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VwGH vom 19.12.2013, 2010/16/0017

VwGH vom 19.12.2013, 2010/16/0017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes Graz-Umgebung in 8018 Graz, Adolf-Kolping-Gasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0847-G/07, betreffend Rechtsgebühren (mitbeteiligte Partei: R GmbH in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Anteile zu 80 % von Rupert R (dem Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei) und zu 20 % von Regina L gehalten werden. Rupert R fungiert auch als Geschäftsführer der RH GmbH, deren Alleingesellschafter er ist.

Im Zuge einer Betriebsprüfung bei der mitbeteiligten Partei wurde dem Prüfer ein Schriftstück folgenden Inhalts übergeben:

"BESTÄTIGUNG über die Zuzählung eines Darlehens

Die ( RH GmbH ) mit Sitz in K, vertreten durch ihren Geschäftsführer Herrn ( Rupert R ), bestätigt von der ( mitbeteiligten Partei ), K, zur Anschaffung von Realitäten einen Betrag von EUR 563.364,17

(in Worten: …)

erhalten zu haben.

Die ( RH GmbH ) nimmt zur Kenntnis, daß die Rückzahlung bis gestundet wird. Ab erfolgt eine vierteljährliche Rückzahlung jeweils zum …. Eine Verrechnung mit den monatlichen Mieten, welche die ( RH GmbH ) von der ( mitbeteiligten Partei ) zu erhalten hat, ist jedoch möglich. Das Darlehen ist mit befristet, ...

Für den zur Verfügung gestellten Betrag werden Zinsen in Höhe von 5 % p. a. verrechnet, ….

Zur Sicherung der Ansprüche der ( mitbeteiligten Partei ) erklärt Herr ( Rupert R ) persönlich die Haftung zu übernehmen. Dieser ist jedoch jederzeit berechtigt, die persönliche Haftung durch eine eintragungsfähige Urkunde, welche ein Pfandrecht auf einer der im Eigentum der ( RH GmbH ) stehenden Liegenschaft begründet, zu ersetzen.

K, am


Tabelle in neuem Fenster öffnen
(Rupert R) Unterschrift
Unterschrift (RH GmbH)"

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt der mitbeteiligten Partei die Rechtsgebühr für die "Bestätigung über die Zuzählung eines Darlehens vom " gemäß § 33 TP 8 Abs. 1 Gebührengesetz (GebG) fest.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die mitbeteiligte Partei vor, im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung bei der RH GmbH sei das Schriftstück dem Prüforgan zur Einsichtnahme vorgelegt worden. Über Ersuchen des Prüfers sei von dem Schriftsatz eine Ablichtung angefertigt worden, die in der Folge "zum Prüfungsordner" genommen worden sei. Bei dem gegenständlichen Schriftstück handle es sich nicht um eine von beiden Vertragspartnern gefertigte bzw. dem Vertragspartner ausgehändigte Urkunde, weshalb die Festsetzung der Gebühr rechtswidrig erfolgt sei.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte die mitbeteiligte Partei einen Vorlageantrag, in dem sie ergänzend vorbrachte, das gegenständliche Schriftstück weise die firmenmäßige Zeichnung der RH GmbH durch ihren allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführer Rupert R auf. Darüber hinaus trage dieses Schreiben die Unterschrift von Rupert R, der jedoch nicht in der Funktion des Geschäftsführers der mitbeteiligten Partei unterschrieben habe, sondern mit seiner Unterschrift lediglich den Inhalt dieses Schriftstückes als alleiniger Gesellschafter der RH GmbH bestätigt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den erstinstanzlichen Bescheid (ersatzlos) auf. Begründend führte sie nach Darstellung der Rechtslage im Wesentlichen aus, im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung sei in den Büchern der mitbeteiligten Partei ein Darlehen an die RH GmbH festgestellt worden. Nachdem sich in den Unterlagen der mitbeteiligten Partei kein diesbezügliches Schriftstück befunden habe, sei dieses angefordert und schließlich von Rupert R dem Prüfungsorgan ausgehändigt worden.

Eine Gebührenpflicht nach § 16 Abs. 1 Z 2 lit. a GebG könne nicht entstanden sein, weil die Bestätigung nicht bei der mitbeteiligten Partei aufgefunden worden sei und somit offensichtlich eine Aushändigung an den Berechtigten nicht stattgefunden habe.

Eine Gebührenschuld sei auch nicht nach § 16 Abs. 1 Z 2 lit. b GebG entstanden, weil ein Nachweis, dass die Unterschrift von Rupert R als Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei geleistet worden sei, nicht erbracht werden könne. Da nach dem Schlussabsatz der Bestätigung Rupert R eine persönliche Haftung übernommen habe, erscheine es auch möglich, dass die Unterschrift als persönlich Haftender geleistet worden sei.

Da die Bestätigung über den Darlehensvertrag weder vom Berechtigten unterschrieben noch an diesen ausgehändigt worden sei, sei eine Gebührenschuld nicht entstanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 292 BAO gestützte Amtsbeschwerde des Finanzamtes Graz-Umgebung verbunden mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 1 Gebührengesetz 1957 (GebG) unterliegen den Gebühren im Sinne dieses Bundesgesetzes u.a. Rechtsgeschäfte nach Maßgabe der Bestimmungen im III. Abschnitte.

Rechtsgeschäfte sind nach § 15 Abs. 1 GebG nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, dass in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.

Die Gebührenschuld entsteht bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet und die Urkunde nur von dem unterzeichnet wird, der sich verbindet, im Zeitpunkte der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den Berechtigten oder dessen Vertreter (§ 16 Abs. 1 Z 2 lit. a GebG). Wird bei einem solchen Rechtsgeschäft die im Inland errichtete Urkunde auch von dem Berechtigten unterzeichnet, entsteht nach § 16 Abs. 1 Z 2 lit. b GebG die Gebührenschuld im Zeitpunkte der Unterzeichnung.

Für die Festsetzung der Gebühren ist gem. § 17 Abs. 1 erster Satz GebG der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend.

Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird gem. § 17 Abs. 2 GebG bis zum Gegenbeweise der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

Nach § 33 TP 8 GebG (idF vor seiner Aufhebung durch Art. 64 Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010) beträgt der Tarif für Darlehensverträge 0,8 % der dargeliehenen Sache.

Nach § 37 Abs. 28 GebG trat u.a. § 33 TP 8 mit Ablauf des außer Kraft und ist letztmalig auf Sachverhalte anzuwenden, für die die Gebührenschuld vor dem entsteht.

Nach § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Zu Willenserklärungen, insbesondere zur Zeichnung der Geschäftsführer für die Gesellschaft bedarf es gem. § 18 Abs. 2 GmbHG der Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer, wenn im Gesellschaftsvertrage nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Zeichnung geschieht in der Weise, dass die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift hinzufügen. Die Abgabe einer Erklärung und die Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft geschieht gem. § 18 Abs. 4 GmbHG mit rechtlicher Wirkung an jede Person, die zu zeichnen oder mitzuzeichnen befugt ist.

Die Gesellschaft wird gem. § 19 GmbHG durch die von den Geschäftsführern in ihrem Namen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden ist oder ob die Umstände ergeben, dass es nach dem Willen der Beteiligten für die Gesellschaft geschlossen werden sollte.

Gem. § 983 ABGB in der bis zum anzuwendenden Fassung (vor dem Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz - DaKRÄG, BGBl. I Nr. 28/2010) entstand ein Darlehensvertrag dadurch, dass jemandem eine bestimmte Menge vertretbarer Sachen mit der Verpflichtung übergeben wird, nach einer gewissen Zeit ebenso viel von derselben Art und Güte zurückzugeben. Er kam als Realkontrakt erst mit der Übergabe der Darlehensvaluta in der Weise, dass der Darlehensnehmer darüber willkürlich verfügen kann, zustande. Mit Art. I Z 1 des am in Kraft getretenen Darlehens- und Kreditrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 28/2010, wurde das Darlehen als Konsensualvertrag gestaltet (vgl. Fellner , Gebühren und Verkehrsteuern, Bd. 1, Tz 3 zu § 33 TP 8 GebG).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die erstinstanzliche Gebührenvorschreibung mit der Begründung aufgehoben, dass der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Z 2 GebG nicht erfüllt worden sei. Die Bestätigung der RH GmbH vom sei nämlich weder für die mitbeteiligte Partei unterfertigt noch dieser ausgehändigt worden.

Dagegen wendet sich die Amtsbeschwerde zunächst mit dem Vorbringen, die Unterschrift des Rupert R sei zwar ohne Beifügung der Firma erfolgt, sie sei aber dennoch der mitbeteiligten Partei (als Berechtigter) zuzurechnen.

Im Beschwerdefall liegt unstrittig ein einseitig verbindliches Rechtsgeschäft in Form eines Darlehensvertrages vor, über das von der darlehensnehmenden Gesellschaft eine Urkunde errichtet wurde. Diese wurde von ihrem Geschäftsführer firmenmäßig gezeichnet. Die weitere Unterschrift ihres Geschäftsführers trägt keinen Zusatz. Der Zusammenhalt mit dem Inhalt des Schriftstücks ergibt aber zweifelsfrei, dass sich diese Unterschrift ausschließlich auf die in dieser Urkunde ebenfalls enthaltene persönliche Haftungserklärung des Geschäftsführers bezieht.

Es ist dem beschwerdeführenden Finanzamt zwar zuzugestehen, dass es sich bei § 18 Abs. 2 GmbHG, wonach bei Aktivvertretungen in Schriftform die Geschäftsführer der Firma ihre Unterschrift hinzuzufügen haben, nur um eine Ordnungsvorschrift handelt. Allerdings ist bei nicht korrekter Zeichnung für die Zurechnung einer Erklärung entscheidend, ob der Geschäftsführer erkennbar im Namen der Gesellschaft gehandelt hat (vgl. Torggler in Straube , GmbHG,§ 18, Rz 24). Woran im Beschwerdefall zu erkennen gewesen wäre, dass Rupert R auch im Namen der mitbeteiligten Partei die Urkunde unterfertigt hätte, wird in der Beschwerde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Anders als das beschwerdeführende Finanzamt vermeint, kann in diesem Zusammenhang auch nicht von einem undeutlichen Urkundeninhalt iSd § 17 Abs. 2 GebG die Rede sein.

Allerdings wendet sich die Amtsbeschwerde zu Recht gegen die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach es zu keiner Aushändigung der Urkunde an die mitbeteiligte Partei gekommen sei (zum Begriff der Aushändigung vgl. Fellner , Gebühren und Verkehrsteuern, Bd. 1, Tz 15 zu § 16 GebG). Dass sich die Urkunde bei der abgabenbehördlichen Prüfung nicht in den dem Prüfer zur Einsichtnahme vorgelegten Unterlagen der mitbeteiligten Partei befunden hat, lässt nämlich noch nicht den Schluss zu, dass diese Urkunde nicht in den Machtbereich der mitbeteiligten Partei gelangt wäre. Schon aufgrund des Zweckes der Errichtung solcher Urkunden, nämlich der Sicherung der Beweisführung der Darlehensgeberin über die Darlehensgewährung, wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, eingehendere Feststellungen zum Verbleib der Urkunde nach deren Unterfertigung zu treffen. Im Beschwerdefall kommt jedoch noch hinzu, dass der Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei Rupert R auch Geschäftsführer der Darlehensnehmerin, die die Urkunde ausgestellt hat, ist. Die belangte Behörde hätte daher nur dann davon ausgehen können, dass es dennoch zu keiner Aushändigung der Urkunde an die mitbeteiligte Partei gekommen ist, wenn sich diese zu keinem Zeitpunkt nach der Unterfertigung im Machtbereich des Rupert R befunden hätte. Für solche ungewöhnlichen Umstände gibt es aber in den vorgelegten Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte. Vielmehr geht die belangte Behörde davon aus, dass das "Schriftstück" von Rupert R dem Prüfer ausgehändigt wurde. Sollte es sich dabei um das Original gehandelt haben, dann hat sich dieses sehr wohl im Machtbereich des Rupert R und damit der mitbeteiligten Partei befunden, sodass die erstinstanzliche Gebührenvorschreibung zu Recht erfolgt wäre.

Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit dem dargestellten Begründungsmangel belastet hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am