VwGH vom 30.01.2014, 2013/03/0129
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien 1. p GmbH, 2. M V, beide in Wien und vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl UVS-06/50/5077/2013, UVS- 06/V/50/5286/2013, betreffend Übertretung des Telekommunikationsgesetzes 2003 (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde über den Zweitbeschwerdeführer wegen Übertretung des § 109 Abs 4 Z 8 iVm § 107 Abs 1 Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 11.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt und die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 9 Abs 7 VStG zur Haftung für die verhängte Strafe zur ungeteilten Hand verpflichtet.
Dem Zweitbeschwerdeführer wurde im Wesentlichen zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit außenvertretungsbefugtes Organ der Erstbeschwerdeführerin dafür einzustehen, dass von einem näher umschriebenen Anschluss dieses Unternehmens am , 15.29 Uhr, ein Anruf zu Werbezwecken zum Anschluss einer namentlich genannten Teilnehmerin getätigt wurde, bei dem die "Telefonieprodukte/Tarife" der Erstbeschwerdeführerin beworben worden seien, ohne dass die angerufene Teilnehmerin noch sonst eine Person, die mit deren Zustimmung den angerufenen Anschluss nutze, vorher eine Einwilligung zum Erhalt von Werbeanrufen der Erstbeschwerdeführerin erteilt habe.
Begründend führte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien im Wesentlichen aus, es sei unstrittig, dass der verfahrensgegenständliche Anruf getätigt worden sei und Werbezwecke verfolgt habe. Die beschwerdeführenden Parteien rechtfertigten diesen Anruf damit, dass zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Inhaberin des Anschlusses (Zeugin B) eine vertragliche Beziehung bestanden und es sich um keinen Werbeanruf, sondern um die Beratung über Vertragsdetails und eventuell angebotene Alternativen gehandelt habe. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien sehe es jedoch als erwiesen an, dass für den strittigen Anruf keine Einwilligung vorhanden gewesen sei. Zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Inhaberin des Anschlusses habe kein aufrechtes Vertragsverhältnis (mehr) bestanden, weil die Inhaberin des Anschlusses bereits am telefonisch und am schriftlich mit eingeschriebenem Brief an die Erstbeschwerdeführerin bekanntgegeben habe, aus einem zuvor allenfalls geschlossenen Vertrag mit sofortiger Wirkung zurückzutreten. An der Gültigkeit dieses Vertragsrücktritts (durch eingeschriebenen Brief) sei nicht zu zweifeln, ergebe sich dies doch aus der dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgelegten unzweifelhaften Einschreibebestätigung beim zuständigen Postamt sowie den beiden Schreiben des Vereins für Konsumenteninformation vom und . All dem habe der Vertreter der beschwerdeführenden Parteien nur entgegengesetzt, dass nach seinen Informationen der Vertragsrücktritt der Erstbeschwerdeführerin nicht zugegangen sei. Dies erweise sich nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien jedoch als reine Schutzbehauptung, da es mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht vereinbar sei, dass drei korrekt adressierte Briefe, einer davon eingeschrieben, die Vertragspartnerin nicht erreicht haben sollen. Überdies sei in einem früheren Verwaltungsstrafverfahren die Berufung gegen das Straferkenntnis vom , mit dem bereits ein Anruf am als ohne Einwilligung erfolgt bestraft worden sei, zurückgezogen worden, was den Schluss nahelege, dass es auch bereits für diesen ersten Anruf keine Einwilligung gegeben habe. Darüber hinaus habe die Zeugin B vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien am nachvollziehbar ausgesagt, dass sie sicher keine Einwilligung zu weiteren Werbeanrufen erteilt habe. Auch der Hinweis des Vertreters der beschwerdeführenden Parteien, dass die "Berufungswerberin" (richtig: die Zeugin B) fünf Anrufe "über die Erstbeschwerdeführerin" getätigt habe, sei kein Argument dafür, dass die Zeugin B mit weiteren Anrufen (bei ihr) einverstanden gewesen sei, habe sich in der Verhandlung vor der Behörde doch ergeben, dass die Zeugin nicht habe wissen können, dass sie ihre Anrufe über die Erstbeschwerdeführerin getätigt habe, sondern dass vielmehr die Erstbeschwerdeführerin ohne Ankündigung eine "Preselection" bei dem Festnetzanschluss der Zeugin B vorgenommen habe.
Der Zweitbeschwerdeführer habe daher die ihm angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver und - wie näher begründet wurde - auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht und zu vertreten.
Zur Strafbemessung verwies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien darauf, dass die gegenständliche Verwaltungsübertretung das durch gesetzliche Vorschriften geschützte öffentliche Rechtsgut am Schutz der Empfänger vor unerwünschten Werbeanrufen in nicht unerheblichem Maße schädige, sodass der objektive Unrechtsgehalt der Tat - selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen - nicht als gering angesehen werden könne. Dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, sei weder hervorgekommen noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen, und es könne daher das Verschulden des Zweitbeschwerdeführers nicht als geringfügig angesehen werden. Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit komme dem Zweitbeschwerdeführer nicht mehr zu Gute, vielmehr sei von einer Vielzahl von einschlägigen Vorstrafen auszugehen (Hinweis auf das Vorbringen der Fernmeldebehörde, wonach 80 rechtskräftige Vorstrafen vorlägen). Angaben hinsichtlich seines Einkommens und allfälliger Sorgepflichten habe der Zweitbeschwerdeführer nicht erstattet. Er habe lediglich vorgebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin eine große Summe an Verbindlichkeiten aufzuweisen habe. Im Hinblick auf diese Strafzumessungsgründe komme eine Reduzierung der Strafe nicht in Betracht, bewege sie sich doch noch immer im unteren Bereich des bis EUR 58.000,-- reichenden Strafsatzes. In diesem Zusammenhang seien spezialpräventive Gründe zu berücksichtigen, solle doch die Strafe dazu dienen, den Zweitbeschwerdeführer in Zukunft von der Begehung weiterer derartiger Delikte abzuhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien legte die Verwaltungsakten unter gleichzeitigem Verzicht auf eine Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 79 Abs 1 VwGG sind - soweit wie im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013, nichts anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Letztere gelangen daher auch im vorliegenden Fall zur Anwendung.
2. Im gegenständlichen Fall wurde der Zweitbeschwerdeführer einer Übertretung des § 109 Abs 4 Z 8 Telekommunikationsgesetz 2003, BGBl I Nr 70/2003 idF BGBl I Nr 23/2011 (TKG 2003) schuldig erkannt. Danach begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu EUR 58.000,-- zu bestrafen, wer entgegen § 107 Abs 1 TKG 2003 Anrufe zu Werbezwecken tätigt. Nach § 107 Abs 1 TKG 2003 sind Anrufe zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig. Eine erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden.
3. Wie schon im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien macht die Beschwerde geltend, beim gegenständlichen Anruf am Anschluss der Zeugin B habe es sich um keinen Werbeanruf, sondern um einen Anruf bei einem bestehenden Kunden zwecks Information über neue Angebote gehandelt.
Dieses Vorbringen steht im Widerspruch zu den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach der Anruf ohne Einwilligung der Inhaberin des Anschlusses erfolgt ist und Werbezwecken gedient hat.
Soweit sich die Beschwerde gegen die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Beweiswürdigung dahingehend eingeschränkt ist, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig (mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut in Einklang stehend) sind. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es hingegen verwehrt, die Beweiswürdigung darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (vgl etwa ).
Ausgehend davon gelingt es der Beschwerde nicht, Bedenken an der behördlichen Beweiswürdigung zu erwecken. Dem Beschwerdevorbringen, der Unabhängige Verwaltungssenat Wien habe sich nicht ausreichend mit einer von den beschwerdeführenden Parteien vorgelegten Rechnung vom auseinandergesetzt (aus der sich mehrere, über die Erstbeschwerdeführerin abgewickelte Anrufe der Zeugin B im Zeitraum bis ergäben), ist zu erwidern, dass in der (oben wiedergegebenen) Begründung des angefochtenen Bescheides auch ausdrücklich auf die angesprochenen Anrufe der Zeugin B Bezug genommen worden ist und sich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien - in schlüssiger Weise - auch mit diesem Beweismittel beschäftigt hat. Ein vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmender Verfahrensmangel liegt daher insoweit nicht vor. Auch sonst zeigt die Beschwerde nicht auf, aus welchen Gründen die beweiswürdigenden Überlegungen im angefochtenen Bescheid unschlüssig sein sollen.
4. Gegen die Strafbemessung wendet die Beschwerde ein, die beschwerdeführenden Parteien hätten in der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien darauf hingewiesen, dass es ihnen unmöglich sei, eine so hohe Strafe zu bezahlen. Sie hätten zum Beweis ihrer finanziell schlechten Lage eine Bilanz vorgelegt, aus welcher ein Verlust von über EUR 800.000,-- ersichtlich sei. Es sei auch auf die Gehaltsverzichtserklärung des Zweitbeschwerdeführers verwiesen worden. Diese Tatsachen seien im bekämpften Bescheid nicht berücksichtigt worden. Es sei auch nicht begründet worden, inwiefern sich diese Tatsache auf die Entscheidung ausgewirkt habe. Obwohl aufgrund der "schwierigen finanziell schlechten Lage" der beschwerdeführenden Parteien eindeutig ein Milderungsgrund vorliege, sei dieser in keiner Weise berücksichtigt worden. Wäre dieser in den Bescheid miteingeflossen, hätte dies Auswirkungen zumindest auf die Höhe der Strafe haben müssen.
Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach § 19 Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind daher nur ausnahmsweise, wie etwa im Falle des Vorliegens des Milderungsgrundes der drückenden Notlage im Sinne des § 34 Z 10 StGB, als mildernd zu berücksichtigen. Im Übrigen haben sie im Zusammenhang mit der Wertung der Milderungs- und Erschwerungsgründe außer Betracht zu bleiben (vgl etwa ). Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten sind jedoch bei der Bemessung von Geldstrafen im Sinne des § 19 Abs 2 letzter Satz VStG zu berücksichtigen. Dazu wurde in der hg Rechtsprechung bereits erkannt, dass die Verhängung einer Geldstrafe auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Bestrafte kein Einkommen bezieht (vgl , mwN), und selbst das Vorliegen ungünstiger Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bedeutet, dass Anspruch auf Verhängung der Mindeststrafe besteht (vgl , mwN).
Ausgehend davon ist die Höhe der verhängten Geldstrafe fallbezogen nicht zu beanstanden. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat sich in seiner Strafzumessung auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung auch mit den behaupteten schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnissen ausreichend auseinandergesetzt und die Strafe, insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, im unteren Viertel des möglichen Strafrahmens festgelegt. Dem Zweitbeschwerdeführer (als Beschuldigtem) ist es umgekehrt nicht gelungen darzulegen, dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse insgesamt eine Herabsetzung der Strafe rechtfertigen könnten. Insbesondere reicht dazu der bloße Hinweis auf eine Gehaltsverzichtserklärung gegenüber der Erstbeschwerdeführerin nicht aus. Auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungsbeteiligten kommt es - entgegen dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien - hingegen nicht an.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf § 79 Abs 11 letzter Satz VwGG und § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am