VwGH vom 31.07.2012, 2008/13/0130
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der I E in J, vertreten durch Dr. Günther Bernhart und Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwälte in 7400 Oberwart, Evangelische Kirchengasse 2, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 173/07, betreffend Kommunalsteuer für die Jahre 2003 bis 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt ein nicht protokolliertes Elektrounternehmen, beschäftigt ihre Tochter als Angestellte und entrichtete für sie, ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde zufolge, im Beschwerdezeitraum Kommunalsteuer in J., Burgenland.
Mit Bescheid vom schrieb der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin für die Streitjahre Kommunalsteuer vor. In der Begründung dieses Bescheides wurde dargelegt, die Beschwerdeführerin habe "die Kommunalsteuer für die an die Dienstnehmer der in Wien gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährten Arbeitslöhne nicht erklärt und entrichtet". Um welche Dienstnehmer es sich handle, ging aus der Begründung nicht hervor, und auch die gemeinte Betriebsstätte war - abgesehen von der Anführung einer Wiener Adresse als Adresse des Einzelunternehmens der Beschwerdeführerin im Spruch - nicht näher beschrieben. Die "Bemessungsgrundlage", hieß es, sei "auf Grund der Geschäftsaufzeichnungen (...) ermittelt" und "im Zuge einer 'Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben' durch Organe der Bundesfinanz oder eines Krankenversicherungsträgers erhoben" worden. Der Spruch nannte - in einem im Kontext unpassenden, von der belangten Behörde bei der Bestätigung der Entscheidung gestrichenen Satz - den Namen der Tochter der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung und brachte darin vor, ihr Firmensitz sei in J., weshalb sie die jeweils fällige Kommunalsteuer für ihre Tochter dort entrichtet habe. In Wien sei "nur ein Büro vorübergehend angemietet" worden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung als unbegründet ab. Der Begründung war nun zu entnehmen, die "Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben" sei von der Burgenländischen Gebietskrankenkasse vorgenommen worden. Dabei sei "festgestellt" worden, "dass der Mittelpunkt der Tätigkeit der Frau (Tochter der Beschwerdeführerin) das angemietete Büro in Wien (nähere Adresse) war". Die Bemessungsgrundlage sei "aufgrund des Lohnkontos errechnet" worden. Da die Tochter der Beschwerdeführerin "ihre Tätigkeit im Wiener Büro ausgeübt" habe, sei auch die Kommunalsteuer in Wien zu entrichten gewesen.
Im Vorlageantrag vom wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie beim Finanzamt Bruck Oberwart Eisenstadt einen Antrag auf Wiederaufnahme gestellt habe.
Der Magistrat der Stadt Wien hielt in einem Aktenvermerk vom zugleich mit der Vorlage der Berufung fest, das Wiederaufnahmsverfahren sei bei dem von der Beschwerdeführerin genannten Finanzamt anhängig und es werde auf eine Stellungnahme der Burgenländischen Gebietskrankenkasse gewartet, mit der nicht vor Ende August 2007 gerechnet werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom , dem nächsten Stück in den vorgelegten Akten, wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie stellte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides und den Inhalt der Berufung sowie einiger Rechtsvorschriften dar und begann ihre fallbezogenen Erwägungen mit dem Hinweis, "im Zuge einer gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben" sei "ermittelt" worden, "dass eine Dienstnehmerin der Berufungswerberin, Frau (Tochter der Beschwerdeführerin), den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit in einem Büro in Wien (nähere Adresse) hat", weshalb - mangels Entrichtung von Kommunalsteuer in Wien - der erstinstanzliche Bescheid erlassen worden sei. Der in der Berufung erwähnte "Firmensitz" sei nicht maßgeblich. Das Gesetz knüpfe "lediglich an das Vorliegen einer Betriebsstätte" an. Als Betriebsstätte gelte unter anderem das Vorhandensein einer ortsgebundenen festen Vorkehrung, über die der Unternehmer dauerhaft verfügen könne. Die Verfügungsmacht "über das Büro der Berufungswerberin" sei "unzweifelhaft gegeben, da diese selbst angibt, das Büro vorübergehend angemietet zu haben". Dass es sich "bei einem angemieteten Büro" um eine ortsgebundene feste Vorkehrung handle, sei evident und bedürfe keiner weiteren Überprüfung. Das "von der Berufungswerberin bezeichnete Baustellenbüro" habe "überdies ohne Zweifel unternehmensspezifischen Zwecken" gedient.
Da es sich "bei gegenständlicher Anlage um, wie von der Berufungswerberin selbst bezeichnet, ein Baustellenbüro" handle, könne auf die Zeitbestimmung des gemäß § 4 Kommunalsteuergesetz 1993 sinngemäß anzuwendenden § 29 Abs. 2 lit. c BAO abgestellt werden, wonach als Betriebsstätten auch Bauausführungen anzusehen seien, deren Dauer sechs Monate überstiegen habe oder voraussichtlich übersteigen werde. Diese Dauer sei im vorliegenden Fall "bei Weitem überschritten" worden, "da das Büro zumindest drei Jahre von der Berufungswerberin unterhalten" worden sei.
Der "Umstand, dass in dem gegenständlichen Büro eine Dienstnehmerin der Berufungswerberin im Bemessungszeitraum ihre berufliche Tätigkeit ausübte", sei "im Zuge der oben erwähnten Prüfung festgestellt" worden und werde "von der Berufungswerberin auch nicht bestritten".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Bescheid enthalte keine nachvollziehbare Begründung für die ihm zugrunde liegende Annahme, die Beschwerdeführerin habe an der genannten Adresse in Wien eine Betriebsstätte unterhalten. Die "Anmietung eines Büros" reiche dafür nicht aus, zumal keinerlei Feststellungen darüber getroffen worden seien, wodurch diese "Adresse" der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit diene. Auch zur Annahme der Überschreitung des im Bescheid angeführten Sechsmonatszeitraumes enthalte er keine Feststellungen. Die dem Bescheid zufolge im Zuge einer gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben gewonnenen Ermittlungsergebnisse seien "weder konkret genannt, noch ansatzweise erschließbar dargestellt" und könnten "keinesfalls schlüssig einem Akt oder einer Aktenzahl zugeordnet werden". Bei Durchführung eines fehlerfreien und vollständigen Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass an der genannten Adresse in Wien "keine Betriebsstätte im Sinne des Kommunalsteuergesetzes sowie des von der belangten Behörde aufgeworfenen Zeitraumes von mehr als 6 Monaten jemals gegeben war".
Die belangte Behörde hält dem in der Gegenschrift entgegen, die Beschwerdebehauptungen stünden "in klarem Widerspruch zu der vorgenommenen Ermittlung" und auch "zu der Ausführung der Beschwerdeführerin selbst", wenn diese "im Zuge des Berufungsverfahrens die fraglichen Räumlichkeiten als 'Baustellenbüro' bezeichnete". Der "Umstand, dass dieses Baustellenbüro über die gesamte Dauer des gegenständlichen Bemessungszeitraumes" der Tochter der Beschwerdeführerin "zur Ausübung ihrer überwiegenden beruflichen Tätigkeit für die Beschwerdeführerin" gedient habe, sei "trotz Vorhalt in der Berufungsvorentscheidung" von der Beschwerdeführerin "zu keinem Zeitpunkt bestritten" worden und werde auch in der Beschwerde nicht bestritten.
Die vorgelegten Akten enthalten keine nachvollziehbaren Unterlagen über die Ermittlungen, auf deren Grundlage dieser Umstand der Beschwerdeführerin vorgehalten worden sein soll. Auf drei darüber nicht näher Aufschluss gebende Computerausdrucke aus einem "file (...) Pruefungsergebnis" folgt ein dem erstinstanzlichen Bescheid noch vorausgehendes (in ihm und im angefochtenen Bescheid aber nicht erwähntes) Antwortschreiben der Beschwerdeführerin vom auf ein nicht aktenkundiges Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom , worin die Beschwerdeführerin auf den "Firmensitz" in J. sowie darauf verweist, dass sie in Wien "nur vorübergehend ein Baustellenbüro angemietet" gehabt habe, weil sie dort "einige Baustellen gehabt" habe. Auf welchen Zeitraum sich das beziehen soll, ist mangels Kenntnis des so beantworteten Schreibens nicht erschließbar. Von der Tochter der Beschwerdeführerin ist nicht die Rede. Davon abgesehen bestehen die vorgelegten Akten im Wesentlichen nur aus den schon erwähnten, an den erstinstanzlichen Bescheid anknüpfenden Schriftstücken. Die Behauptungen in der Gegenschrift, wonach die Beschwerdeführerin "im Zuge des Berufungsverfahrens" von einem "Baustellenbüro" gesprochen habe und ihr in der Berufungsvorentscheidung die sich "über die gesamte Dauer des gegenständlichen Bemessungszeitraumes" erstreckende "überwiegende berufliche Tätigkeit" ihrer Tochter in diesem "Baustellenbüro" vorgehalten worden sei, stehen in dieser Form mit den Akten nicht im Einklang.
Die Beschwerdeführerin bestreitet die entscheidungswesentliche Feststellung der belangten Behörde, sie habe an der genannten Adresse in Wien während des gesamten Bemessungszeitraums eine Betriebsstätte unterhalten. Diese Bestreitung wäre zu allgemein gehalten, wenn sich der Beschwerdeführerin entgegenhalten ließe, sie sei im Verwaltungsverfahren mit Ermittlungsergebnissen konfrontiert worden, aus denen sich die bekämpfte Feststellung ableiten lasse, und sei ihnen nicht entgegengetreten. Der angefochtene Bescheid lässt aber auch in Verbindung mit den vorgelegten Akten nicht erkennen, wie die Burgenländische Gebietskrankenkasse "ermittelt" habe, dass die Beschwerdeführerin das strittige Büro in Wien während des gesamten Bemessungszeitraums unterhalten und dort ihre Tochter beschäftigt habe, sowie dass und wie der Beschwerdeführerin zum Ergebnis dieser Ermittlungen - und nicht nur zu pauschalen Behauptungen darüber - rechtliches Gehör gewährt worden sei.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am