VwGH vom 26.06.2014, 2013/03/0161

VwGH vom 26.06.2014, 2013/03/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde von Dr. E B, Rechtsanwältin in W, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenats vom , Zl 611.808/0010- BKS/2013, betreffend Verletzung des ORF-Gesetzes (mitbeteiligte

Partei: Österreichischer Rundfunk in Wien, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20; weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die erstinstanzliche Abweisung der Popularbeschwerde wegen behaupteter Verletzung des ORF-Gesetzes durch die Ausstrahlung der Dokumentation "Nationale Träume - Ungarns Abschied von Europa?" am im Fernsehprogramm ORF 2 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Sachverhalt

1. Am strahlte der ORF (Mitbeteiligter) im Fernsehprogramm ORF 2 im Rahmen eines als "Ungarn-Themenabend" angekündigten Programms zunächst eine von den Journalisten A M und P L gestaltete und vom ORF mitproduzierte Dokumentation mit dem Titel "Nationale Träume - Ungarns Abschied von Europa?" aus. In der Sendung wurden unter anderem kurze Ausschnitte öffentlicher Reden von europäischen und ungarischen Politikern (darunter auch des amtierenden ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orban) gezeigt und durch Interviews mit Bürgerrechtskämpfern, Journalisten, Kunstschaffenden, mit einem Geistlichen und einem Vertreter der Roma, sowie mit einzelnen Mitgliedern der ungarischen J-Partei ergänzt. Die Sprecherin der Sendung äußerte zu den gezeigten Bildern (soweit dies für den Beschwerdefall von Relevanz ist), Ungarn habe sich unter seiner derzeitigen Regierung "in beispielloser Geschwindigkeit" verändert. "Ohne ein Programm aber mit viel nationalistischem Pathos" habe die rechtskonservative Fpartei 2010 die Wahlen mit einer überwältigenden 2/3 Mehrheit gewonnen. "Seitdem (baue) die Regierung unter Victor Orban das Land konsequent um und die Demokratie ab". Die öffentlich-rechtlichen Medien unterstünden "einer neuen Medienbehörde, die über Inhalte wacht und Lizenzen vergibt". Die neue Medienbehörde verwickle beispielsweise ein privates Kulturradio seit 2011 in einen juristischen Kleinkrieg um die Radiolizenz, wodurch dem Sender Werbekunden wegbrächen. Dabei handle es sich "offenbar (um) eine gewollte Regierungsstrategie". Nach einem neuen Religionsgesetz sei die methodistische Kirche eines namentlich genannten Pastors "keine Kirche mehr, und das (habe) Konsequenzen", weil keine staatlichen Zuschüsse für die Sozialarbeit dieser kirchlichen Institution geleistet würden. Die Europäische Union habe gegen Ungarn zwei Verfahren eingeleitet. Sie sehe "die Unabhängigkeit der Justiz und den Datenschutz in Gefahr (...) Aber nicht nur die EU auch europäische Investoren (beklagten) willkürliche Sondersteuern, Bankenabgaben und eine unsichere Rechtslage. Wenn es darum (gehe), das drohende Budgetdefizit zu stopfen, (sei) die Regierung nämlich sehr kreativ". "Mitglieder der rechtsradikalen J Partei (seien) offen rassistisch. Die J (sei) mit 17% die drittstärkste Partei im ungarischen Parlament (...) Der paramilitärische Teil der J (sei) für das Grobe zuständig. Offiziell verboten, gebe es viele Milizen, die als Kulturverein getarnt überall dort auftreten, wo Roma leben". Sie hätten insbesondere einen näher umschriebenen Übergriff auf Roma zu verantworten, bei dem Angehörige dieser Minderheit erschossen worden seien.

Im Anschluss an diese Dokumentation fand eine Diskussionssendung "Club 2" unter dem Titel "Ungarn: Demokratie Ade?" statt, an der neben der Diskussionsleiterin und dem Mitgestalter des Dokumentarfilms P L, der stellvertretende Staatssekretär im ungarischen Außenministerium, ein deutscher CDU-Politiker (und ehemaliger Leiter der Außenstelle Budapest der K Stiftung), eine ungarische Journalistin, der Leiter der E Stiftungen in Eisenstadt und Generaldirektor der E-Betriebe, sowie ein der ungarischen Regierung kritisch gegenüberstehender Informatiker teilnahmen. In der Diskussion wurde mit den Teilnehmern kontroversiell erörtert, ob die zuvor gezeigte Dokumentation die ungarische Wirklichkeit widergespiegelt habe.

2. Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin, unterstützt von mehr als der gesetzlich geforderten Mindestanzahl von Personen, eine auf § 36 Abs 1 Z 1 lit b ORF-G gestützte Popularbeschwerde, in der sie im Wesentlichen geltend machte, der ORF habe durch die Ausstrahlung der Dokumentation "Nationale Träume - Ungarns Abschied von Europa?" mehrere einschlägige Vorschriften des ORF-G (§§ 4 Abs 1 Z 1, Abs 4, Abs 5 Z 1 und 2, Abs 6, 4c, 10 Abs 5 bis 7 ORF-G), die eine unparteiliche und objektive Berichterstattung sichern sollen, verletzt. Er habe überdies bei der Zusammensetzung des Teilnehmerkreises in der Sendung "Club 2" mit dem Titel "Ungarn - Demokratie Ade?" gegen § 10 Abs 4 bis 6 ORF-G verstoßen.

3. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Beschwerde als unbegründet ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin greife einzelne Aspekte der gezeigten Dokumentation heraus und bestreite deren Richtigkeit. Entscheidend dafür, ob eine Sendung dem Objektivitätsgebot entsprochen habe, sei aber der Gesamtkontext und der für den Durchschnittsbetrachter daraus zu gewinnende Eindruck. Im vorliegenden Fall habe ein Durchschnittsbetrachter aufgrund des zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhangs der Dokumentation und der anschließenden Diskussion, der gemeinsamen Ankündigung sowie der auf die Dokumentation Bezug nehmenden Fragestellungen der Diskussionsleiterin die beiden Sendungen als Einheit wahrgenommen. Es bilde daher auch die Gesamtheit der beiden Sendungen den Beurteilungsgegenstand für die Frage, ob das Objektivitäts- und Unparteilichkeitsgebot des ORF-G verletzt worden sei. Im vorliegenden Fall habe in der im Anschluss an die Dokumentation ausgestrahlten Diskussion die Möglichkeit bestanden, einen möglicherweise verzerrten Eindruck zu beseitigen, da ein Vertreter der Regierung des amtierenden ungarischen Ministerpräsidenten sowie ein konservativer (deutscher) Politiker Teilnehmer der Diskussion gewesen seien. Basierend auf der Auswahl an Diskussionsteilnehmern habe der ORF daher davon ausgehen können, dass aus Sicht der Kritiker des Dokumentarfilms vorhandene Fehler der Dokumentation berichtigt und die aus ihrer Sicht tatsächlich bestehende Sachlage unmissverständlich wiedergegeben würde. Ob diese Personen tatsächlich entsprechend Position in der Diskussion beziehen, lag nicht in der Ingerenz des ORF, sodass allein die ausgewogene Auswahl der Diskussionsteilnehmer maßgebend gewesen sei. Darüber hinaus verlange der Grundsatz der ausgewogenen Meinungsvielfalt nicht, dass eine einzelne Sendung (Analyse) stets alle in dieser Frage in Betracht kommenden Meinungen darzustellen habe; von Bedeutung sei vielmehr die Programmgestaltung insgesamt. Die Beschwerdeführerin bringe nicht substantiiert vor, dass die Programmgestaltung des ORF die Vielfalt der Meinungen (gemeint offenbar in Bezug auf die Berichterstattung über Ungarn) verletzen würde. Die Gesamtbetrachtung der Dokumentation "Nationale Träume - Ungarns Abschied von Europa?" und der Diskussionssendung "Club 2" mit dem Titel "Ungarn: Demokratie Ade?" zeige, dass diese jedenfalls in ihrer Gesamtheit der Forderung des Objektivitäts- und Unparteilichkeitsgebotes iSd ORF-G entsprochen haben. Bei diesem Ergebnis erübrige es sich der Frage nachzugehen, ob die verfahrensgegenständliche Dokumentation für sich genommen, in allen Facetten oder in einzelnen Passagen dem Objektivitäts- und Unparteilichkeitsgebot entsprochen habe, sodass auf die in der Berufung der Beschwerdeführerin vorgebrachte Kritik an einzelnen Aspekten der Dokumentation nicht weiter eingegangen werden müsse.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Beschwerde rügt vor allem, die belangte Behörde nehme - offenbar ausgehend von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung -

zur Tatsachenrüge der Berufung nicht Stellung, wonach der gezeigte Dokumentarfilm keine einzige sachliche und überprüfbare Aussage zur behaupteten Einschränkung der Bürgerrechte und Pressefreiheit in Ungarn, der Aushebelung der demokratischen Gewaltenteilung, der Verfolgung von Roma und dem Antisemitismus enthalte. Die belangte Behörde gehe nicht darauf ein, dass die Popularbeschwerde hinsichtlich aller in der Dokumentation angesprochenen Themen eine sachliche (Gegen)Darstellung gegeben und darin die auf bloßen Meinungen beruhenden Schlussfolgerungen der Dokumentation widerlegt habe. Sie gehe mit keinem Wort darauf ein und akzeptiere nicht einmal die vom ORF im Verfahren zugegebene unrichtige Darstellung hinsichtlich der behaupteten Nichtanerkennung der Methodistenkirche. Sie erörtere auch nicht, dass die KommAustria selbst zugebe, die Dokumentation habe teilweise "eine die Belange der Gegner der Regierung von Ministerpräsident Orban einseitig wohlwollende Tendenz" aufgewiesen; das bedeute im Klartext, dass die Einseitigkeit der Dokumentation zumindest teilweise zugegeben worden sei. Die belangte Behörde hätte daher diese zugegebene Einseitigkeit zu überprüfen und konkret festzustellen gehabt. Die belangte Behörde übersehe auch, dass der ORF in seiner Stellungnahme bemerkt habe, in der Sendung von einer Stunde hätte man nicht alles bringen können, womit er eingestehe, dass die Dokumentation unvollständig, unausgewogen und einseitig gewesen sei. Mit alldem habe sich die belangte Behörde nicht beschäftigt, sodass das Verfahren mangelhaft geblieben sei.

Die belangte Behörde vermeine in rechtlicher Hinsicht, dass die Dokumentation mit der am gleichen Tag ausgestrahlten Diskussion als Einheit zu betrachten sei. Es sei wohl richtig, dass bei mehreren Sendungen zum gleichen Thema und in zeitlichem Zusammenhang eine Gesamtbetrachtung geboten sei. Voraussetzung sei aber, dass es sich um gleichartige Sendungen handle und der Konsument die Gleichartigkeit der Sendungen erkennen könne. Dies wäre etwa dann der Fall gewesen, wenn in zeitlichem Konnex etwa eine Dokumentation ausgestrahlt worden wäre, in der nicht zu 96% Regierungsgegner, sondern Fachleute, Zeithistoriker, Sachverständige und Betroffene zu Wort gekommen wären. Im vorliegenden Fall sei dies aber nicht geschehen, sondern es habe eine Diskussion stattgefunden, sodass der Konsument keine einer Dokumentation entsprechende Information erwartet und der Teil der Zuseher, der eine umfassendere Dokumentation gewünscht hat, den "Club 2" gar nicht angesehen hat. Der ORF habe daher nicht erwarten können, dass die Konsumenten der Dokumentation auch den "Club 2" ansehen würden. Es sei auch nicht festgestellt und vom ORF behauptet worden, dass Zuseher darauf aufmerksam gemacht wurden, dass zur Wahrung einer objektiven Gesamtschau und zur Vollständigkeit der Dokumentation es notwendig sei, auch den "Club 2" anzusehen. Der ORF habe den Inhalt der Diskussion weder vorhersehen noch bestimmen können. Er habe daher auch nicht - wie die belangte Behörde vermeine - davon ausgehen können, dass die teilnehmenden Personen Fehler berichtigen und die tatsächlich bestehende Sachlage unmissverständlich wiedergeben würden. Dies sei ausschließlich Aufgabe des dem öffentlichen Auftrag unterliegenden ORF. Eine Dokumentation sei das Ergebnis von Recherchen bzw nur aufgrund von fachlichen Unterlagen zu widerlegen. Die Diskussionsteilnehmer des "Club 2" hätten keine fachliche Kompetenz gehabt, zu den thematisierten Fragen der Gewaltenteilung, der Gerichtsbarkeit, des Medienrechts, des Kirchengesetzes, den Problemen der Roma, der Pensionskassen und Arbeitslosigkeit in Ungarn Stellung zu nehmen.

Die von der belangten Behörde angestellte Gesamtbetrachtung sei aber jedenfalls verfehlt, weil Dokumentationsfilm und Diskussion ganz verschiedenen Objektivitäts- und Vollständigkeitskriterien unterlägen. Während eine dem Objektivitätsgebot entsprechende Dokumentation die Nachvollziehbarkeit auf der Basis von konkreten Tatsachen, Vollständigkeit und Unparteilichkeit erfordere, sei dies bei einer Diskussion nicht der Fall. Die Kriterien für die Diskussion seien nicht die Objektivität, sondern die Auswahl der Teilnehmer unter Berücksichtigung der Vielfalt der Meinungen. Diskussionsteilnehmer seien weder zur Sachlichkeit, noch zur Objektivität, Vollständigkeit oder Unparteilichkeit verpflichtet. Die in einem Diskussionsbeitrag geäußerte Meinung könne daher eine den oben genannten Kriterien unterliegende Dokumentation nicht ersetzen, abändern oder berichtigen.

Wenn die belangte Behörde von einer Gesamtschau spreche, dann ergebe sich allenfalls aus den Titeln der beiden Sendungen, dass den Konsumenten in gleicher Weise die Abkehr Ungarns von demokratischen Grundsätzen und europäischen Werten suggeriert werde. Entgegen der Meinung der belangten Behörde sei auch die Auswahl der Diskussionsteilnehmer des Club 2 nicht ausgewogen gewesen. Während drei Personen teilgenommen hätten, die geistige Urheber und Mitwirkende der Dokumentation gewesen seien, seien keine Fachleute eingeladen worden, die nach Ansicht der belangten Behörde Fehler berichtigen und Tatsachen unmissverständlich wiedergeben hätten sollen.

5. Das Bundesverwaltungsgericht, das gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG seit im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren an die Stelle der belangten Behörde getreten ist, legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor.

6. Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde ab- oder hilfsweise zurückzuweisen.

Er "regt an", die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu prüfen. In der Sache wird vorgebracht, dass die verfahrensgegenständliche Dokumentation von der belangten Behörde als Sachanalyse qualifiziert worden sei und sie ausführlich begründet habe, warum es geboten sei, diese und die anschließende Diskussion als Einheit zu betrachten. Diskussionsteilnehmer seien zwar nicht zur Sachlichkeit und Objektivität verpflichtet, ihre Diskussionsbeiträge könnten jedoch sehr wohl "Gegenstand eines Verfahrens vor einer Behörde" sein; sie seien "nicht gänzlich frei", sondern unterlägen sehr wohl "einer rechtlichen Beurteilung".

II. Rechtslage

1. Die relevanten Bestimmungen des ORF-Gesetzes, BGBl Nr 379/1984 idF BGBl I Nr 50/2010 (ORF-G), lauten (auszugsweise):

"1. Abschnitt

Einrichtung und öffentlich-rechtlicher Auftrag des Österreichischen Rundfunks

Stiftung 'Österreichischer Rundfunk'

§ 1. (1) (...) (2) (...)

(3) Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrages (...) die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichischen Rundfunks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten.

(...)

Öffentlich-rechtlicher Kernauftrag

§ 4. (1) Der Österreichische Rundfunk hat durch die Gesamtheit seiner gemäß § 3 verbreiteten Programme und Angebote zu sorgen für:

1.die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen;

(...)

(4) Insbesondere Sendungen und Angebote in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft haben sich durch hohe Qualität auszuzeichnen. (...).

(5) Der Österreichische Rundfunk hat bei Gestaltung seiner Sendungen und Angebote weiters für

1. eine objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen;

2. die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen;

3. eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität

zu sorgen.

(6) Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht. Unabhängigkeit bedeutet Unabhängigkeit von Staats- und Parteieinfluss, aber auch Unabhängigkeit von anderen Medien, seien es elektronische oder Printmedien, oder seien es politische oder wirtschaftliche Lobbys.

(...)

2. Abschnitt

Programmgrundsätze

Inhaltliche Grundsätze

§ 10. (1) Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.

(2) Die Sendungen dürfen nicht zu Hass auf Grund von Rasse, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion und Nationalität aufreizen.

(3) Das Gesamtprogramm hat sich um Qualität, Innovation, Integration, Gleichberechtigung und Verständigung zu bemühen.

(4) Die umfassende Information soll zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung im Dienste des mündigen Bürgers und damit zum demokratischen Diskurs der Allgemeinheit beitragen.

(5) Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.

(6) Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen, die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen sind zu achten.

(7) Kommentare, Analysen und Moderationen haben sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen.

(...)"

III. Erwägungen

1. Da die Beschwerde am beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden ist und die Beschwerdefrist am bereits abgelaufen war, sind im gegenständlichen Beschwerdeverfahren gemäß § 79 Abs 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

2. Zur - vom Mitbeteiligten in Zweifel gezogenen - Rechtzeitigkeit der Beschwerde ist festzuhalten, dass der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin nach dem aktenkundigen Rückschein am zugestellt worden ist. Die sechswöchige Beschwerdefrist endete unter Berücksichtigung der Feiertage am 25. und somit am . An diesem Tag wurde die vorliegende Beschwerde zur Post gegeben und an den Verwaltungsgerichtshof übermittelt. Die Beschwerde ist daher rechtzeitig.

3. Die Beschwerde ist auch teilweise begründet.

Nach den genannten Vorschriften des ORF-G verlangt die gebotene objektive Berichterstattung durch den ORF (Objektivitätsgebot; vgl § 1 Abs 3 ORF-G), dass Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen objektiv ausgewählt und vermittelt werden (§ 4 Abs 5 Z 1 ORF-G), für die Allgemeinheit wesentliche Kommentare, Standpunkte und kritische Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen wiedergegeben und vermittelt werden (§ 4 Abs 5 Z 2 ORF-G), und eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen des ORF unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität erstellt werden (§ 4 Abs 5 Z 3 ORF-G). Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein, und es sind alle Nachrichten und Berichte sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen; Nachricht und Kommentar sind deutlich voneinander zu trennen (§ 10 Abs 5 ORF-G). Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen, die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen sind zu achten (§ 10 Abs 6 ORF-G) und es haben Kommentare, Analysen und Moderationen sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen (§ 10 Abs 7 ORF-G).

Die Sachlichkeit (Objektivität) einer Sendung bemisst sich grundsätzlich nach ihrem Thema. Dieses Thema legt fest, was "Sache" ist. Bei der Beurteilung der Sachlichkeit muss im Sinne einer gebotenen Gesamtbetrachtung stets der Gesamtzusammenhang in Betracht gezogen werden, der das Thema der Sendung bestimmt. Dieser Gesamtkontext und der für die Durchschnittsbetrachter daraus zu gewinnende Gesamteindruck gibt der Beurteilung, ob die Gestaltung einer Sendung dem Objektivitätsgebot entsprochen hat, die Grundlage. Einzelne Formulierungen können daher aus dem Gesamtzusammenhang gerechtfertigt werden. Unzulässig sind jedenfalls polemische oder unangemessene Formulierungen, also solche, die eine sachliche Auseinandersetzung vermissen lassen und in denen es erkennbar darum geht, jemanden bloß zu stellen, bzw Aussagen oder Formulierungen eines Beitrages, die eine hervorstechende oder den Gesamtzusammenhang in den Hintergrund drängende Wirkung derart entfalten, dass beim Durchschnittsbetrachter unweigerlich ein verzerrter Eindruck entsteht (vgl etwa , unter Hinweis insbesondere auf , sowie die weitere dort zitierte Rechtsprechung).

Im Zusammenhang mit Diskussionssendungen im ORF hat der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt, dass sich das Objektivitätsgebot und das Gebot der Unparteilichkeit dabei vor allem über die sachlich begründete Auswahl des Kreises an Teilnehmerinnen und Teilnehmern realisiert. Es besteht aber grundsätzlich kein Anspruch einer Partei oder einer Interessenvertretung auf Präsenz in einer bestimmten Sendung. Entscheidend ist vielmehr, dass es insgesamt allen nennenswerten politischen Kräften möglich ist, ihre Meinungen darzulegen. Insoweit kommt dem ORF ein weiter Spielraum zu, nach welchen journalistischen Kriterien Diskussionsrunden zusammenzusetzen sind (vgl etwa Zl 2011/03/0022, und vom , 2010/03/0073).

4. Soweit die Beschwerdeführerin - wie schon in der Popularbeschwerde - vermeint, der ORF habe eine unsachliche Auswahl der Diskussionsteilnehmer des "Club 2" vorgenommen und dadurch gegen das Objektivitätsverbot verstoßen, vermag sie nicht darzulegen, dass der ORF den ihm zukommenden Spielraum überschritten hätte. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass die eingeladenen Personen - nach sachlichen Kriterien - nicht dafür geeignet gewesen wären, dem Erfordernis der Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit dem strittigen Thema gerecht zu werden.

5. Zu Recht wendet sich die Beschwerdeführerin aber gegen die Auffassung der belangten Behörde, es erübrige sich der Frage nachzugehen, ob die verfahrensgegenständliche Dokumentation für sich genommen dem Objektivitäts- und Unparteilichkeitsgebot entsprochen habe bzw ob die in der Berufung der Beschwerdeführerin an die belangte Behörde vorgebrachte Kritik an einzelnen Aspekten der Dokumentation berechtigt sei.

Zur Begründung dieser Rechtsansicht stützt sich die belangte Behörde darauf, dass die Dokumentation und der anschließende "Club 2" als Einheit betrachtet werden müssten. Im Anschluss an die Dokumentation habe die Möglichkeit bestanden, einen möglicherweise verzerrten Eindruck in der Diskussion zu beseitigen und behauptete Fehler der Dokumentation zu berichtigen; dadurch sei dem Objektivitätsgebot hinreichend entsprochen worden.

Diese rechtliche Einschätzung wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt:

Die Behörden haben die in Rede stehende Dokumentation zutreffend als Sachanalyse qualifiziert. Die Aufgabe einer derartigen Analyse ist es, Ursachen, Zusammenhänge, Dimensionen und Wirkungen eines Ereignisses verständlich zu machen und zu erklären. Die Analyse hat beruhend auf nachvollziehbaren Tatsachen (§ 10 Abs 7 ORF-G), also nach gründlicher Recherche zu erfolgen.

Nicht erforderlich ist, dass in der einzelnen Sendung stets alle in dieser Frage in Betracht kommenden Meinungen dargestellt werden. Vielmehr kann aus dem Objektivitätsgebot allenfalls das Erfordernis einer die Vielfalt der Meinungen zum Ausdruck bringenden Programmgestaltung des ORF folgen (vgl zum Ganzen ).

Das bedeutet aber nicht, dass es für den ORF unter dem Blickwinkel des Objektivitätsgebots irrelevant wäre, ob die in der Sachanalyse zugrunde gelegten Tatsachen richtig sind oder zumindest bei Einhaltung journalistischer Sorgfalt als wahr angenommen werden durften. Soweit für den Durchschnittsbetrachter der Sendung der Eindruck entstehen kann, die in der Dokumentation aufgestellten Tatsachenbehauptungen seien (auch vom ORF) auf ihre Richtigkeit hin geprüft und für zutreffend befunden worden, entspricht der ORF dem Objektivitätsgebot nur dann, wenn eine solche Prüfung auch stattgefunden hat und von der Medienbehörde - im nachprüfenden Verfahren - als ausreichend erachtet wird.

Es ist jedoch nicht ausreichend, dass der ORF im Anschluss an eine derartige Sachanalyse eine Diskussionssendung veranstaltet, in der die Teilnehmer/innen allfälligen Unrichtigkeiten der gezeigten Dokumentation entgegentreten können. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass eine derartige Diskussionssendung, in der ein Zuseher von vornherein kontroversielle Ansichten und Äußerungen der Diskutanten erwartet, in der Regel nicht geeignet ist, den durch eine vorangegangene Dokumentation beim Zuseher entstandenen Eindruck, ein Thema sei darin sachlich richtig und weitgehend vollständig behandelt worden, zu beseitigen. Die gegenteilige Rechtsauffassung liefe letztlich auch darauf hinaus, dem ORF - hypothetisch - einen "Freibrief" für allenfalls unrichtige und nach dem Maßstab journalistischer Sorgfalt unzureichend recherchierter Sachanalysen zu geben und davon (negativ) Betroffene auf die Möglichkeit einer Gegendarstellung in einer Diskussion zu verweisen; eine solche Sichtweise kann dem ORF-G aber nicht unterstellt werden.

6. Es ist zu betonen, dass es nicht Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens ist, die Kritik der Beschwerdeführerin an den in der gegenständlichen Dokumentation gezeigten Tatsachenbehauptungen zur Lage in Ungarn auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Daher kann dem ORF auf der Grundlage des bisher geführten Verfahrens auch nicht vorgeworfen werden, mit der strittigen Dokumentation das Objektivitätsgebot missachtet zu haben. Die belangte Behörde kann sich nach dem bisher Gesagten aber nicht darauf zurückziehen, die Kritik der Beschwerdeführerin an der Sendung keiner weiteren Prüfung zu unterziehen, sondern sie muss sich mit den Vorwürfen gegen die Dokumentation jedenfalls insoweit auseinandersetzen, als behauptet wird, es seien darin Tatsachen behauptet und zugrunde gelegt worden, die nicht zuträfen oder zumindest nicht mit der erforderlichen journalistischen Sorgfalt recherchiert wurden.

7. Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Gründen in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

8. Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte bei diesem Ergebnis gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

9. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 (vgl § 79 Abs 11 VwGG iVm § 3 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr 8/2014).

Wien, am