VwGH vom 27.03.2018, Ra 2018/16/0011
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision des GS in D, vertreten durch Mag. Christian Pachinger, Rechtsanwalt in 4701 Bad Schallerbach, Grieskirchner Straße 10/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-450247/8/MB/MA, betreffend Kanalbenützungs- und Abfallgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Gemeinderat der Gemeinde Desselbrunn, vertreten durch Mag. Dr. Gerald Priller, Rechtsanwalt in 5142 Eggelsberg, Salzburger Straße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es über Kanalbenützungsgebühren abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Gemeinde Desselbrunn hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid vom hatte der Gemeinderat der Gemeinde Desselbrunn gegenüber dem Revisionswerber für den Zeitraum vom bis Kanalbenützungsgebühren und für den Zeitraum vom bis Abgaben für Restmüll-Abfuhr sowie Müll-Grundgebühr festgesetzt, wogegen der Revisionswerber Beschwerde erhob: Die der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Abwassermengen seien völlig falsch berechnet worden, weil er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Abwässer seines Schwimmbades ausschließlich in eine hauseigene Zisterne auf seiner Liegenschaft und nicht in den Kanal geleitet habe. Der dem Abgabenbescheid zugrundeliegende Verbrauch einer 60 l Abfalltonne sei bei weitem überhöht und unrichtig, weil er keine solche Tonne in diesem Ausmaß benötige und benütze. Er produziere keinen Abfall, der Sperrmüll, Altholz, Eisen und Blech zuzuordnen sei, weshalb die Müll-Grundgebühr nicht zu Recht bestehe.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision unzulässig sei. Nach Darstellung des Verfahrensganges traf das Gericht vorerst folgende Sachverhaltsfeststellungen:
"Der (Revisionswerber) ist Eigentümer der Liegenschaft (...) Desselbrunn mit dem darauf befindlichen Wohnhaus mit der Adresse (...), welches an die genossenschaftliche Wasserversorgungsanlage des Ortes angeschlossen ist. Der Wasserverbrauch wird mittels geeignetem Wasserzähler ermittelt. Auf dem Grundstück befindet sich ein Schwimmbad mit einem Füllvolumen von 55 m3 welches mit dem Wasser aus der genossenschaftlichen Wasserversorgungsanlage befüllt wird. Das Schwimmbad ist nicht mit der örtlichen Kanalisationsanlage verbunden. Die Abwässer des Schwimmbades werden vom (Revisionswerber) mit einer Schmutzwasserpumpe in eine am Grundstück des (Revisionswerbers) befindliche Zisterne gepumpt und nicht in den Kanal eingeleitet. Anschließend werden sie für die Bewässerung des Gartens bzw. von Pflanzen verwendet.
Für den gegenständlichen Festsetzungszeitraum existiert keine durch Verordnung festgelegte Regelung wodurch sich die Kanalbenützungsgebühr aufgrund der Verwendung eines bestimmten Reinigungsmittels für das Schwimmbad mindern würde.
Der (Revisionswerber) bewohnt die gegenständliche Liegenschaft, welche an die Abfallabfuhr angeschlossen ist. Er produziert ein nur geringes Restmüllaufkommen. Die von der Gemeinde Desselbrunn vorgeschriebene Mülltonne mit einem Fassungsvolumen von 60 Litern benutzt er nicht im gesamten Ausmaß."
3 Nach weiterer Zitierung aus dem Oö. Abfallwirtschaftsgesetz 2009 sowie aus der Abfallgebührenordnung des Gemeinderates der Gemeinde Desselbrunn vom sowie aus der Kanalgebührenordnung des Gemeinderates der Gemeinde Desselbrunn vom schloss das Gericht in rechtlicher Hinsicht:
"Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hegt aufgrund der bisherigen Rechtsprechung der Höchstgerichte (; ) allerdings keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Verordnung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 97/17/0452, ausgeführt, dass keine Bedenken gegen eine Regelung der Bemessung der laufenden Kanalbenützungsgebühren nach den Kubikmetern des tatsächlichen Wasserverbrauches bestehen, da bekanntlich nicht jedes ge- oder verbrauchte Wasser in Privathaushalten in den Kanal abgeleitet wird. Als einer dieser üblichen Verwendungszwecke des Wassers, die zur nicht Inanspruchnahme der Abwasseranlage führt, wurde das Gießen des Rasens im Hausgarten genannt. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber sei daher in Kenntnis der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten des Wassers auch nicht davon ausgegangen, dass der gesamte tatsächliche Wasserverbrauch die Abwasseranlage beansprucht, sondern davon, dass in Privathaushalten ein bestimmter Wasserverbrauch - langfristig - eine in ungefähr gleichbleibendem Verhältnis stehende Inanspruchnahme der Abwasseranlage bedinge. Wenn die laufende Kanalbenützungsgebühr in typisierender Betrachtung in Privathaushalten an den tatsächlichen Wasserverbrauch geknüpft ist, sodass nicht stets auch die konkrete Abwassermenge gemessen werden müsse, dann erscheine eine solche Regelung sachlich gerechtfertigt.
Das Gleichheitsprinzip lässt es daher zu, bei Benutzungsgebühren pauschalierende Regelungen zu treffen, sofern sie den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen und im Interesse der Verwaltungsökonomie liegen (vgl. ). Es gilt in diesem Bereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen der speziellen Leistung der Gebietskörperschaft und der Gegenleistung (der Benutzungsgebühr). Die Gebühr darf demnach ein angemessenes Verhältnis zur Leistung nicht übersteigen (vgl. VfSlg. 5023/1965 und 5028/1965). Eine Unverhältnismäßigkeit wurde vom Verwaltungsgerichtshof bisher nur in Extremfälle bejaht, wenn eine verhältnismäßig große Menge an bezogenem Wasser nicht in den Kanal eingeleitet wurde (vgl. Zl. 98/17/0229, zu einem Getreidevermahlungsbetrieb, der pro Jahr über 2.000 m3 bezogenes Wasser nicht in den Kanal einleitete; ZI. 97/17/002 zu einem Wasserrohrbruch).
Gegenständlich liegt jedoch kein Ausnahmefall vor, der einer pauschalierenden Betrachtungsweise entgegenstehen würde, weshalb die Kanalgebührenordnung von der belangten Behörde rechtmäßig angewendet wurde.
Wenn der (Revisionswerber) vorbringt, bei der Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr sei eine Ermäßigung für die Verwendung eines bestimmten Reinigungsmittels zu berücksichtigen gewesen, ist dem entgegen zu halten, dass eine solche Ermäßigung nicht in der Kanalgebührenordnung geregelt ist.
Die Gewährung einer solchen Ermäßigung kann daher nur rein privatrechtlicher Natur sein (vgl. ). Eine privatrechtliche Vereinbarung kann auf den Bestand der Gebührenentstehung jedoch keinen Einfluss nehmen, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld - etwa auch über einen gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung - grundsätzlich ohne abgabenrechtliche Bedeutung sind (vgl. zB ; , 2007/15/0282).
Eine Aufrechnung der in der Beschwerde vorgebrachten - nach Ansicht des (Revisionswerbers) zu viel bezahlten - Beträge an Kanalbenützungsgebühr mit der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Abgabenschuld ist daher nicht möglich. Zudem ist das erkennende Gericht nicht befugt, über weitere, den Festsetzungszeitraum des angefochtenen Bescheids übersteigende Zeiträume zu erkennen (vgl. ; , 2012/15/0161).
III. 2. 2. Der (Revisionswerber) bewohnt die Liegenschaft Desselbrunn (...) und produziert - wenn auch in geringem Ausmaß - Hausmüll.
Gemäß § 5 Abs 2 Oö. Abfallwirtschaftsgesetz 2009 hat die Sammlung der Hausabfälle im Abholbereich durch die Gemeinde in regelmäßigen, vier Wochen nicht übersteigenden Abständen durch Abholung zu erfolgen. Der Abholbereich umfasst das gesamte Gemeindegebiet, soweit nicht in der Abfallordnung Ausnahmen festgelegt sind.
Die Gemeinde Desselbrunn ist gemäß § 18 Oö. Abfallwirtschaftsgesetz 2009 nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, von den Eigentümern jener Liegenschaften, auf denen Siedlungsabfälle anfallen und die im Gemeindegebiet liegen, eine Abfallgebühr einzuheben. Die Gemeinde Desselbrunn hat dementsprechend eine Abfallgebührenordnung erlassen. Ein Sonderbereich gemäß § 6 Abs 2 Oö. Abfallwirtschaftsgesetz 2009 wird nicht festgelegt.
Gemäß § 6Abs l Z 9 Oö. Abfallwirtschaftsgesetz 2009 kann die Gemeinde mit Verordnung Vorschriften über Abfallbehälter (§ 7), insbesondere Regelungen über Anzahl, Art, Größe und Beschaffung der zu verwendenden Abfallbehälter je nach Abfallart, Anzahl der die Abfallbehälter benutzenden Personen und Länge der Abfuhrintervalle treffen. In diesem Sinne wurden von der Gemeinde Desselbrunn Mülltonnen in drei verschiedenen Größen zur Auswahl gestellt/ wobei die kleinste ein Volumen von 60 Liter beinhaltet.
Die Abfallgebührenordnung der Gemeinde Desselbrunn wurde bei der Erfassung des angefochtenen Bescheids von der belangten Behörde daher rechtmäßig angewendet.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit dieser Verordnung erkennen lassen würden, weshalb das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sich nicht veranlasst sieht, ein Verordnungsprüfungsverfahren anzuregen."
4 Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Gericht damit, dass es zur Frage der pauschalierenden Betrachtungsweise bei der Festlegung von Kanalbenützungsgebühren durch Verordnung der Gemeinde eine als einheitlich zu beurteilende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe, von der in diesem Erkenntnis nicht abgewichen werde.
5 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision begründet ihre Zulässigkeit darin, die vom Verwaltungsgericht herangezogene Judikatur könne auf den Revisionsfall nicht angewendet werden. Der Revisionswerber leite sämtliche Abwässer seines Schwimmbades in eine hauseigene Zisterne ab. Durch das angefochtene Erkenntnis werde eine klare gesetzliche Vorgabe missachtet.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen der Gemeinderat der Gemeinde Desselbrunn eine Revisionsbeantwortung erstattete, in der er die Zurückweisung der Revision als unzulässig, in eventu deren Abweisung als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Auch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde zieht die Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses nicht in Zweifel, wonach das Schwimmbad des Revisionswerbers nicht mit der örtlichen Kanalisationsanlage verbunden sei und die Abwässer des Schwimmbades in eine am Grundstück des Revisionswerbers befindliche Zisterne gepumpt und nicht in den Kanal eingeleitet würden.
8 § 4 der Kanalgebührenordnung des Gemeinderates der Gemeinde Desselbrunn vom lautet, soweit von Belang:
"§ 4 Kanalbenützungsgebühr
(1) Für die Benützung der gemeindeeigenen öffentlichen Kanalisationsanlagen haben die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr beträgt für Grundstücke, die an die jeweils genossenschaftliche Wasserversorgungsanlage des Ortes angeschlossen sind, EUR ** zuzüglich der gesetzlichen MWSt. je m3 verbrauchten Wassers, wobei eine jährliche Mindestgebühr in der Höhe der für 30 m3 Wasserverbrauch zu entrichtenden Gebühr festgesetzt wird.
Die Mengenfeststellung des, aus der genossenschaftlichen Wasserversorgungsanlage entnommen Wassers, wird durch eine geeignete Messvorrichtung (Wasserzähler) vorgenommen. Für die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr werden die Aufzeichnungen der jeweiligen Wassergenossenschaft herangezogen.
...
(7) Für die Einleitung von Schwimmbadwässern ist eine Gebühr nach Abs. 2 zu entrichten. Die Einleitungsmenge ist auf max. 3 l/s zu begrenzen. Während stärkerer Regenfälle soll wegen der hydraulischen Belastung nicht eingeleitet werden."
9 § 4 Abs. 7 erster Satz der Kanalgebührenordnung 2010 ordnet an, dass für die Einleitung von Schwimmbadwässern eine Gebühr nach Abs. 2 zu entrichten ist. Darin ist eine konditionale Anordnung zu erblicken, dass eine Gebühr nach Abs. 2 zu entrichten ist, wenn Schwimmbadwässer in den Kanal eingeleitet werden; daraus ist zu schließen, dass eine solche Gebühr nicht zu entrichten ist, wenn Schwimmbadwässer nicht in den Kanal eingeleitet werden.
10 Das Verwaltungsgericht geht selbst davon aus, dass die Abwässer des Schwimmbades nicht in den Kanal eingeleitet werden und beziffert das Füllvolumen des Schwimmbades mit 55m3; das Gericht unterlässt allerdings - ausgehend von seiner Rechtsansicht - Feststellungen, in welchem Umfang während des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes aus der genossenschaftlichen Wasserversorgungsanlage entnommene Wassermengen in das Schwimmbad und damit nicht in den Kanal eingeleitet wurden.
11 Indem das Verwaltungsgericht die Bestimmung des § 4 Abs. 7 der Kanalgebührenordnung 2010 außer Acht ließ, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieses schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben ist, soweit die Kanalbenützungsgebühr betroffen ist.
12 Soweit die Revision im Rahmen ihrer Gründe abschließend nur kursorisch, zudem dem Neuerungsverbot widerstreitend behauptet, dass keine Leistungen der Gemeinde betreffend Müllentsorgung in Anspruch genommen würden, vermag sie allein damit, ohne näher auf das Oö. Abfallwirtschaftsgesetz 2009 sowie auf die Abfallgebührenordnung des Gemeinderates der Gemeinde Desselbrunn einzugehen, die nicht auf eine tatsachliche "Inanspruchnahme" durch den Eigentümer des Grundstückes abstellen, (vgl. das Erkenntnis vom , 2007/17/0081, zur Unterscheidung zwischen einer Gebühr für die Möglichkeit der Benützung und einer solchen nach Maßgabe der tatsächlichen Inanspruchnahme), keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen.
Die Revision ist daher, soweit sie über Abgaben für Restmüllabfuhr und Müll-Grundgebühr abspricht, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.
13 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte hiebei nach § 39 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGG Abstand genommen werden.
14 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, woraus sich wiederum die Abweisung des Mehrbegehrens an Umsatzsteuer ergibt.
15 Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160011.L00 |
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