Vorbringens legte der Beschwerdeführer ein entsprechendes Schreiben eines Mitarbeiters der genannten Gemeinschaft vom vor.
Den Wiedereinsetzungsantrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom gemäß § 71 Abs. 2 AVG (als verspätet) zurück.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Berufung, in der (weiterhin) der Standpunkt vertreten wurde, "die Hinterlegung am " sei nicht rechtswirksam gewesen. Es sei zwar der "Hinterlegungsschein von der E.-gemeinschaft übernommen" worden, doch sei er dem (erst kurz davor zugezogenen) Beschwerdeführer, der auf Grund seines "zurückhaltenden und ruhigen Charakters" den Betreuern zuvor noch nicht aufgefallen sei, nicht ausgefolgt, sondern in einem Postfach im Dienstzimmer aufbewahrt worden. Da dem Beschwerdeführer "nicht genau genug erklärt" worden sei "bzw." er es "nicht verstanden" habe, dass er in diesem Postfach aus Eigenem Nachschau hätte halten sollen, sei der "Hinterlegungsschein" dort ungesehen bis zum verblieben. Wenn aber "ein Mensch überhaupt keine Kenntnis davon erhält, dass eine behördliche Zustellung für ihn angekommen ist", so könne das "denkmöglich keinen rechtsgültigen Zustellvorgang darstellen". Somit liege hier ein "schwerwiegender Zustellmangel" vor. Durch die Aushändigung einer Bescheidkopie am könne ein am geschehener Zustellmangel allenfalls geheilt sein, womit aber erst die Berufungsfrist "in Lauf gesetzt" worden sei. Da die Berufungsfrist demnach bis gelaufen sei, könne die Wiedereinsetzungsfrist erst im Anschluss daran begonnen haben, denn diese Frist könne "denkmöglich niemals gleichzeitig mit der Berufungsfrist ablaufen".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die (in der Hauptsache erhobene) Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück (Spruchpunkt I.) und die (im Wiedereinsetzungsverfahren eingebrachte) Berufung gegen den Bescheid vom gemäß § 71 Abs. 2 AVG ab (Spruchpunkt II.).
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Die belangte Behörde ist von der Rechtswirksamkeit der Zustellung des Bescheides vom ausgegangen. Der Beschwerdeführer habe nicht vorgebracht, dass es sich bei der in der Zustellverfügung genannten Adresse (in St. Pölten) nicht um seine Abgabestelle gehandelt hätte; vielmehr habe er angegeben, in dem an dieser Adresse befindlichen Wohnheim gewohnt zu haben. Nach der Aktenlage bestünden auch keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer zur Zeit der Zustellversuche bzw. der Hinterlegung des Bescheides beim Postamt von seiner Abgabestelle durch längere Zeit dauernd abwesend gewesen wäre. Unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes erachtete die belangte Behörde auch die Zurücklassung der Ankündigung des zweiten Zustellversuches und der Hinterlegungsanzeige bei der Heimleitung für gesetzeskonform. Eine allenfalls (gravierend) verspätete Übergabe (insbesondere) der Hinterlegungsanzeige an den Beschwerdeführer, wodurch dieser an der rechtzeitigen Erhebung einer Berufung gehindert gewesen wäre, könne allerdings - bei rechtzeitiger Antragseinbringung - einen Grund für eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist darstellen. Ausgehend von einer Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes mit Wirkung vom erachtete die belangte Behörde demnach die erst am erhobene Berufung für verspätet.
Demgegenüber wird in der Beschwerde mehrfach der Standpunkt vertreten, die (mit Beginn der Abholfrist am vorgenommene) postamtliche Hinterlegung des Bescheides vom sei nicht rechtswirksam erfolgt. Der Beschwerde kann für diese Auffassung aber keine nachvollziehbare Begründung entnommen werden. Auch eine konkrete Auseinandersetzung mit den wiedergegebenen Überlegungen der belangten Behörde wird nicht unternommen. Zu Recht hat sich diese aber auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das Erkenntnis vom , Zl. 2001/20/0109, mit weiteren Nachweisen) bezogen, wonach durch die Zurücklassung zustellrechtlicher Urkunden (wie etwa der Hinterlegungsanzeige nach § 17 Abs. 2 ZustG) bei der Heimleitung die für das Zustandekommen einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllt werden. Soweit in diesem Zusammenhang - wie schon in der Berufung vom - auch in der Beschwerde die verspätete Ausfolgung der Hinterlegungsanzeige angesprochen wird, berührt dies nicht die Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges, sondern könnte nur - wie die belangte Behörde ebenfalls zutreffend erkannt hat - im Rahmen der begehrten Wiedereinsetzung relevant sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/01/0317). Die belangte Behörde ist daher zutreffend von einer Zustellung des Bescheides mit Wirkung vom und demzufolge von der Verspätung der am eingebrachten Berufung ausgegangen. Dass dem Beschwerdeführer am - wie die Beschwerde wiederholt rügt - nur eine Bescheidkopie und nicht das Original der für ihn bestimmten Bescheidausfertigung ausgehändigt wurde, ist somit ohne Bedeutung.
Die Beschwerde war daher - soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Die belangte Behörde hat mit diesem Spruchpunkt die Zurückweisung des am eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages durch das Bundesasylamt unter Bezugnahme auf § 71 Abs. 2 AVG bestätigt. Wie die Erstbehörde führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe spätestens ab dem , als ihm beim Bundesasylamt eine Bescheidkopie ausgehändigt worden sei, "Kenntnis von der Zulässigkeit einer Berufung gegen den Asylbescheid" gehabt. Da der Antrag auf Wiedereinsetzung nach der genannten Gesetzesstelle binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit einer Berufung Kenntnis erlangt habe, zu stellen sei, wäre der Antrag bis längstens einzubringen gewesen. Das Bundesasylamt habe den Wiedereinsetzungsantrag - so folgerte die belangte Behörde abschließend - daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Die wiedergegebene Auffassung steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom , Zl. 2000/01/0409, mit weiteren Nachweisen):
Der (gemäß § 23 Abs. 1 AsylG auch im Asylverfahren anwendbare) § 71 Abs. und 2 AVG lautet:
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden."
Die Asylbehörden stellten im vorliegenden Fall bezüglich des Beginns der Wiedereinsetzungsfrist darauf ab, wann der Beschwerdeführer von der Zulässigkeit der Berufung gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid Kenntnis erlangt habe und gingen damit offenbar von der zweiten Alternative des § 71 Abs. 2 AVG aus. Der Fristbeginn mit der Kenntnisnahme von der Zulässigkeit einer Berufung bezieht sich allerdings nur auf den Fall des § 71 Abs. 1 Z 2 AVG, dass die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weshalb die - von den Asylbehörden rechtsirrig vorgenommene - Fristberechnung nach der zweiten Alternative des § 71 Abs. 2 AVG nicht zum Tragen kommen kann.
Dem Antrag vom ist als Wiedereinsetzungsgrund im Sinne eines "unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses" zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer durch die (von ihm seiner Ansicht nach nicht verschuldete) bis zum unterlassene Aushändigung der Hinterlegungsanzeige an der rechtzeitigen Berufungseinbringung gehindert gewesen sei. Davon ausgehend begann die Wiedereinsetzungsfrist im Sinne der ersten Alternative des § 71 Abs. 2 AVG mit dem Wegfall dieses Hindernisses. Im Ergebnis kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie diesen Zeitpunkt (nach Aushändigung der Hinterlegungsanzeige am Tag davor) spätestens mit der Übergabe der Bescheidkopie am angesetzt und demzufolge den erst am eingebrachten Antrag als verfristet angesehen hat.
Die Beschwerde, der zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides keine konkreten Argumente zu entnehmen sind, war daher auch insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am