VwGH vom 25.11.2010, 2010/16/0060

VwGH vom 25.11.2010, 2010/16/0060

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2010/16/0076 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes Graz-Umgebung gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0375-G/08, betreffend Grunderwerbsteuer (mitbeteiligte Partei: Dr. P in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Das Aufwandersatzbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Am schlossen der Mitbeteiligte als Übernehmer einerseits mit seiner Mutter als Erstübergeberin und andererseits mit seiner Schwester als Zweitübergeberin einen "Übergabsvertrag teilweise auf den Todesfall". Dieser lautet auszugsweise:

"IV.

Die Erstübergeberin übergibt ihren Hälfteanteil B-LNR 2 an der vorgenannten Liegenschaft an den Übernehmer, dies jedoch erst mit Wirkung des Ablebens der Erstübergeberin, also als Übergabe auf den Todesfall. Der Übernehmer nimmt diese Eigentumsübertragung mit Vertragswirkung und dem vereinbarten Zeitpunkt rechtsverbindlich an.

V.

Als Gegenleistung für diese Eigentumsübertragung verpflichtet sich der Übernehmer gegenüber den Übergeberinnen zur Zahlung eines weiteren Erbs-/Pflichtteilentschädigungsbetrages in Höhe von ... an die Zweitübergeberin.

Dieser Betrag ist innerhalb eines Monats ab dem Todestag der Erstübergeberin zur Zahlung fällig. Auf eine Verzinsung wird verzichtet. Allerdings ist es Vertragswille, dass dieser Teilbetrag wertzusichern ist, ..."

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Graz-Umgebung als Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber dem Mitbeteiligten Grunderwerbsteuer für den Übergabsvertrag mit der Erstübergeberin mit EUR 1.200,-- fest. Gemäß §§ 1 und 8 GrEStG 1987 - so die Begründung dieses Bescheides - entstehe die Steuerschuld mit Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts, auch wenn die Übereignung der Liegenschaft noch hinausgeschoben sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hielt der Mitbeteiligte dem entgegen, dass gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG 1987 die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs vom Eintritt einer Bedingung abhängig sei, weil sich aus dem zu Grunde liegenden Übergabsvertrag eindeutig ergebe, dass gemäß Punkt IV. des Übergabsvertrages der Hälfteanteil der Erstübergeberin erst mit Wirkung des Ablebens übereignet werde, also mit Wirkung und Eintritt der Bedingung des Ablebens der Erstübergeberin. Auch die Gegenleistung werde erst ab diesem Zeitpunkt, also mit Eintritt der Bedingung, fällig.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde erster Instanz diese Berufung als unbegründet ab. Der Erwerbsvorgang werde nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG bereits durch das Verpflichtungsgeschäft und nicht erst durch ein allenfalls nachfolgendes Erfüllungsgeschäft verwirklicht. Nach dem im § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG festgelegten Grundsatz werde die Grunderwerbsteuerpflicht durch den Abschluss eines Rechtsgeschäfts ausgelöst, welches den Anspruch auf Übereignung begründe. Ein Übereignungsanspruch bestehe dann, wenn der Erwerber seinen Anspruch auf Übereignung ohne weitere rechtsgeschäftliche Abmachung, letzten Endes im Klageweg, also unmittelbar, durchzusetzen vermöge. Auf Grund des § 8 Abs. 1 GrEStG entstehe die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht sei. Die Übereignung der Liegenschaft unter der aufschiebenden Bedingung der Bezahlung der Erbsentfertigung betreffe nicht das Verpflichtungsgeschäft, sondern nur das Verfügungsgeschäft. Die Steuerschuld entstehe aber bereits mit dem Vertragsabschluss. Maßgebend seien für die Grunderwerbsteuer nur Bedingungen, die sich auf das Verpflichtungsgeschäft, nicht aber solche, die sich auf das Verfügungsgeschäft bezögen.

In seinem Schriftsatz vom beantragte der Mitbeteiligte die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den Erstbescheid vom auf. Begründend erwog die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Zitierung aus dem Grunderwerbsteuergesetz 1987 sowie von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, im gegenständlichen Fall werde nicht bestritten, dass ein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand gegeben sei. Es gehe nur um die Frage, ob die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig und damit die Erhebung der Steuer hinausgeschoben sei. Im gegenständlichen Fall werde die Liegenschaft erst zum Zeitpunkt des Todes der Übergeberin übergeben und sei auch der Übernahmspreis, die Zahlung eines wertgesicherten Erbentfertigungsbetrages von EUR 60.000,-- an die Schwester des Mitbeteiligten, nach diesem Zeitpunkt zu erbringen. Auf Grund der ausbedungenen Gegenleistung handle es sich bei dem Rechtsgeschäft um einen entgeltlichen Übergabs- bzw. Kaufvertrag auf den Todesfall, der grundsätzlich der Grunderwerbsteuer unterliege. Der Verkauf auf den Todesfall sei kein Vermächtnis, sondern ein gültiger, zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers nach dem Tode des Verkäufers ausreichender Kaufvertrag. Rechte und Verbindlichkeiten aus Kaufverträgen gingen auf die Erben über. Die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges sei nach dem Inhalt des Vertrages allerdings mit dem Ableben der Übergeberin aufschiebend betagt, weil der Vertrag erst dann Rechtsfolgen auslöse. Weil gemäß § 8 BewG beim Erwerb eines Wirtschaftsgutes, bei dem nur der Zeitpunkt ungewiss sei (der Eintritt sei dem Grunde nach gewiss, nur das genaue Datum sei ungewiss), diese ungewisse Befristung einem aufschiebend bedingten Erwerb gleichzuhalten sei, werde der Vertrag abgabenrechtlich so behandelt, als ob er unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen worden wäre. Im gegenständlichen Fall habe bis zum Eintritt der Bedingung weder die Übergeberin noch der Erwerber eine Leistung zu erbringen und sei nicht nur die Erfüllung des Rechtsgeschäftes, sondern auch der Anspruch auf Übertragung zeitlich hinausgeschoben. Der Abgabenbehörde erster Instanz sei beizustimmen, dass die Grunderwerbsteuer grundsätzlich an den Rechtsvorgang, an das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft anknüpfe und Bedingungen, die sich auf die Bezahlung der Kaufpreisforderung bezögen, das Verfügungsgeschäft beträfen und daher unbeachtlich zu bleiben hätten. Die gegenständliche Bedingung (Ableben der Übergeberin) beziehe sich jedoch nicht auf das Verfügungsgeschäft, sondern schlage auch auf das Verpflichtungsgeschäft durch. Dies ergebe sich aus der "Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/16/0092, der das Erkenntnis vom , 779/76 bestätigt", wonach bei einem als entgeltlich gewerteten Übergabsvertrag auf den Todesfall das Vorliegen der aufschiebenden Bedingung und damit ein Hinausschieben der Entstehung der Steuerschuld sogar dann bejaht worden sei, wenn die ausbedungenen Gegenleistungen bereits ab Vertragsabschluss erbracht worden seien. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Steuerschuld noch nicht entstanden und sei daher über die Berufung wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Amtsbeschwerde der Abgabenbehörde erster Instanz, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Weiters hat der Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der er die Abweisung der Amtsbeschwerde unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Amtsbeschwerde sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, im Kern sei strittig, ob das Ableben der Übergeberin eine Bedingung sei, die sich (auch) auf das Verpflichtungsgeschäft beziehe - oder ob lediglich das Verfügungsgeschäft von einer Bedingung betroffen sei. Dabei gehe es zusätzlich um die Frage, ob eine auf das Erfüllungsgeschäft ausgerichtete Bedingung auf das Verpflichtungsgeschäft durchschlage. Die Abgabenbehörde erster Instanz teile die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, dass nicht nur die aufschiebende Bedingung, sondern auch die Befristung auf ein gewisses Ereignis, von dem nur der Tag des Eintritts ungewiss sei, umfasst sei. Die Mutter des Mitbeteiligten übergebe ihren Liegenschaftsanteil an diesen erst mit Wirkung ihres Ablebens. Die Übergabe stehe nicht unter einer Bedingung. Lediglich die Wirkung der Übergabe sei auf das Ableben der Übergeberin hinausgeschoben. Die Übergabe selbst sei nach Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz als "unbedingte" vereinbart, anders als in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die die belangte Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt habe. Der Übernehmer nehme diese Eigentumsübertragung mit Vertragswirkung und dem vereinbarten Zeitpunkt rechtsverbindlich an. Im gegenständlichen Fall träten die Wirkungen der Übergabe erst mit dem Ableben der Mutter ein. Das Verpflichtungsgeschäft selbst - durch das ein Anspruch des Erwerbers auf die Übereignung begründet worden sei, welcher mangels anderer Vereinbarung auch auf seine Erben übergehe - stehe unter keiner Bedingung, sondern sei unbedingt sogleich mit Vertragsabschluss wirksam. Die belangte Behörde gelange zum Einen zur Ansicht, der Erwerbsvorgang sei bereits mit Vertragsabschluss verwirklicht worden. Mit Hilfe der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom (und ) leite sie andererseits her, die Bedingung "Ableben der Übergeberin" beziehe sich nicht auf das Verfügungsgeschäft, sondern schlage auch auf das Verpflichtungsgeschäft durch. Diese Schlussfolgerung sei verfehlt. Die Aussage des Gerichtshofes habe auf einem entscheidungswesentlich anderen Sachverhalt beruht und habe weder einer Interpretation mittels "Durchschlagen" bedurft noch habe er eine solche Interpretation für sachverhaltsmäßig andere Fälle mit bloß auf das Verfügungsgeschäft ausgerichteter Bedingung als geboten in den Raum gestellt.

Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 - GrEStG, unterliegen ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer.

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.

Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht nach Abs. 2 leg. cit. die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung.

Nach § 1 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG 1955, gelten die Bestimmungen des ersten Teiles dieses Bundesgesetzes (§§ 2 bis 17), soweit sich nicht aus den abgabenrechtlichen Vorschriften oder aus dem zweiten Teil dieses Gesetzes etwas anderes ergibt, für die bundesrechtlich geregelten Abgaben sowie für die bundesrechtlich geregelten Beiträge an sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und an Fonds.

Nach § 4 BewG 1955 werden Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist.

Die §§ 4 bis 7 gelten nach § 8 BewG 1955 auch, wenn der Erwerb des Wirtschaftsgutes oder die Entstehung oder der Wegfall der Last von einem Ereignis abhängt, bei dem nur der Zeitpunkt ungewiss ist.

Die Parteien der beschwerdegegenständlichen Punkte des "Übergabsvertrages teilweise auf den Todesfall" haben die Übergabe des Liegenschaftsanteiles mit Wirkung des Ablebens der Erstübergeberin, "also als Übergabe auf den Todesfall", bedungen. Da das Ableben der Erstübergeberin zufolge der §§ 8 iVm 4 BewG 1955 als ein vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängiger Erwerb zu behandeln ist, entsteht nach § 8 Abs. 2 GrEStG die Steuerschuld erst mit dem Eintritt dieser "Bedingung", d.h. mit dem Ableben der Erstübergeberin.

Somit ging die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht von einem Entstehen der Steuerschuld erst mit dem Ableben der Erstübergeberin aus.

Damit erweist sich die vorliegende Amtsbeschwerde als unbegründet, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Abweisung des Aufwandersatz-Begehrens des Mitbeteiligten folgt daraus, dass gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG einem Rechtsanwalt in eigener Sache Schriftsatzaufwand nicht zuzusprechen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0554).

Wien, am