VwGH vom 24.02.2010, 2008/13/0200
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1488- W/08, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war vom bis zum Geschäftsführer der T. GmbH. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen dieser Gesellschaft mangels ausreichenden Vermögens abgewiesen.
Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der T. GmbH in der Höhe von EUR 234.442,70 (Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für Zeiträume der Jahre 2000 und 2001) heran.
Die vom Beschwerdeführer dagegen eingebrachte Berufung wurde vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, woraufhin der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom die Entscheidung der belangten Behörde über seine Berufung beantragte und sein Vorbringen ergänzte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht - zusammengefasst - geltend, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass es ihm faktisch unmöglich sei, sich Zugang zu ihn entlastenden Informationen zu verschaffen und Beweismittel für die Unmöglichkeit der Zahlungen zur Zeit seiner Geschäftsführung vorzulegen. Während der "letzten Monate seiner Geschäftsführertätigkeit bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft und Übergabe sämtlicher Dokumente" habe sich der Beschwerdeführer infolge der andauernden Ermittlungen der Finanzbehörden in Untersuchungshaft befunden. Vor seiner Verhaftung habe er während seiner aufrechten Geschäftsführertätigkeit - wie schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht - sämtliche Unterlagen ordnungsgemäß der Steuerberatungskanzlei übermittelt. Dazu, vor seiner Verhaftung alle Buchhaltungsdokumente doppelt herzustellen und privat zu archivieren, habe er keine Veranlassung gehabt. Bereits im Verwaltungsverfahren habe er auch schon auf einen Gerichtsbeschluss vom verwiesen, dem zufolge er alle Unterlagen an den neuen Geschäftsführer zu übergeben gehabt habe.
Die belangte Behörde hätte daher weitere Ermittlungstätigkeiten entfalten müssen, nämlich insbesondere dahin gehend, ob der Beschwerdeführer bei Fälligkeit der jeweiligen Abgaben überhaupt in der Lage gewesen wäre, diese zu begleichen. Allenfalls wären Nachforschungen anzustellen gewesen, in welchem Verhältnis die Nichtbegleichung der Abgabenschulden zur Liquidität der T. GmbH gestanden sei, "da dies nur zu einer teilweisen Haftung des Beschwerdeführers führen könnte". Die "in der Folge" eingetretene Insolvenz lege nahe, dass eine gänzliche Begleichung der Abgabenschulden durch den Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei. Bereits im Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeiten seien "Mittel im Ausmaß der nun hervorgekommenen Abgabenverbindlichkeiten für die Gesellschaft keineswegs vorhanden" gewesen. Die Zugrundelegung dieses Sachverhaltes hätte zu dem Ergebnis führen müssen, dass der Beschwerdeführer auf Grund mangelnden Verschuldens nicht haftbar gemacht werden könne.
Der Verweis auf die Beweispflicht des Beschwerdeführers reiche im vorliegenden Fall nicht aus, um die Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit zu begründen, da es dem Beschwerdeführer auf Grund der Untersuchungshaft in den letzten Monaten seiner Geschäftsführertätigkeit und angesichts der gerichtlich verfügten Herausgabeverpflichtung betreffend die wesentlichen Buchhaltungsunterlagen nicht möglich gewesen sei, entsprechende Nachweise für die unverschuldete Nichtentrichtung der Abgaben zu erbringen. "Diese Tatsachen" seien "im gesamten Ermittlungsverfahren wiederholt vom Beschwerdeführer moniert" worden. Die belangte Behörde sei darauf nicht eingegangen und habe sich ohne nähere Begründung darüber hinweggesetzt. Damit habe sie auch das Parteiengehör verletzt. Die "unterlassene Pflicht der belangten Behörde zur Erforschung der materiellen Wahrheit betreffend die Frage der Liquidität der Gesellschaft" stelle auch eine vorgreifende Beweiswürdigung dar. Durch "Erhebungen und Feststellungen zur Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Fälligkeit" der Verbindlichkeiten hätte "die entscheidungswesentliche Frage des Verschuldens des Beschwerdeführers geklärt werden können".
Mit diesem Vorbringen verstößt der Beschwerdeführer gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot. Der Beschwerdeführer hatte in der Berufung im Wesentlichen geltend gemacht, bei seinem Ausscheiden und auch noch kurz danach habe nur ein geringfügiger, durch offene Forderungen (gemeint: gegenüber Dritten) gedeckter Rückstand an Abgaben bestanden. Der Bescheid über die nun an den Beschwerdeführer gestellte Forderung sei gegenüber der T. GmbH "erst am ausgestellt" worden und in Rechtskraft erwachsen, ohne jemals an den Beschwerdeführer gerichtet worden zu sein. Wegen des gerichtlich festgestellten Umstandes, dass der neue Geschäftsführer sämtliche Unterlagen zu verwalten habe, könne er zu den Beträgen nicht Stellung nehmen.
Im Vorlageantrag hatte der Beschwerdeführer hinzugefügt, die dem Haftungsbescheid vorausgegangene Aufforderung zur Stellungnahme sei "überflüssig" gewesen, weil die Rechtskraft der Forderung gegenüber der T. GmbH nicht mehr zu ändern gewesen sei. Auf Grund der Rechtslage und des Zeitabstandes habe er keinerlei Möglichkeit gehabt, "an Firmendokumente heranzukommen, um die Forderungen auch nur im Ansatz zu prüfen". Sie seien vielmehr hinter seinem Rücken für rechtskräftig erklärt worden.
Dass der Beschwerdeführer sich nicht nur durch den zuletzt erwähnten Umstand beschwert erachte, sondern auch geltend machen wolle, eine Begleichung der später festgestellten Abgabenforderungen in den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten wäre nicht oder nur teilweise möglich gewesen, war diesem Vorbringen nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer hatte auch nicht geltend gemacht, er sei durch eine Untersuchungshaft oder auf andere Weise schon vor der Beendigung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer am Zugriff auf die Unterlagen gehindert worden.
Bei dieser Sachlage reichte es aber aus, wenn die belangte Behörde den Beschwerdeführer hinsichtlich der Abgabenfestsetzungen auf deren gesonderte Anfechtbarkeit gemäß § 248 BAO und auf die Bindung an vorliegende Abgabenbescheide bei der Entscheidung über die Haftung verwies und ihm im Übrigen vor Augen hielt, die zugrunde liegende Betriebsprüfung habe im Zeitraum vom bis zum , zum weitaus überwiegenden Teil also vor seinem Ausscheiden als Geschäftsführer stattgefunden, sodass er nicht glaubhaft vorbringen könne, der Grund der Nachforderungen - im Wesentlichen die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer auf Baustellen und die Verbuchung von "Scheinrechnungen dubioser Subfirmen" - sei ihm unbekannt. Wenn die belangte Behörde darüber hinaus ausführte, es hätten sich "keinerlei Anhaltspunkte" dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung der Abgaben nicht in der Lage gewesen wäre, diese bei Fälligkeit (gemeint: aus Mitteln der Gesellschaft) zu entrichten, so setzte sie sich damit über kein Vorbringen des Beschwerdeführers hinweg. Die Konkursabweisung im August 2005 war schon im Hinblick auf den Zeitabstand kein solcher Anhaltspunkt.
Mit objektiven Schwierigkeiten beim Nachweis nicht ausreichender Mittel und gegebenenfalls einer Gleichbehandlung der Gläubiger musste sich die belangte Behörde mangels entsprechender Behauptungen nicht auseinander setzen. Ihr Hinweis, es sei Sache des Vertreters, für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen, entsprach aber der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis vom , Zl. 97/14/0160, VwSlg. 7320/F). Dass ihm dies vor seinem Ausscheiden als Geschäftsführer mit Rücksicht auf die im Verwaltungsverfahren nicht behauptete Untersuchungshaft nicht mehr möglich gewesen sei, geht im Übrigen - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift anmerkt - auch aus der Beschwerde nicht schlüssig hervor.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am