VwGH vom 27.09.2012, 2010/16/0032
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Zollamtes Wien gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 1, vom , GZ. ZRV/0013-Z1W/03, betreffend Eingangsabgaben und Nebengebühren (mitbeteiligte Partei: H J, W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom hat das Hauptzollamt Wien dem Mitbeteiligten vorgeworfen, am an der vorschriftswidrigen Verbringung von Zigaretten als eingangsabgabepflichtige Waren in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft beteiligt gewesen zu sein, wofür eine Eingangsabgabenschuld im Gesamtausmaß von EUR 10.947,19 entstanden sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat das Hauptzollamt Wien mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und "Darüber hinaus" den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin geändert, dass der Mitbeteiligte nicht nur am , sondern auch am an der vorschriftswidrigen Verbringung von weiteren Zigaretten beteiligt gewesen sei, wofür insgesamt eine Eingangsabgabenschuld von EUR 21.413,46 entstanden sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid wie folgt entschieden:
"I. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des sich auf den beziehenden Spruchteiles wegen sachlicher Unzuständigkeit der Berufungsbehörde der ersten Stufe aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen."
Nach der zusammengefassten Begründung habe die Berufungsbehörde der ersten Stufe im Sinne des § 85c Abs. 2 ZollR-DG die Sache des Verfahrens insofern überschritten, als sie auch über den Vorfall vom abgesprochen habe. Dazu sei sie nicht zuständig gewesen (Spruchpunkt I.).
Zu Spruchpunkt II. begründete die belangte Behörde bestätigend die von der erstinstanzlichen Behörde festgesetzten Eingangsabgaben für den durch den Beschwerdeführer am verwirklichten Sachverhalt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verfahrensakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 85b Abs. 2 ZollR-DG haben über Berufungen die Zollbehörden, bei denen die Berufungen einzubringen sind, binnen sechs Monaten nach Einlangen der Berufung mit Berufungsvorentscheidung zu entscheiden.
Gegen Berufungsvorentscheidungen ist als Rechtsbehelf der zweiten Stufe die Beschwerde an den unabhängigen Finanzsenat zulässig (§ 85c Abs. 1 leg. cit.).
Die Berufungsbehörde hat, sofern die Berufung nicht zurückzuweisen ist, in der Sache selbst zu entscheiden. Sie hat sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung den Fall nach eigener Anschauung zu beurteilen und kann eine angefochtene Entscheidung nach jeder Richtung abändern oder aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen. Soweit im ZollR-DG nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Einbringung der Berufung, das Berufungsverfahren und die Berufungsvorentscheidung die diesbezüglichen Bestimmungen der BAO sinngemäß (§ 85b Abs. 3 ZollR-DG).
Nach der Rechtsprechung ist die Abänderungsbefugnis der Berufungsbehörde "nach jeder Richtung" durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs in erster Instanz gebildet hat. Die Berufungsbehörde darf daher ein und dieselbe Abgabe (das ist die im bekämpften Bescheid vorgeschriebene Abgabe) in veränderter Höhe (auch von veränderten Grundlagen und anders beurteilten Sachverhalten ausgehend) festsetzen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/16/0055, mwN). Ganz allgemein ist es der Abgabenbehörde zweiter Instanz versagt, in Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides erstmals ein anderes sachverhaltsmäßiges Verhalten einer Person anzunehmen und es einem anderen Tatbestand zu unterstellen (vgl. die bei Stoll, Kommentar zur BAO, S 2802, wiedergegebene Rechtsprechung).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund durfte das Hauptzollamt als Berufungsbehörde der ersten Stufe nicht erstmals einen im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgekommenen Sachverhalt, nämlich ein - wenn auch gleiches - Zollvergehen an einem anderen Tag - ihrer Entscheidung zu Grunde legen. Insofern hat das beschwerdeführende Zollamt seine Berufungsvorentscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was die belangte Behörde zurecht aufgegriffen hat.
Die Beschwerde ist dennoch begründet, weil die belangte Behörde wegen der von ihr vorgenommenen Aufhebung im Hinblick auf den Sachverhalt vom verhalten gewesen wäre, die Höhe der Eingangsabgaben neu festzusetzen. Die belangte Behörde hat nämlich insoweit in Wahrheit die Berufungsvorentscheidung abgeändert, was ihrem Bescheid den Charakter eines Abgabenbescheides verleiht. In einem solchen Fall muss auch eine Berufungsentscheidung alle Merkmale eines Abgabenbescheides tragen und es muss insbesondere ersichtlich sein, in welcher Höhe die Eingangsabgaben nunmehr geschuldet werden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/16/0031).
Da dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen ist, wie hoch die vom Mitbeteiligten geschuldeten Eingangsabgaben nunmehr sind, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am