VwGH vom 21.12.2010, 2010/15/0176
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0360-F/07, betreffend Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2007 (mitbeteiligte Partei: W M in D, p.A. Steuerberater Mag. Martin Feurstein in 6850 Dornbirn, Montforstraße 18c), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der in Österreich ansässige Mitbeteiligte war im Streitjahr 2007 bei einem Schweizer Bauunternehmen tätig, für das er seit Oktober 2006 auf einer Tunnelbaustelle in der Schweiz als Maschinist arbeitet.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2007 in Höhe von 6.000 EUR mit der Begründung fest, dass der Mitbeteiligte durch die Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz ab in Österreich steuerpflichtig sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten Folge und setzte die Einkommensteuervorauszahlungen 2007 mit Null fest. Dabei ging sie davon aus, dass die streitgegenständlichen Einkünfte des Mitbeteiligten für seine in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit - abgesehen vom Erfordernis eines inländischen Betriebes - alle Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 erfüllten.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass die Einschränkung der Steuerfreiheit gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 auf Arbeitnehmer inländischer Betriebe eine gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßende Diskriminierung darstelle, die vom Gemeinschafts- bzw. Abkommensrecht verdrängt werde. Hingegen sei der Begriff der "Auslandstätigkeit" entgegen der vom Bundesministerium für Finanzen in einer Anfragebeantwortung vertretenen Ansicht nach den nationalen Auslegungsregeln zu interpretieren. Es sei der streitgegenständlichen Steuerbefreiung daher nicht abträglich, dass der bei einem Schweizer Arbeitgeber beschäftigte Mitbeteiligte im Streitjahr 2007 ausschließlich in der Schweiz gearbeitet habe (und damit aus der Sicht der Schweiz nicht ins Ausland entsandt worden sei).
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde gemäß § 292 BAO.
Indem die belangte Behörde die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der ihrer Ansicht nach gemeinschaftsrechtlich gebotenen Modifikation angewandt hat, erwies sich die Bestimmung auch für den Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen Verfahren als präjudiziell.
Mit Beschluss vom , A 2010/0012, stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die genannte Bestimmung in der im Beschwerdefall zur Anwendung gelangenden Fassung BGBl. I Nr. 161/2005 als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof hegte Bedenken gegen die Sachlichkeit der genannten Befreiungsbestimmung, insbesondere im Lichte deren Ausweitung auf Fälle, die ihre sachliche Rechtfertigung auch nicht mehr in Gründen der Exportförderung zu finden vermögen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des zitierten Beschlusses verwiesen.
In Entsprechung des vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzesprüfungsantrages hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 30/10-6 u.a., § 3 Abs. 1 Z 10 des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der (im Beschwerdefall einschlägigen) Fassung BGBl. I Nr. 161/2005 als verfassungswidrig auf. Hiebei sprach er aus, dass frühere Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdefall bildete einen der Anlassfälle für die Aufhebung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988.
Art. 140 Abs. 7 erster und zweiter Satz B-VG lauten:
"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht mit seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht."
Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist nach ständiger Rechtsprechung daher so vorzugehen, als ob bei dessen Erlassung die aufgehobene Bestimmung nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/17/0401).
Die belangte Behörde hat die Einkommensteuervorauszahlungen des Mitbeteiligten für das Jahr 2007 mit Null festgesetzt und sich dabei auf den vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der ihrer Ansicht nach gemeinschaftsrechtlich gebotenen Modifikation gestützt. Sie hat den angefochtenen Bescheid damit auf eine Gesetzesbestimmung gegründet, die nach dem Gesagten im Beschwerdefall nicht (mehr) anzuwenden ist.
Dadurch erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am