VwGH vom 28.09.2011, 2008/13/0196
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der H in M, vertreten durch Dr. Gerald Hausar, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 2/10-11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1907-W/05 miterledigt RV/1877-W/06, RV/1342-W/08, RV/1377- W/08, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2006 sowie Festsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer für die Jahre 2004, 2005, 2006 und 2008, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall ist die Anerkennung von Darlehensrückzahlungen als außergewöhnliche Belastung nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 strittig.
Im angefochtenen Bescheid wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei Pensionistin und erziele neben ihrer Pension Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Zu erstmals für die Jahre 2000 bis 2002 als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Darlehensrückzahlungen habe sie in einer Vorhaltsbeantwortung vom gegenüber dem Finanzamt mitgeteilt, dass diese im Zusammenhang mit einem Konkurs der S. GmbH im März 1998 stünden. Zum Zeitpunkt des Konkurses habe die Beschwerdeführerin eine Forderung an die S. GmbH in Höhe von rund 68 Mio. S gehabt, die sie beim Handelsgericht angemeldet habe. Nachdem das Bemühen um einen 20 %igen Ausgleich gescheitert sei, sei der Konkurs im Jänner 2001 aufgehoben worden. Die Forderungen an die S. GmbH hätten aus seit 1990 aufgenommenen Bankdarlehen sowie aus von der Beschwerdeführerin bezahlten Rechnungen resultiert. Diese Gelder seien für die Entwicklung neuer Produkte eingesetzt worden. Im September 1995 sei ein Investor in das Unternehmen eingetreten, der vertragsgemäß 100 Mio. S hätte einbringen sollen. Damit hätte das Unternehmen genügend Geld für das Marketing neuer Produkte gehabt, womit auch ein Großteil ihrer Forderungen hätte zurückbezahlt werden können. Leider habe dieser Investor nur 10 % seiner Verpflichtungen erfüllt und "sei von der Bildfläche verschwunden". Da die Beschwerdeführerin bis September 1997 eine der Geschäftsführerinnen der S. GmbH gewesen sei und damit auch für die Unternehmenskredite die persönliche Haftung habe übernehmen müssen, hätten die Banken im Zeitraum des Konkurses nicht nur die Rückzahlung der von ihr für die S. GmbH aufgenommenen Kredite verlangt, "sondern hätten sie auch hinsichtlich der Firmenhaftungen herangezogen". Für einen Teil der Verbindlichkeiten hätten Vergleiche abgeschlossen werden können, die in monatlichen Raten abzubezahlen seien. Der Vorhaltsbeantwortung seien verschiedene Unterlagen angeschlossen gewesen, so ein Schriftsatz ihres Ehemannes vom mit der Verneinung der Frage, ob für die Beschwerdeführerin am der Konkurs voraussehbar gewesen sei.
Nach einer Wiedergabe des Ganges des Verwaltungsverfahrens (in dem das Finanzamt die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen in Form der Darlehensrückzahlungen im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer u.a. für die Jahre 2005 und 2006 nicht berücksichtigt habe, wogegen sich die Beschwerdeführerin jeweils mit Berufung gewandt habe) hielt die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides fest, dass es sich bei den als außergewöhnliche Belastung strittigen Kreditrückzahlungen um Kredite gehandelt habe, welche die Beschwerdeführerin aufgenommen und an das Unternehmen ihres Ehemannes (der S. GmbH) weitergegeben habe "bzw. um Kredite ihres Ehegatten, bei denen die (Beschwerdeführerin) mitunterschrieben hat". Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei diese Konstellation unter denselben Gesichtspunkten zu betrachten, "wie sie für Bürgschaften zugunsten eines nahen Angehörigen gelten".
Nach den Darstellungen im Verwaltungsverfahren sei die Beschwerdeführerin ab dem Jahr 1985 bis Gesellschafterin und Geschäftsführerin der S. GmbH gewesen. Im Mai 1992 habe sie ihre Anteile an ihren Ehemann abgetreten und sei vom bis Angestellte des Unternehmens gewesen. Vom bis sei sie neuerlich Geschäftsführerin gewesen. Über das Vermögen der S. GmbH sei am der Konkurs eröffnet worden. Die Beschwerdeführerin habe am ihre Forderungen an die S. GmbH beim Konkursgericht angemeldet. Der Konkurs sei nach Verteilung gemäß § 139 Konkursordnung am aufgehoben und die Firma sei gemäß § 40 FBG amtswegig gelöscht worden.
Aus der Vorhaltsbeantwortung gegenüber dem Finanzamt im April 2004 gehe hervor, dass die Gelder für die Entwicklung neuer Produkte eingesetzt worden seien. Im September 1995 sei ein Investor in die Firma eingetreten, der vertragsgemäß 100 Mio. S hätte aufbringen sollen, diese Verpflichtungen aber nur zu 10 % erfüllt habe. Für die Beschwerdeführerin sei bis zum der Konkurs nicht vorhersehbar gewesen. Erst im Laufe des Berufungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin ihre Verantwortung geändert und entgegen den Angaben im Vorhaltsverfahren behauptet, die Kredite hätten nicht dazu gedient, das Unternehmen ihres Ehemannes zu erweitern oder diesem bessere Ertragsaussichten zu vermitteln. Es hätten vielmehr die laufenden Finanzierungen sichergestellt werden sollen, um den Konkurs abzuwenden.
Da Bürgschaftszahlungen bzw. Schuldübernahmen eines Gesellschafter-Geschäftsführers grundsätzlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst seien und derartige Vermögensverluste eines Gesellschafters nicht einkünftemindernd berücksichtigt werden könnten, könne - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - eine Rückzahlung derselben (insoweit die Beschwerdeführerin Kredite in ihrer Funktion als Gesellschafterin bzw. Geschäftsführerin aufgenommen habe), schon deshalb zu keiner außergewöhnlichen Belastung führen.
Weiters sei die Behauptung, die Übernahme der Kredite habe dazu gedient, eine existenzbedrohende Notlage des Ehemannes abzuwehren, nicht nachvollziehbar, weil der Großteil der Kredite (rund 30 Mio. S) im Zeitraum 1990 bis 1993 aufgenommen worden sei und diese - wie die Beschwerdeführerin selbst dargelegt habe - der Entwicklung neuer Produkte gedient hätten. Von einer Konkursbedrohung zu diesem Zeitpunkt könne jedenfalls nicht ausgegangen werden. In der Vorhaltsbeantwortung vom April 2004 sei angegeben worden, dass der Konkurs selbst im September 1997 noch nicht vorhersehbar gewesen sei. Dazu komme, dass keine sittliche Verpflichtung bestehe, den Ehemann durch die Übernahme der Kredite vor dem wirtschaftlichen Niedergang zu bewahren. In diesem Zusammenhang lasse sich für die Beschwerdeführerin auch aus dem Hinweis auf eine die Jahre 1993 und 1994 betreffende Betriebsprüfung (die daraus resultierenden Einkommensteuerbescheide seien mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/15/0083, bestätigt worden) nichts gewinnen, wonach die Darlehenshingabe der Beschwerdeführerin an die S. GmbH in ihrem Naheverhältnis zum Ehemann und dem (damals alleinigen) Gesellschafter begründet gewesen sei und die geltend gemachten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen (im Wesentlichen Zinsenaufwand) deshalb nicht anzuerkennen gewesen seien.
In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf ordnungsgemäße Festsetzung und Veranlagung der Einkommensteuer für die Jahre 2005 und 2006 verletzt". Die Rechtsverletzung liege in der Nichtanerkennung der Darlehensrückzahlungen als außergewöhnliche Belastung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
In der Beschwerde wird vorgebracht, in dem dem hg. Erkenntnis vom , 99/15/0083, zu Grunde liegenden Beschwerdefall sei seitens der Behörde die Ansicht vertreten worden, dass die Darlehensgewährung durch das familiäre Naheverhältnis zum Ehemann der Beschwerdeführerin, dem alleinigen Gesellschafter der S. GmbH, veranlasst gewesen sei, womit "unseres Erachtens die Zwangsläufigkeit als außergewöhnliche Belastung erklärt und der Abzug berechtigt ist".
Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen grundsätzlich niemand verpflichtet ist, einem Angehörigen das von diesem eingegangene Unternehmerrisiko abzunehmen, zu dem auch die Insolvenzgefahr gehört. In gleicher Weise besteht keine sittliche Verpflichtung zur unmittelbaren Hingabe von Geldmitteln zur Abwendung einer solchen Gefahr (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 98/13/0072, und vom , 2003/13/0158). Die steuerliche Absetzbarkeit von Bürgschaftszahlungen als außergewöhnliche Belastung ist durch das Gesetz auf seltene Fälle beschränkt, weil § 34 EStG 1988 nicht zu dem Zweck geschaffen wurde, wirtschaftliche Misserfolge, die die verschiedensten Ursachen haben können, mit der Ermäßigung der Einkommensteuer zu berücksichtigen und auf diese Weise auf die Allgemeinheit abzuwälzen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 97/15/0055, und vom , 2001/15/0173, mwN).
Auch aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass ein vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung zu sehender Ausnahmsfall vorläge, in dem die strittigen Darlehensrückzahlungen als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1988 Berücksichtigung finden könnten. Die Beschwerdeführerin verweist zur Begründung der Zwangsläufigkeit der übernommenen finanziellen Verpflichtungen im Wesentlichen auf die Notwendigkeit zur Abwehr einer existenzbedrohenden Lage ihres Ehemannes. Abgesehen davon, dass diese "existenzbedrohende Lage" nicht im Einzelnen in Bezug auf den zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Eingehen der finanziellen Verpflichtungen konkretisiert wird, geht die Beschwerde vor allem auch nicht darauf ein, dass die belangte Behörde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Abwehr einer existenzbedrohenden Notlage ihres Ehemannes aus näher dargelegten Gründen (z.B. Zufuhr der Geldmittel zur Entwicklung neuer Produkte, Angaben im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung vom April 2004, wonach der Konkurs selbst im September 1997 noch nicht vorhersehbar gewesen sei) nicht gefolgt ist.
Damit zeigt aber die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Da ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will, selbst das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. für viele wiederum das hg. Erkenntnis vom , 98/13/0072), geht weiters die in der Beschwerde enthaltene - ohnedies auch nicht weiter ausgeführte - Verfahrensrüge ins Leere, die u.a. das Unterbleiben "entsprechender" Erhebungen oder einer "Befragung" des Ehemannes der Beschwerdeführerin als Zeuge rügt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am