VwGH vom 27.06.2013, 2010/15/0206

VwGH vom 27.06.2013, 2010/15/0206

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamts Spittal Villach in 9800 Spittal an der Drau, Dr. Arthur-Lemisch Platz 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0171-K/07, betreffend Umsatzsteuer 2005 und 2006 (mitbeteiligte Partei: I GmbH in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist eine GmbH. Alleingesellschafter ist die Gemeinde I. Geschäftsführer der Mitbeteiligten ist der Bürgermeister der Gemeinde I.

In der Sitzung vom des Gemeinderats der Gemeinde I wurde beschlossen, dass das Projekt "Dorfgestaltung" von der Mitbeteiligten umgesetzt werden solle. Dabei wurde als Vorteil der Durchführung durch die Mitbeteiligte u.a. angeführt, dass diese zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Es solle eine Förderung "von zwei Dritteln aus entsprechenden Fonds" erfolgen, ein Drittel solle durch Eigenmittel (Bedarfszuwendungen) finanziert werden. Der Baubeginn werde zunächst mit festgesetzt, die Bauzeit mit 4 Monaten geschätzt.

In der Förderungsvereinbarung vom zwischen der Gemeinde I und der Mitbeteiligten betreffend die "Neugestaltung der Dorfstraße" ist festgehalten, dass die Förderung für die Baumaßnahmen 300.000 EUR (bzw. 280.000 EUR) betrage und als Investitionszuschuss nach Maßgabe des Baufortschritts von der Gemeinde I ausgezahlt werde.

In der Förderungsvereinbarung vom zwischen der Gemeinde I und der Mitbeteiligten betreffend die "Dorfgestaltung (Parkplätze Raika)" ist festgehalten, dass zusätzliche Parkplätze in Ortsnähe notwendig seien, da bei größeren Veranstaltungen sowie kirchlichen Anlässen zu wenig Parkmöglichkeit bestehe. Zudem sei die Ortseinfahrt neu zu gestalten. Die Förderung betrage 120.000 EUR und werde von der Gemeinde I nach Maßgabe des Baufortschritts ausbezahlt.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung beanstandete der Prüfer den von der Mitbeteiligten in Zusammenhang mit den Baumaßnahmen geltend gemachten Vorsteuerabzug. In der Niederschrift vom über die Außenprüfung ist festgehalten, die Gemeinde I habe die Mitbeteiligte mit der Durchführung von Baumaßnahmen zur Ortsgestaltung und Errichtung von Parkflächen beauftragt. Die Gemeinde I als Förderungsgeberin und die Mitbeteiligte als Förderungswerber hätten eine Förderungsvereinbarung (vom ) geschlossen. Aus dieser Vereinbarung und den Auskünften des Geschäftsführers ergebe sich, dass es sich um folgende Baumaßnahmen (auf Grundstücken im Eigentum der Gemeinde I) gehandelt habe:


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-
ca. 500 m3 Bodenaustausch aufgrund von Straßenschäden im Kreuzungsbereich …,
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Beseitigung von durch Kanalbauarbeiten entstandenen Fahrbahnschäden durch Abfräsen der Asphaltdecke im gesamten Ortszentrum und anschließende Neuasphaltierung,
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Pflasterung der Gehwegbereiche mit Natursteinen,
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Einbeziehung des Dorfplatzes in die Neugestaltung,
-
Errichtung von neuen Parkflächen im Ortszentrum und beim Friedhofsgelände.
Der Prüfer stellte fest, die Herstellung und Erhaltung von öffentlichen Straßen samt den Gehwegen und Parkplätzen sei genauso eine hoheitliche Tätigkeit einer Gemeinde wie die Gestaltung des Dorfplatzes. Die Gemeinde I hätte, wenn sie diese Arbeiten selbst durchgeführt hätte, im Hoheitsbereich gehandelt und keine Vorsteuern geltend machen können. Die gewählte Gestaltung sei daher missbräuchlich und führe nicht zum Vorsteuerabzug. Die umsatzsteuerliche Anerkennung des künftig geplanten Mietverhältnisses, mit dem die Parkplätze im Bereich des Ortszentrums und beim Friedhofsgelände (Errichtung im Herbst 2006) an die Gemeinde I vermietet werden sollten, sei demnach nicht möglich.
In der Niederschrift ist weiters festgehalten, dass die Mitbeteiligte auch Baumaßnahmen auf in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken getätigt habe. Die Gemeinde I habe die Mitbeteiligte mit der Durchführung der Baumaßnahmen zur Errichtung von Parkflächen im Bereich der örtlichen Raiffeisenkasse beauftragt. Aus der diesbezüglichen Förderungsvereinbarung (vom ) ergebe sich, dass es sich um 35 Parkplätze auf durch die Mitbeteiligte gekauften Flächen und in Zusammenhang damit um die Neugestaltung der Ortseinfahrt gehandelt habe. Der Vorsteuerabzug werde damit begründet, dass die Mitbeteiligte die Parkplätze an die Gemeinde I vermieten werde. Derzeit liege aber noch kein Mietvertrag vor. Auch für diese Baumaßnahmen stehe kein Vorsteuerabzug zu, weil die Errichtung von Parkflächen zu den hoheitlichen Aufgaben der Gemeinde gehöre.
Den Prüfungsfeststellungen folgend setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für mehrere Monate der Jahre 2005 und 2006 fest und anerkannte dabei keinen Vorsteuerabzug aus den in Rede stehenden Baumaßnahmen.
Die Mitbeteiligte erhob Berufung. Sie begehrte den Vorsteuerabzug aus den Kosten für Errichtung der Parkplätze. Im Zuge des Berufungsverfahrens gab sie die mit diesen Errichtungskosten zusammenhängenden Vorsteuerbeträge (in EUR) wie folgt an:


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2005
2006
2007
gesamt
Parkplätze entlang der Dorfstraße
23.866,08
2.783,07
282,96
26.932,11
Parkplätze Friedhof
0,00
4.285,72
0,00
4.285,72
Parkplätze Raika
4.351,92
12.097,09
715,56
17.164,57
Vorsteuer gesamt
28.218,00
19.165,88
998,52
48.382,40

In der Berufung wird zur Begründung ausgeführt, die Gemeinde I habe der Mitbeteiligten die Errichtung von Parkplätzen und die Ortsgestaltung übertragen. Die Mitbeteiligte habe daher neben der Gestaltung des Ortszentrums ca. 85 Parkplätze errichtet, und zwar ca. 50 Parkplätze auf Grund und Boden im Eigentum der Gemeinde I, den diese der Mitbeteiligten vermietet habe. Die Mitbeteiligte habe sodann ab Oktober 2006 die fertigen Parkplätze an die Gemeinde I vermietet und dafür eine ortsübliche Miete verlangt. Eine missbräuchliche Praxis liege nicht vor. Aufgrund der Vermietung stehe der Mitbeteiligten der Vorsteuerabzug zu.

Das Finanzamt erließ in der Folge Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006; die Berufung der Mitbeteiligten war sohin gemäß § 274 BAO gegen diese Bescheide gerichtet.

In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte die Mitbeteiligte vor, es gebe zwei Bestandverträge: der erste betreffe das Anmieten von Flächen der Gemeinde I durch die Mitbeteiligte, der zweite das Vermieten der Parkplätze von der Mitbeteiligten an die Gemeinde I. Die Gemeinde stelle die Parkplätze (den Bürgern) sodann kostenlos zur Verfügung. Es gebe keine "Parkraumbewirtschaftung".

Das Finanzamt brachte vor, die Gestaltung sei entweder eine missbräuchliche Gestaltung oder stelle sich als "Weiterlieferung der Parkplätze an die Gemeinde " als Grundstückseigentümerin dar (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 97/15/0150). Im letzteren Fall sei das Entgelt die Summe der Investitionskostenzuschüsse der Gemeinde, die der Finanzierung der Parkplatzerrichtung dienten (Anzahlungsbesteuerung gem. § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a).

Mit dem angefochtenen Bescheid (Berufungsentscheidung) gab die belangte Behörde der Berufung Folge und gewährte den begehrten Vorsteuerabzug.

Der Bestandvertrag zwischen der Mitbeteiligten als Bestandgeberin und der Gemeinde I als Bestandnehmerin vom führe in der Präambel an, dass die Gemeinde I mit Bestandvertrag vom der Mitbeteiligten die entsprechenden Teile der betreffenden Grundstücke im Ausmaß von insgesamt 1.789,59 m2 zum Zwecke der Errichtung von Parkplätzen vermietet habe. Die Mitbeteiligte sei Eigentümerin des Grundstücks xxx im Ausmaß von 621 m2. Gegenstand dieses Bestandvertrages seien die auf diesen Grundstücken errichteten 131 Parkplätze. Die Mitbeteiligte vermiete diesen Bestandgegenstand an die Gemeinde I ab auf unbestimmte Zeit für den wertgesicherten Mietzins von monatlich 2.500 EUR plus USt.

Vom Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis könne angesichts der Höhe des zwischen der Mitbeteiligten und der Gemeinde I im Bestandvertrag für die Nutzungsüberlassung der Parkplätze vereinbarten Entgeltes (monatlich 2.500 EUR) nicht die Rede sein, weil bereits im Zeitraum 2006 bis 2010 Umsatzsteuer von 24.000 EUR angefallen sei.

Der von der Mitbeteiligten begehrte Vorsteuerabzug für die Parkplatzerrichtung belaufe sich auf insgesamt 48.382,40 EUR, wovon aber 17.164,57 EUR auf Parkplätze entfalle, die ohnedies im Eigentum der Mitbeteiligten stünden. Bei langfristiger Betrachtung könne demnach von einer Steuerersparnis nicht gesprochen werden.

Soweit das Finanzamt die Lieferung von Parkplätzen an die Gemeinde annehmen, halte dem die belangte Behörde entgegen:

Wirtschaftliches Eigentum der Gemeinde I sei im gegenständlichen Fall nicht anzunehmen, weil die Mitbeteiligte zivilrechtliche Eigentümerin zumindest eines Teiles der Grundstücke sei, auf denen die Parkplätze errichtet seien.

Mit Bescheid vom berichtigte die belangte Behörde die Berufungsentscheidung gemäß § 293 BAO dahingehend, dass sie für das Jahr 2006 die angesetzt gewesenen Umsätze aus der Vermietung geringfügig erhöhte.

Das Finanzamt hat gegen die Berufungsentscheidung Beschwerde erhoben, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Großteil der in Rede stehenden Parkplätze befindet sich auf den im Eigentum der Gemeinde I stehenden Grundstücken. In Bezug auf diese Parkplätze ist festzuhalten, dass die Gemeinde I der Mitbeteiligten Grundflächen mit Bestandvertrag vom vermietet, und die Mitbeteiligte eben diese Grundflächen mit Bestandvertrag vom wiederum der Gemeinde I (zurück)vermietet hat. Es stand stets fest, dass diese Grundflächen von der Gemeinde benötigt werden, um den Gebrauch durch die Allgemeinheit als Parkflächen zu gewährleisten. Zum Wesen einer Vermietung gehört es aber, dass dem Mieter das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (vgl. , Walderdorff , Rn 17, ÖStZB 2008/442; Ruppe/Achatz , UStG4, § 6 Tz 357).

Die Mitbeteiligte hat auf den Flächen im Eigentum der Gemeinde Parkplätze errichtet. Gegenstand des (Rück )Bestandvertrages zwischen der Mitbeteiligten und der Gemeinde sind die Grundstücke, auf denen die Mitbeteiligte Parkplätze errichtet hat.

In Bezug auf die der Gemeinde gehörenden Grundflächen liegt der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen zwischen der Mitbeteiligten und der Gemeinde auf der Hand: Er kann nicht darin bestehen, der Gemeinde als Grundstückseigentümerin ihre eigenen Grundstücke zu vermieten. Er besteht vielmehr darin, dass die Mitbeteiligte - einem Bauträger gleich - auf den Grundstücken im Eigentum der Gemeinde Parkplätze errichtet. Durch diese von der Mitbeteiligten an die Gemeinde erbrachte Bauleistung wurden Parkplätze errichtet, die als unselbständige und damit sonderrechtsunfähige Bestandteile des Bodens Teil des Eigentums der Gemeinde sind (§ 297 ABGB). Anhaltspunkte dafür, dass ein Ausnahmefall gegeben ist, in welchem die Voraussetzungen für die Annahme eines von den zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen am Boden abweichenden wirtschaftlichen Eigentums vorlägen, bestehen nicht.

Das Finanzamt hat im Berufungsverfahren - in eventu - eingewendet, dass die Mitbeteiligte der Gemeinde I als Grundstückseigentümerin die Parkplätze "geliefert" und damit einen umsatzsteuerpflichtigen Umsatz getätigt habe. Dem hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid lediglich entgegen gehalten, dass es auch noch andere Parkplätze gibt ("Parkplätze Raika") und diese anderen Parkplätze auf den im Eigentum der Mitbeteiligten stehenden Liegenschaften errichtet worden sind. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, sind doch die Bauleistungen der Mitbeteiligten an die Gemeinde I (in Bezug auf die in deren Eigentum stehenden Grundstücke) eigenständig zu beurteilen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich bereits deshalb als mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, weil die belangte Behörde die Leistungen der Mitbeteiligten auf den Grundstücken der Gemeinde nicht als der Umsatzsteuer unterliegende Bauleistungen eingestuft hat. Solcherart hat sie auch keine Überlegungen darüber angestellt, zu welchen Zeitpunkten und in welcher Höhe die Umsatzsteuerschuld aus diesen Bauleistungen entstanden ist.

Da sich bereits daraus die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt, braucht nicht mehr auf das Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden, wonach die schriftlichen Bestandverträge erst nach Herstellung der Parkplätze abgeschlossen worden sind.

Für das fortzusetzende Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen: Soweit die Mitbeteiligte auf den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken Parkplätze errichtet und in der Folge entgeltlich der Gemeinde zur Nutzung überlassen hat, liegen darin sonstige Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 in Form der Grundstücksvermietung. Hinsichtlich dieser Grundstücke wird die belangte Behörde festzustellen haben, ob die von der Mieterin geleisteten Investitionszuschüsse allenfalls weitere Entgelte für die Nutzungsüberlassung darstellen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am