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VwGH vom 22.12.2011, 2010/16/0063

VwGH vom 22.12.2011, 2010/16/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller. Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Dr. Z in S, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jakobergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , GZ. FSRV/0013-F/09, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom leitete das Zollamt Feldkirch Wolfurt gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, dass der Beschwerdeführer am

a) verschiedene näher bezeichnete drittländische Waren (Damenarmbanduhren, Brillanten lose, Damenarmbänder, Damenhalsbänder, Ohrringe, Ringe usw.) im Gesamtwert von rund 117.000 EUR über das Zollamt Feldkirch Wolfurt, Zollstelle Tisis in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht habe, ohne diese einem Zollverfahren zuzuführen, sowie

b) anlässlich der Einreise in den Wirtschaftsraum der Europäischen Union über das Zollamt Feldkirch Wolfurt, Zollstelle Tisis, gesetzliche Zahlungsmittel, nämlich Silbermünzen im Betrag von rund 3.500 EUR sowie Anlagegold (Goldmünzen) im Betrag von rund 179.000 EUR mit sich geführt habe und der dafür erforderlichen Verpflichtung im Bargeldverkehr gemäß § 17b Zollrechts-Durchführungsgesetz beim Zollamt nicht nachgekommen sei,

und hiermit zu a) ein Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 lit. a erster Fall FinStrG und zu b) ein Finanzvergehen der Verletzung der Verpflichtung im Bargeldverkehr nach § 48b Abs. 1 FinStrG begangen habe. Der Beschwerdeführer habe, wie sich aus den Niederschriften des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom 3. und ergebe, die zu a) angeführten Waren beim Zollamt Feldkirch Wolfurt, Zollstelle Tisis, trotz Befragung durch den anwesenden Beamten nicht deklariert und diese somit ohne Zollanmeldung vorsätzlich vorschriftswidrig in den Wirtschaftsraum der EU verbracht und die zu b) angeführten Zahlungsmittel (Silbermünzen) sowie das mitgeführte Anlagegold (Goldmünzen) beim Zollamt Feldkirch Wolfurt, Zollstelle Tisis, trotz Befragung durch den anwesenden Beamten nicht angemeldet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom eine Administrativbeschwerde. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass sich in den von Frau H.H. persönlich vernähten Leintüchern Schmuckgegenstände befunden hätten. Er habe diese Schmuckgegenstände vor Öffnung der Leinentücher durch die Zollbehörde nicht gesehen und sei vielmehr der Ansicht gewesen, in allen Leinentüchern befänden sich Münzen. Zu den Münzen brachte er vor, dass ihm Frau H.H. angegeben habe, es handle sich um eine für ihren Sohn bestimmte Münzsammlung. Er habe keine Ahnung gehabt, dass es sich um gesetzliche Zahlungsmittel gehandelt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und rechtlichen Ausführungen stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei anlässlich seiner Einreise am von Beamten "des GPI Tisis" einer Zoll- und Passkontrolle unterzogen worden. Im Zuge dieser Kontrolle sei der Beschwerdeführer als Beifahrer und dessen Sohn als Lenker des Fahrzeuges nach mitgeführten Waren befragt worden. Beide hätten diese Frage verneint. Sie hätten angegeben, sich privat in Liechtenstein aufgehalten und auch dort genächtigt zu haben. Der Polizeibeamte habe den Fahrer angewiesen, das Fahrzeug abzustellen und in den Vernehmungsraum des Zollamtes zu kommen, wo er einer polizeilichen Kontrolle unterzogen worden sei. Währenddessen habe der Beschwerdeführer im Fahrzeug gewartet. Der Polizeibeamte habe sich dann mit dem Sohn des Beschwerdeführers zum Fahrzeug begeben und erklärt, dass er den Kofferraum des Fahrzeuges überprüfen möchte, worauf ihm der Beschwerdeführer den Kofferraum des Fahrzeuges geöffnet habe. Darin habe sich eine verschlossene Sporttasche befunden. Beim Öffnen der Tasche habe der Beamte bereits verschiedene lose und verpackte Münzen gesehen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin erklärt, dass er diese Tasche mit Inhalt bei einer Bank in Liechtenstein im Auftrag einer Bekannten, Frau H.H., abgeholt habe. Über Befragen, ob dies die einzigen Waren seien, die er mitführe, habe er nach einigem Zögern erklärt, dass er auch noch 55.000 EUR an Bargeld, welches ebenfalls aus dem Schließfach seiner Bekannten stamme, in seiner Jackentasche mitführe.

Anlässlich seiner Einvernahme als Beschuldigter (richtg: Verdächtiger) am habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er die verfahrensgegenständlichen Münzen und Schmuckstücke deshalb nicht erklärt habe, weil er nicht gewusst habe, was sich in der Tasche befunden habe. Er habe mit dem Schlüssel, den ihm Frau H.H. bei ihm zu Hause übergeben hätte, das Schließfach bei der liechtensteinischen Bank geöffnet und die in Stoffsäcken verpackten Waren in seine Tasche umgefüllt. Er habe den Transport aus Gefälligkeit übernommen, ohne sich um den Wert der Waren Gedanken zu machen. Für diese Waren wären keine Rechnungen vorhanden. Der Beschwerdeführer sei seinen Angaben zufolge längere Zeit im Import-Export-Geschäft tätig gewesen und daher auch mit Zollformalitäten und Speditionen vertraut.

Es erscheine der belangten Behörde unverständlich, dass jemand Waren bei einem Schließfach einer Bank in Liechtenstein abhole, ohne sich Gedanken um deren zollrechtliche Einfuhr zu machen; dies auch im Hinblick darauf, dass die Waren ein Gewicht von etwa 30 kg hätten und die Auftraggeberin erklärt habe, dass es sich um Wertgegenstände handle, die sie ihrem Sohn vor ihrem Tod unbedingt übergeben möchte. Wenn der Beschwerdeführer daher den Auftrag zur Abholung ihm nicht näher bekannter Gegenstände und von Bargeld übernehme, sei es nicht nachvollziehbar, dass er sich um die Einreise und Zollformalitäten keine Gedanken gemacht habe. Davon, dass es sich um unbedeutende Waren, die allenfalls nicht erklärt werden müssten (wie abgabenfreies Reisegut) handeln könnte, hätte er schon deshalb nicht ausgehen können, weil allein das Gewicht von etwa 30 kg, die ebenfalls behobene Bargeldsumme von 55.000 EUR und der dringende Wunsch der Eigentümerin, diese Gegenstände vor ihrem Tod ihrem Sohn zu übergeben, gegen die Annahme von nur unbedeutenden und im Rahmen der Reisefreigrenze abgabenfrei einzubringenden Waren gehandelt habe.

Dem Einwand, der Beschwerdeführer habe den Inhalt der Leinensäcke nicht kontrolliert und sei davon ausgegangen, darin befänden sich ausschließlich Münzen, halte die belangte Behörde entgegen, dass er zwar die Säcke, in denen sich die Münzen befunden hätten, nicht geöffnet haben möge, die Schmuckstücke jedenfalls wären in Etuis gewesen, sodass es auch für den Beschwerdeführer unschwer zu erkennen gewesen sei, dass es sich nicht nur um lose Münzen gehandelt habe. Der Beschwerdeführer habe immerhin die Stücke aus dem Safe genommen und in die von ihm mitgebrachte Tasche umgefüllt, sodass er die Ware in die Hand habe nehmen müssen. Wenn jemand Bargeld im Wert von 55.000 EUR in einem Safe einer liechtensteinischen Bank aufbewahrt sowie Münzen und Schmuckstücke von über 30 kg, könne niemand davon ausgehen, es handle sich um nicht deklarierungsbedürftige Reisemitbringsel.

Im Übrigen habe die Eigentümerin der Waren, Frau H.H., anlässlich ihrer Einvernahme am erklärt, dass sie die in Rede stehenden Waren im Zuge mehrerer Fahrten (zuletzt 2001) zusammen mit dem Beschwerdeführer zur Bank nach Liechtenstein gebracht habe. Der Beschwerdeführer habe die Sachen dort für sie verwaltet und das Schließfach auch angemietet. Die Münzen habe sie ihm, bevor sie diese in Leinensäckchen eingenäht habe, gezeigt.

Damit sei dem Beschwerdeführer sowohl der Umfang der Münzen als auch bekannt gewesen, um welche Münzen (Silber- und Goldmünzen) es sich gehandelt habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht verletzt erachtet, dass gegen ihn kein Finanzstrafverfahren wegen der Vergehen des Schmuggels und der Verletzung von Verpflichtungen im Bargeldverkehr eingeleitet werde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 230 der Verordnung (EWG) Nr. 2454 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253 vom11. Oktober 1993 (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) kann die Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr für näher angeführte (abgabenfreie) Waren durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 (zB durch Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge, ohne spontan eine Zollanmeldung abzugeben) abgegeben werden.

Ergibt sich bei einer Kontrolle, dass die Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO erfolgt ist, ohne dass die verbrachten Waren die Voraussetzungen des Artikels 230 erfüllen, so gelten gemäß Art. 234 ZK-DVO diese Waren als vorschriftswidrig verbracht.

Gemäß § 35 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes - FinStrG macht sich des Schmuggels schuldig, wer eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich u.a vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht.

Gemäß § 17b Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes - ZollR-DG unterliegen im Rahmen der allgemeinen Maßnahmen der Zollaufsicht der zollamtlichen Überwachung auch Bargeld und diesem gleichgestellte Zahlungsmittel, die in das, durch das oder aus dem Anwendungsgebiet (gemäß § 3 ZollR-DG: das Bundesgebiet mit hier nicht interessierenden Ausnahmen) verbracht werden. Dem Bargeld gleichgestellte Zahlungsmittel sind u.a. Gold und andere Edelmetalle.

Gemäß § 17b Abs. 2 leg. cit. haben Personen auf Verlangen der Zollorgane Auskunft zu geben, ob Bargeld oder gleichgestellte Zahlungsmittel im Wert von 10.000 Euro oder mehr mitgeführt werden. In diesem Fall ist auch über deren Herkunft, den wirtschaftlich Berechtigten und deren Verwendungszweck über Verlangen Auskunft zu geben.

Soweit die Außengrenze der Union mit den Grenzen des Anwendungsgebietes nach § 3 zusammenfällt, haben Reisende gemäß § 17b Abs. 3 ZollR-DG Bargeld und diesem gleichgestellte Zahlungsmittel gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden, mündlich anzumelden, wobei die nach der genannten Verordnung erforderlichen Angaben enthalten sein müssen. Jedoch darf der Anmelder die Informationen auch in schriftlicher Form übermitteln.

Gemäß § 48b FinStrG macht sich der Verletzung von Verpflichtungen im Bargeldverkehr schuldig, wer bei der zollamtlichen Überwachung des Bargeldverkehrs vorsätzlich oder fahrlässig eine Anmeldepflicht verletzt oder sonst unrichtige oder unvollständige Angaben macht.

Gemäß § 82 Abs. 1 und 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Finanzstrafverfahren einzuleiten, wenn sie durch ihr zukommende Verständigungen und Mitteilungen oder aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt und nicht das Gericht für die Ahndung des Finanzvergehens zuständig ist und wenn sie nicht aus hier nicht interessierenden Gründen von der Einleitung abzusehen hat. Gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung der Finanzstrafgesetznovelle 2007, BGBl. I Nr. 44, ist der Verdächtige von der Einleitung des Strafverfahrens unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich zu verständigen und bedarf die Verständigung eines Bescheides, wenn das Strafverfahrens wegen Verdachtes eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, eingeleitet wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht es bei der Prüfung ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinn des § 82 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens (dem unter anderem auch die Beweiswürdigung vorbehalten bleibt) gleichsam vorweg zu nehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen für einen Verdacht ausreichen oder nicht. Ob jemand das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat oder nicht, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 115ff FinStrG vorbehalten. Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Ein Verdacht - der mehr ist als eine bloße Vermutung - besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. jüngst etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/16/0177).

Vor diesem Hintergrund berechtigten die insoweit unbekämpften Feststellungen der belangten Behörde über die im angefochtenen Bescheid geschilderten Vorkommnisse beim Zollamt Feldkirch Wolfurt, Zweigstelle Tisis, und über die Aussagen der Eigentümerin der in Rede stehenden Gegenstände, der H.H., die belangte Behörde zum Verdacht, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand der ihm angelasteten Finanzvergehen erfüllt.

Die überwiegend den Verdacht auf vorsätzliches Handeln bekämpfenden Ausführungen der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe die große Menge von etwa 30 kg Münzen als Münzsammlung betrachtet und nicht als Bargeldmittel angesehen, er sei (geboren 1935) schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr berufstätig und habe von der erst durch das Abgabensicherungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 99, geschaffenen Bestimmung des § 48b FinStrG keine Ahnung gehabt, werden in dem gegen den Beschwerdeführer nach §§ 115ff FinStrG durchzuführenden Untersuchungsverfahren zu behandeln sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am