VwGH vom 22.08.2019, Ra 2018/16/0136

VwGH vom 22.08.2019, Ra 2018/16/0136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traun, vertreten durch Mag. Dietmar Huemer, LL.M., Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-450325/4/MB/BD, betreffend Ergänzungs-Kanalanschlussgebühr (mitbeteiligte Partei: L Gesellschaft m.b.H. in Liquidation in T, vertreten durch die Schmid Hochstöger Rechtsanwälte GesbR, Dr. Günther Schmid und Mag. Rainer Hochstöger, in 4020 Linz, Hafferlstraße 7; weitere Partei:

Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine Beschwerde der mitbeteiligten Gesellschaft m.b.H. (Mitbeteiligten) gegen einen Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traun zurück und sprach aus, dass eine Revision (nach Art. 133 Abs. 4 B-VG) unzulässig sei.

2 Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Traun habe mit Bescheid vom einer Berufung der Mitbeteiligten teilweise stattgegeben und den Spruch des vor dem Gemeinderat bekämpften Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Traun vom wie folgt ersetzt:

"Der (Mitbeteiligten, Anschrift, Firmennummer, vertreten

durch ...) wird gemäß ..... eine Ergänzungskanalanschlussgebühr

wie folgt vorgeschrieben: ..."

3 Im Anschluss daran finde sich folgende Zustellverfügung:

"Bescheid ergeht an: (Vertreter der Mitbeteiligten, Anschrift)"

4 Darüber hinaus finde sich die Wendung "Bescheid zur Kenntnisnahme an: ..."

5 Der bekämpfte Bescheid des Gemeinderates sei den Vertretern, auf welche die Zustellverfügung laute, direkt zugestellt worden, nicht hingegen der Revisionswerberin. Letzterer gegenüber sei keine Zustellung erfolgt. Die Übergabe des tatsächlichen Originalbescheides könne den Zustellmangel nicht heilen, weil die Zustellverfügung selbst auf den falschen Adressaten laute. 6 Die Beschwerde sei daher mangels Zustellung eines tauglichen Beschwerdegegenstandes an die Revisionswerberin zurückzuweisen. Jener gegenüber sei kein Bescheid der belangten Behörde ergangen. 7 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§36 VwGG); Revisionsbeantwortungen langten von der Mitbeteiligten (Schriftsatz vom ) und von der Oberösterreichischen Landesregierung (Schriftsatz vom ) ein.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Der Revisionswerber trägt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Landesverwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes abgewichen, wonach die Zustellung eines Bescheides nicht an eine anwaltlich vertretene Partei (materieller Empfänger) selbst, sondern vielmehr an die anwaltliche Vertretung (formeller Empfänger) zu erfolgen habe. 13 Die Revision ist zulässig und berechtigt:

14 § 2 Z 1 des gemäß § 98 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) im Revisionsfall anzuwendenden Zustellgesetzes (ZustG) lautet:

"§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. Empfänger: die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person;"

15 Die Zustellung ist gemäß § 5 ZustG von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.

16 § 9 Abs. 3 ZustG lautet:

"(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

17 Ist eine Person, für die das zuzustellende Dokument inhaltlich bestimmt ist (Empfänger im materiellen Sinn), durch eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person vertreten, so ist deren Kanzlei somit ausschließliche Abgabestelle. In einer solchen Konstellation ist der berufsmäßige Parteienvertreter Empfänger (im formellen Sinn) nach § 2 Z 1 ZustG (vgl. etwa , , und ). Wer Empfänger eines Schriftstückes im Sinn des ZustG ist, hängt von der Zustellverfügung ab (vgl. ). 18 Ist auf der Zustellverfügung ein Zustellungsbevollmächtigter

als Empfänger zu bezeichnen, reicht die Adressierung an die Partei zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten aus (vgl. , und ).

19 Dass im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides des revisionswerbenden Gemeinderates an die Kanzlei der erwähnten Rechtsanwälte als Abgabestelle im Sinn des ZustG die Zustellbevollmächtigung nicht oder nicht mehr bestanden hätte, hat das Landesverwaltungsgericht nicht festgestellt.

20 Vor dem Hintergrund dieser Sach- und Rechtslage hat der revisionswerbende Gemeinderat in der Zustellverfügung (§ 5 ZustG) des an die Mitbeteiligte gerichteten Bescheides zutreffend den zustellungsbevollmächtigen berufsmäßigen Parteienvertreter als formellen Empfänger im Sinn des § 2 Z 1 ZustG) angeführt. 21 Deshalb ist mit der Zustellung dieses Bescheides an den Zustellungsbevollmächtigten der angefochtene Bescheid gegenüber dem Vollmachtgeber, der Mitbeteiligten, wirksam geworden und war dieser zur Beschwerde legitimiert.

22 Die Mitbeteiligte führt in der Revisionsbeantwortung aus, beim erwähnten Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Traun vom handle es sich mangels Angabe eines Bescheidadressaten im Spruch um einen Nichtbescheid. Dabei mag sie eine Zurückweisung einer dagegen unzulässigen Berufung durch den Bescheid des Gemeinderates im Auge haben und dergestalt eine Rechtswidrigkeit der meritorischen Entscheidung des Gemeinderates ansprechen, welche jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist. Im vorliegenden Revisionsfall wurde vom Landesverwaltungsgericht lediglich die Wirksamkeit des vor dem Landesverwaltungsgericht bekämpften Bescheides des Gemeinderates gegenüber der Mitbeteiligten verneint, ohne Aussagen über eine Rechtsrichtigkeit dieses Bescheides zu prüfen.

23 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018160136.L00

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