VwGH vom 27.02.2019, Ra 2018/15/0111
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des F L in D, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/1100998/2015, betreffend Einkommensteuer 2013, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 In der Niederschrift über eine Nachschau vom wurde festgehalten, der Revisionswerber habe im Jänner 2013 eine näher genannte Liegenschaft (W4) veräußert. Bei der Meldung der Veräußerung an das Finanzamt durch den Parteienvertreter sei die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 EStG 1988 geltend gemacht worden. Eine Abfrage des Melderegisters habe ergeben, dass der Hauptwohnsitz nur im Zeitraum vom bis und vom bis bestanden habe. Die Voraussetzungen für die Hauptwohnsitzbefreiung lägen somit nicht vor. Es sei daher Immobilienertragsteuer - wie näher dargestellt wurde - zu errechnen.
2 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2013 fest und berücksichtigte darin die in der Niederschrift festgestellten Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen.
3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, wobei er die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen bestritt. Er habe in der Wohnung vom Kauf bis zur Veräußerung gewohnt.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Insbesondere führte das Finanzamt aus, zwar komme der Eintragung im zentralen Melderegister nur Indizwirkung zu. Der Revisionswerber habe aber im Zuge der Schlussbesprechung angegeben, dass er sich aufgrund des laufenden Scheidungsverfahrens in der Zeit vom bis tatsächlich nicht in der gegenständlichen Wohnung aufgehalten habe. Die Voraussetzungen für die Hauptwohnsitzbefreiung seien damit nicht erfüllt.
5 Der Revisionswerber stellte einen als "Einspruch bzw. Beschwerde" bezeichneten Vorlageantrag.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid 2013 ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die (nunmehr) ehemalige Ehefrau des Revisionswerbers habe am Alleineigentum an näher genannten Anteilen an einer Liegenschaft erworben. In der Zeit bis Ende Februar 2010 seien diverse Reparatur- und Sanierungsarbeiten erfolgt. Am 7. (richtig wohl: 11.) März 2010 seien die Ehegatten mit ihren Kindern in diese Wohnung (W4) eingezogen und hätten dort ihren Hauptwohnsitz begründet. Von bis habe der Revisionswerber seinen Hauptwohnsitz an die Anschrift E30 verlegt. Für die Zeit von bis zum habe der Revisionswerber wieder seinen Hauptwohnsitz in der Wohnung W4 begründet. Für den Zeitraum bis und vom bis habe der Revisionswerber über einen Nebenwohnsitz an der Anschrift E30 verfügt. Von bis habe der Revisionswerber in der Wohnung W4 über einen Nebenwohnsitz verfügt.
8 Die einvernehmliche Scheidung der Ehegatten sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom erfolgt. "Darin" (gemeint: im Vergleich gemäß § 55a EheG) sei vereinbart worden, dass die Ehegattin ihr Eigentum an der Liegenschaft W4 (Ehewohnung) an den Revisionswerber übergebe. Die Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten des Revisionswerbers sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom erfolgt.
9 Am habe der Revisionswerber seinen Hauptwohnsitz in W4 endgültig aufgegeben.
10 Mit Kaufvertrag vom habe der Revisionswerber seine Anteile an der Liegenschaft W4 veräußert.
11 Im Rahmen der Schlussbesprechung habe der Revisionswerber mitgeteilt, dass der Hauptwohnsitz (an der Liegenschaft W4) eigentlich nie aufgegeben worden sei; auch hätten seine Kinder durchgehend in dieser Wohnung gewohnt. Er sei lediglich kurzfristig zu seinem Vater gezogen. Das Bundesfinanzgericht finde keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt dieser Angaben zu zweifeln. In Verbindung mit der erfolgten Ummeldung des Hauptwohnsitzes lasse dies aber keine andere Würdigung zu, als dass die Eintragungen im zentralen Melderegister den Tatsachen entsprächen und sich der Hauptwohnsitz des Revisionswerbers tatsächlich nicht für 24 Monate durchgehend in W4 befunden habe. Zu einer anderen Schlussfolgerung komme das Bundesfinanzgericht auch nicht aufgrund eines Schreibens des rechtlichen Vertreters der ehemaligen Ehefrau des Revisionswerbers vom . Der Inhalt dieses Schreibens beweise lediglich, dass der Revisionswerber nach seinem neuerlichen Einzug im März 2012 zumindest bis zum dort wiederum seinen Hauptwohnsitz gehabt habe, nicht aber, dass er dort ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz gehabt habe.
12 Bei Übertragung von Grundstücken im Zuge einer Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Rahmen einer Ehescheidung liege grundsätzlich kein Tausch und daher auch keine Veräußerung bzw. Anschaffung vor, sofern die Aufteilung des Gebrauchsvermögens nach den Grundsätzen des § 83 EheG erfolge. Dies gelte auch bei einer einvernehmlichen Scheidung.
13 Da sich der Hauptwohnsitz des Revisionswerbers nicht für mindestens 24 Monate durchgehend in der Wohnung W4 befunden habe, seien die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 nicht erfüllt, sodass Immobilienertragsteuer dem Grunde nach zu Recht festgesetzt worden sei. Der Höhe nach habe aber eine Berichtigung dahin zu erfolgen, dass auch die Grunderwerbsteuer sowie die Gerichtsgebühren vom Veräußerungserlös in Abzug zu bringen seien.
14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Zur Zulässigkeit der Revision wird insbesondere geltend gemacht, es bestehe keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob kurzfristige Unterbrechungen in der Nutzung - wie im vorliegenden Fall - im Zuge einer Scheidung dazu führen, dass das Tatbestandsmerkmal "durchgehend" (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988) nicht mehr erfüllt sei.
15 Das Finanzamt (als belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht) hat sich - nach Einleitung des Vorverfahrens - am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Die Revision ist aus den in ihr aufgezeigten Gründen zulässig, sie ist auch begründet.
18 Gemäß § 29 Z 2 EStG 1988 (idF 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22) sind sonstige Einkünfte u.a. Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen.
19 Nach § 30 Abs. 1 EStG 1988 (insoweit idF BGBl. I Nr. 22/2012) sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen.
20 Gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 105/2014) sind von der Besteuerung ausgenommen die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988), wenn sie dem Veräußerer ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.
21 Strittig ist im vorliegenden Verfahren, ob die Wohnung W4 dem Revisionswerber "für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz" gedient hat.
22 Der Revisionswerber hatte seinen Hauptwohnsitz (entsprechend den Meldebestätigungen nach dem Meldegesetz) in der gegenständlichen Wohnung W4 vom 7. (richtig: 11.) März 2010 bis und vom bis . In diesen beiden Zeiträumen bestand jeweils ein Nebenwohnsitz an der Anschrift E30. In dem Zeitraum, in dem kein Hauptwohnsitz an der Anschrift W4 bestand ( bis ), war an dieser Anschrift ein Nebenwohnsitz gemeldet, während der Hauptwohnsitz in jenem Zeitraum an der Anschrift E30 bestand.
23 Der Begriff des "Hauptwohnsitzes" wird im EStG 1988 nicht näher bestimmt. Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung inne hat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
24 Hat der Steuerpflichtige mehrere Wohnsitze im Sinne der BAO, ist Hauptwohnsitz im Sinne des § 30 Abs. 2 EStG 1988 jener dieser Wohnsitze, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (vgl. , VwSlg. 8570/F).
25 Der Hauptwohnsitz-Meldung kommt in diesem Zusammenhang keine materiell-rechtliche Bedeutung zu (vgl. Bodis/Hammerl in Doralt u.a., EStG17, § 30 Tz 143), in Zweifelsfällen kann die polizeiliche An- und Abmeldung aber als Indiz dienen (vgl. ).
26 Im vorliegenden Verfahren ist nicht strittig, dass der Revisionswerber in jenen Zeiträumen, in denen nach den melderechtlichen Wohnsitzbestätigungen der Hauptwohnsitz in der Wohnung W4 bestanden hatte, dort auch der Hauptwohnsitz im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 war, also die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dieser Wohnung bestanden. Insgesamt diente diese Wohnung dem Revisionswerber damit mehr als zwei Jahre als Hauptwohnsitz.
27 Der melderechtliche Hauptwohnsitz bestand aber nicht im Zeitraum bis ; in jenem Zeitraum bestand (melderechtlich) ein Nebenwohnsitz in der Wohnung W4.
28 Der Revisionswerber hatte angegeben, er habe seinen "Hauptwohnsitz eigentlich nie aufgegeben (...), auch hätten seine Kinder durchgehend in der Wohnung gewohnt. Er sei lediglich kurzfristig zu seinem Vater gezogen." Das Bundesfinanzgericht fand keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt dieser Angaben zu zweifeln.
29 Entscheidend für die Beurteilung, ob dem Revisionswerber im Zeitraum vom bis die streitgegenständliche Wohnung W4 als Hauptwohnsitz im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 diente, ist, ob weiterhin die Voraussetzungen für einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO erfüllt waren und zudem ob der Revisionswerber weiterhin die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dieser Wohnung hatte, auch wenn eine tatsächliche Benützung der Wohnung in jenem Zeitraum durch den Revisionswerber nicht (ununterbrochen) erfolgte. Hiezu hat das Bundesfinanzgericht aber keine Feststellungen getroffen, die eine Beantwortung dieser Frage ermöglichen würden.
30 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren findet in diesen Bestimmungen keine Deckung.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150111.L00 |
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