VwGH vom 22.03.2018, Ra 2018/15/0007
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofrätin Dr. Büsser und den Hofrat Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des H I in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2017/21/1064-4, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom wurde der Revisionswerber wegen des Verstoßes gegen seine Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 600 EUR (und falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 80 Stunden) verhängt.
2 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht Beschwerde und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
3 Am übermittelte das Landesverwaltungsgericht dem Revisionswerber per Fax einen Ladungsbeschluss zur mündlichen Verhandlung am .
4 Mit E-Mail vom bat der Revisionswerber unter Hinweis auf § 44 Abs. 6 VwGVG, die Verhandlung zu vertagen. Im E-Mail vom begründete der Revisionswerber seine Vertagungsbitte mit Terminkollisionen, wies erneut auf die Frist des § 44 Abs. 6 VwGVG hin und sprach sich gegen eine Verkürzung ebendieser Frist aus. Aus diesem E-Mail geht außerdem hervor, dass ihm telefonisch mitgeteilt worden sei, dass der Vertagungsbitte nicht nachgekommen werde.
5 Zur mündlichen Verhandlung am erschienen weder der Revisionswerber noch sein Vertreter. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde verkündet, dass die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wird und die Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision kostenpflichtig zurück- in eventu abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision ist in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen dargelegte Rechtsfrage zur Verkürzung der Vorbereitungsfrist gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG zulässig und begründet.
8 Gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG sind die Parteien so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen.
9 Im gegenständlichen Fall standen dem Revisionswerber weniger als zwei Wochen zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung zur Verfügung.
10 In ähnlich gelagerten Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 51e Abs. 6 VStG, der Vorgängerbestimmung des § 44 Abs. 6 VwGVG, bereits ausgesprochen, dass dann, wenn die vorgesehene Mindestfrist von zwei Wochen zwischen Zustellung der Ladung und der Verhandlung nicht gewahrt wurde, die Behörde den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, da nicht gesagt werden kann, dass die Behörde bei Wahrung dieser Mindestfrist nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre, weshalb sich dieser Verfahrensmangel als wesentlich erweist (vgl. ).
11 Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit § 51e Abs. 6 VStG erkannt, dass Voraussetzung der ordnungsgemäßen Ladung u.a. deren Rechtzeitigkeit ist. Eine verspätete Ladung ist nicht als ordnungsgemäß anzusehen. Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK, wonach jeder Angeklagte über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen hat, wurde in § 51e Abs. 6 VStG angeordnet, dass dem Beschuldigten von der Zustellung der Ladung an eine Vorbereitungszeit von mindestens zwei Wochen zur Verfügung zu stehen hat. Das bedeutet, dass die Ladung verspätet ist, wenn zwischen ihrer Zustellung und dem Verhandlungstermin weniger als zwei Wochen liegen. Aus der ausdrücklichen Anordnung des § 51f Abs. 2 VStG, wonach die Verhandlung bei Abwesenheit einer Partei nur im Falle einer ordnungsgemäßen Ladung zulässig ist, ist der Schluss zu ziehen, dass die Verhandlung nicht durchgeführt werden darf, wenn die Partei in diesem Fall nicht erscheint. Die Verhandlung ist vielmehr von Amts wegen zu vertagen (vgl. ).
12 Da § 51e Abs. 6 VStG nach der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als § 44 Abs. 6 VwGVG übernommen wurde, ist die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs weiterhin anwendbar (vgl. ErläutRV 2009 BlgNr XXIV. GP 8).
13 Im gegenständlichen Fall wurde die Vorbereitungsfrist nach § 44 Abs. 6 VwGVG nicht eingehalten, dies ist nach dem Gesagten dem Unterbleiben einer Verhandlung gleichzuhalten.
14 Dass im Revisionsfall eine Verhandlung nach § 44 Abs. 4 VwGVG hätte entfallen können, wird im angefochtenen Erkenntnis nicht dargelegt und ist nach der Lage des Falles auch nicht zu erkennen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist insbesondere durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinne des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. ).
15 Das angefochtene Erkenntnis war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018150007.L00 |
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