VwGH vom 21.12.2011, 2008/13/0235
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/2048-W/08, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2007 (mitbeteiligte Partei: K in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Strittig ist im Beschwerdefall die Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages nach § 33 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 im Zusammenhang mit Umschulungsmaßnahmen.
Der Mitbeteiligte beantragte in der Beilage zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2007 den Abzug von Werbungskosten u.a. für einen in einem Schulungszentrum absolvierten Kurs als "Datenbankentwickler" (Umschulungskosten). Die dafür geltend gemachten Kosten beinhalteten Fahrtkosten vom Wohnort zum Ausbildungsort (110 Fahrten zu je 17 km) in Höhe von (nach einem Kilometergeldsatz berechneten) rund 1.400 EUR. Das Finanzamt berücksichtigte diese Werbungskosten im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2007 nicht, weil "Bildungskosten" nur neben einer beruflichen Tätigkeit abziehbar seien.
In der Berufung brachte der Mitbeteiligte vor, die Kosten stellten Umschulungskosten dar und hätten ihm den Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglicht. Die Kurskosten selbst habe das AMS getragen.
Im angefochtenen Bescheid hielt die belangte Behörde fest, dass der Mitbeteiligte die Ausbildung zum Datenbankentwickler in der Zeit vom bis zum mit ausgezeichnetem Erfolg absolviert habe. Im Zeitraum des Kurses sei der Mitbeteiligte in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Dem Mitbeteiligten sei darin Recht zu geben, dass es sich bei dem Kurs um eine Umschulungsmaßnahme im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 gehandelt habe. Die Fahrtkosten könnten jedoch im tatsächlichen Ausmaß nur dann berücksichtigt werden, soweit sie nicht gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 durch den Verkehrsabsetzbetrag bzw. das Pendlerpauschale abgegolten seien. Auch wenn es sich beim Umschulungsort nicht um eine "Arbeitsstätte" im engsten Sinne gehandelt habe, seien die Fahrten dorthin durch den künftigen Beruf veranlasst. Damit stellten sie zwar vorweggenommene Werbungskosten dar, seien aber, "wie bei einem tatsächlich ausgeübten Beruf", durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Finanzamtes. Das Finanzamt folge der Auffassung der belangten Behörde, dass die Ausbildung des Mitbeteiligten zum Datenbankentwickler eine Umschulungsmaßnahme im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 dargestellt habe. Die Beschwerde des Finanzamtes richte sich ausschließlich gegen die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass die Fahrten zum Umschulungsort mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten seien. Mangels eines Dienstverhältnisses liege nämlich keine Arbeitsstätte vor und die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte seien entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht auch keine Fahrten zu einer (vorweggenommenen) Arbeitsstätte im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988. Die Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Umschulung seien daher im tatsächlichen Ausmaß absetzbar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift dem beschwerdeführenden Finanzamt die Berechtigung zur Beschwerdeerhebung abzusprechen scheint, weil dieses durch die von der belangten Behörde vertretene Ansicht zur Abgeltung der Fahrtkosten zum Umschulungsort durch den Verkehrsabsetzbetrag nicht beschwert sein könne, ist darauf hinzuweisen, dass Amtsbeschwerden die Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers nicht voraussetzen (vgl. § 28 Abs. 2 VwGG). Bei einer Amtsbeschwerde handelt es sich vielmehr um ein Instrument zur Sicherung der Einheit und Gesetzlichkeit der Vollziehung, welches losgelöst vom individuellen Parteiinteresse als so genannte objektive Beschwerde wegen jeder unterlaufenen Rechtsverletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes eingesetzt werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 96/14/0034, sowie Ritz , BAO4, § 292 Tz. 4).
Zu den Werbungskosten zählen nach § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der ab der Veranlagung 2003 geltenden Fassung des AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180, u.a. die Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.
Die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 normiert, dass die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Verkehrsabsetzbetrag und die unter den Voraussetzungen der lit. b und c leg. cit. zustehenden Pauschbeträge abgegolten sind.
Nach § 33 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 steht bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis ein Verkehrsabsetzbetrag von 291 EUR jährlich zu.
Ein Dienstverhältnis liegt nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet.
Aus der Zusammenschau dieser Gesetzesbestimmungen ergibt sich, dass der Beschwerde des Finanzamtes Berechtigung zukommt. Da der Verkehrsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 nur Arbeitnehmern aus einem bestehenden Dienstverhältnis (im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988) zusteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 96/13/0012, sowie Doralt/Herzog , EStG14, § 33 Tz. 50), der Mitbeteiligte jedoch unstrittig im Zeitraum der in Rede stehenden Umschulungsmaßnahmen in keinem Dienstverhältnis stand, konnte der Verkehrsabsetzbetrag keine Abgeltungswirkung im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 für die Fahrtkosten entfalten (dies auch unabhängig von der Frage, ob eine Ausbildungsstätte überhaupt einer "Arbeitsstätte" gleichgesetzt werden könnte). Für die demgegenüber von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung bietet das Gesetz keine rechtliche Handhabe.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am